Diese mangelnde Einsatzbereitschaft ließ schließlich bei Conway und den anderen Korpsärzten, die bei ihren Forschungen die verschiedenen Seuchenüberträger der letzten Jahrzehnte genau untersucht hatten, einen schrecklichen Verdacht aufkommen. Sie fanden nämlich heraus, daß viele der früheren Seuchen so gut wie ausgerottet waren, weil die Erkrankten und deren Familien im Laufe der Zeit wahrscheinlich eine natürliche Widerstandskraft gegen die Erreger entwickelt hatten. Doch kaum war eine alte Krankheit verschwunden, wurde sie unweigerlich durch eine neueersetzt, die normalerweise von optisch abstoßenden Hautausschlägen, einer Deformierung der Gliedmaßen und einer Art Schüttellähmung begleitet wurde. Dennoch verliefen die meisten Krankheiten gegen jede medizinische Logik nur selten tödlich.
All das ließ nur den einen unglaublichen und beängstigenden Schluß zu, daß Teltrenn, der allseits beliebte und hochgeschätzte Vertreter des Imperiums, ganz bewußt und systematisch für die Ausbreitung von Krankheiten sorgte, anstatt sie zu bekämpfen – und der einzige Grund dafür war Geldgier.
21. Kapitel
Die von einer armen, aber mitfühlenden Bevölkerung als Antwort auf entsprechend veröffentlichte Katastrophenmeldungen und Aufrufe gespendeten Gelder summierten sich zu einem beachtlichen Betrag, zumal die Bürger des etlanischen Imperiums großzügige und mitfühlende Menschen waren, die fortwährend an die schreckliche Notlage ihrer Brüder und Schwestern auf dem Seuchenplaneten erinnert wurden. Dieser kontinuierliche Spendenfluß der Gesamtbevölkerung von fast fünfzig bewohnten Planeten übertraf sämtliche Erwartungen, und da sich nur alle zehn Jahre ein einziges Schiff mit Hilfsgütern auf den Weg machte, lag es auf der Hand, daß nur ein Bruchteil des Geldes wirklich denen zugute kam, für die es ursprünglich vorgesehen war. Statt dessen wurden diese Spenden als eine Art indirekte Steuer betrachtet und flossen zum Nutzen des Imperators und der ihn unterstützenden Familienclans fast komplett in die Staatskasse.
Diese Situation konnte von der Föderation nicht länger toleriert werden, und als man sowohl auf Imperial-Etla als auch auf Seuchen-Etla direkte Fragen nach dem Verbleib der Spendengelder stellte, gerieten Teltrenn und dessen oberster Dienstherr in Panik. Um nicht durch den Einsatz von Atomwaffen die eigenen Raumhäfen zu zerstören, wurden von den imperialen Streitkräften mit herkömmlichen Sprengköpfen bestückte Raketen auf die Schiffe des Monitorkorps gerichtet, die daraufhin mit ausgefahrenem Meteoritenschild den Rückzug antraten.
Von dem Monitorarzt, der Imperial-Etla besucht hatte, hat man nie wieder etwas gehört.
Das Korpspersonal auf dem Seuchenplaneten war von dem auf Imperial-Etla stationierten Schiff vorgewarnt worden, so daß es sich rechtzeitig zurückziehen konnte, noch bevor Lonvellin, der sich innerhalb des Schutzschilds seines eigenen Schiffs sicher wähnte, in einem nuklearen Feuerball den Tod fand.Natürlich konnte es der Imperator nicht zulassen, daß die etlanischen Bürger die Wahrheit über seine niederträchtigen Handlungen erfuhren. Deshalb beschuldigte er nun die Föderation, einzig und allein für die Zustände auf dem Seuchenplaneten verantwortlich zu sein, und klagte sie genau jener Verbrechen an, die er selbst seit über einem Jahrhundert an der Bevölkerung begangen hatte. Er behauptete sogar, von einem der Monitore erfahren zu haben, daß die Angehörigen des Korps, die man auf den etlanischen Planeten zu Gesicht bekommen habe, etlanischen Wesen zwar ungeheuer ähnlich sähen, doch daß sich die Mehrheit der galaktischen Föderation aus häßlichen und sadistischen Monstern zusammensetze, die aufgrund ihrer enormen Intelligenz nur um so furchterregender seien. Zum ersten Mal in seiner langen Geschichte sei das Fortbestehen des etlanischen Imperiums durch das Auftauchen der fremden Wesen aus dem All bedroht, und die einzige Verteidigung sei ein mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln geführter Angriffskrieg. Die imperialen Propagandisten und der den Etlanern seit frühester Kindheit eingeimpfte Fremdenhaß taten den Rest, so daß schon bald eine riesige Kriegsflotte zusammengezogen wurde.
»…aber wir sind auch nicht auf den Kopf gefallen, und solange wir Fremdweltler nicht genauer kennengelernt haben, vertrauen wir ihnen nicht«, fuhr Stillman fort. »Erst wenn wir uns vergewissert haben, daß es sich bei ihnen um friedliebende Wesen handelt, verraten wir ihnen unsere genaue Herkunft. Sowohl auf Imperial-Etla als auch hier auf dem ehemaligen Seuchenplaneten durfte niemand, der die Koordinaten irgendwelcher Planeten der Föderation kannte, mit einem Etlaner in Kontakt treten. Das ist bei Erstkontaktsituationen bis heute oberstes Gebot. Doch jeder raumreisende Korpsarzt kennt zumindest die Koordinaten des Orbit Hospitals, und ein solcher war den Schergen des Imperators ja bekanntermaßen in die Hände gefallen.
Deshalb griff die etlanische Kriegsflotte kurz darauf das Hospital an, und zwar mit dem Ziel, es zu erobern, anstatt es zu zerstören, weil man hoffte, auf diese Weise an weitere Informationen zu gelangen. Aus unserer Sicht mußten dem Imperator diese Informationen natürlich so lange wie möglichvorenthalten werden, und deshalb wurden sämtliche Patienten und Mitarbeiter des Orbit Hospitals, die auch nur im geringsten Maße über astronavigatorisches Wissen verfügten, evakuiert, so daß nur einige hundert Freiwillige zurückblieben…«
Daß die Verwundeten von beiden Seiten trotz des Personalmangels im Hospital behandelt werden mußten, stand außer Frage, zumal es unmöglich war, zwischen terrestrischen und etlanischen Verwundeten Unterschiede auszumachen und sich die Ärzte sowieso weigerten, sich nach der Herkunft der Opfer zu erkundigen. Schon bald waren sämtliche Stationen und Korridore, die noch nicht zerstört und oder die wenigstens einigermaßen in Takt geblieben waren, mit Verwundeten überfüllt, so daß sich die auf dem Weg der Genesung befindlichen etlanischen Patienten damit abfinden mußten, direkt neben aus ihrer Sicht optisch furchterregenden Monstern zu liegen oder gar von Aliens medizinisch versorgt zu werden. Die Patienten der galaktischen Föderation hingegen führten den Kampf mit der einzigen Waffe fort, die ihnen geblieben war, nämlich mit den Mitteln der Sprache. Es war ein erbittert geführter, unblutiger Kampf, in dem die Etlaner die Wahrheit über die Vorkommnisse auf ihrem Seuchenplaneten erfuhren. Dies führte letztendlich dazu, daß die ranghöchsten Patienten beider Seiten den draußen tobenden Feindseligkeiten ein Ende bereiten konnten.
Daraufhin reformierte sich die etlanische Kriegsflotte und verließ den galaktischen Sektor zwölf, um jeden einzelnen Planeten des Imperiums aufzusuchen und dort die neu erfahrenen Wahrheiten zu verbreiten. Man bot den Planetenbevölkerungen des etlanischen Reiches die Hilfe der Kriegsflotte an, um den Imperator mitsamt seinen Lakaien und Privatarmeen zu entmachten.
»Dieser Aufstand entwickelte sich zur größten und ausgedehntesten Rebellion in der Geschichte«, fuhr Stillman fort. »Aber auch wenn die Etlaner außer sich vor Zorn waren, so hatten sie sich doch ihren Stolz bewahrt. Deshalb sagten sie uns, daß es sich um einen internen Familienzwist handle und wir uns, mit einer Ausnahme, von sämtlichen Planeten mit dem Namen Etla fernhalten sollten, bis sie die Angelegenheitselbst geklärt hätten. Und in dieser Gegend hier begann der Krieg, und hier fand er auch sein Ende. Der eigentliche Auftakt war, als Teltrenn auf Lonvellins Schiff eine Nuklearrakete abschießen ließ. Da hinten, etwa fünfzehn Kilometer westlich von hier, ist übrigens noch der Krater zu sehen. Das Ende kam, als die Bewohner zusammen mit einigen übergelaufenen Soldaten gepanzerte Fahrzeuge erobern konnten, um die entscheidende Schlacht gegen Teltrenns Armee zu schlagen. Aber die Etlaner schämen sich noch immer ein bißchen ihrer Vergangenheit und auch darüber, so gehandelt zu haben, obwohl sie alle Gründe dazu gehabt hatten. Deshalb möchte Shech-Rar auch nicht, daß Sie während Ihrer Untersuchungen überall wahllos herumstöbern und womöglich versehentlich auf den äußerst empfindlichen Gefühlen anderer herumtrampeln.«