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Hewlitt sah sich die Bilder von rotbepelzten Teddybären in vermeintlich aufreizenden Posen an und hätte beinahe laut losgelacht. »Ich kann daran nichts Anstößiges entdecken«, meinte er schmunzelnd.

»Gut, dort drüben in der Ecke befindet sich übrigens das Steuerpult«, erklärte ihm Lioren. »Der Sitz ist höhenverstellbar, die Tasten sind für Terrestrier groß genug, und der Bildschirm läßt sich auf Ihre visuellen Erfordernisse exakt abstimmen. Sie können die üblichen Unterhaltungs-,Bibliotheks- und Schulungsprogramme abrufen, und die gelben Knöpfe auf dem grünen Rechteck sind für die Speisekarte und die Auswahlanleitung des Essensspenders. Haben Sie eigentlich auch solch einen Hunger wie ich? Kommen Sie mit in den Speisesaal, oder wollen Sie sich lieber erst noch etwas ausruhen?«

»Ja… ich… Ach, ich weiß nicht recht. Ich würde mich gern weiter mit Ihnen unterhalten, kommen Sie doch einfach herein, oder, besser gesagt, quetschen Sie sich herein. Soll ich uns etwas zu essen bestellen? Was können Sie denn empfehlen?«

Lioren zögerte, bevor er antwortete: »Bis morgen wird Ihr Automat so umprogrammiert worden sein, daß er die terrestrischen Standardgerichte liefern kann.

Zwischen nidianischem und terrestrischem Essen kann man praktisch kaum einen Geschmacksunterschied wahrnehmen; für einen Tarlaner sind jedoch beide Ernährungsformen gleichermaßen ekelerregend. Deshalb würde ich den Speisesaal bevorzugen, was Sie an meiner Stelle bestimmt auch tun würden. In der Kantine ist die Speisekarte für sämtliche Spezies sehr viel umfangreicher, so daß auch Sie keine Probleme haben werden, etwas Geeignetes für sich zu finden.«

Dieses Mal zögerte Hewlitt. »Ist dort sehr viel Betrieb? Ich meine, noch schlimmer als in den Korridoren? Und… ahm… na ja, welches Verhalten wird dort von einem erwartet?«

»Sämtliche warmblütigen Sauerstoffarmer des Personals essen dort, wenn auch nicht, was Sie sicherlich freuen wird, alle zur gleichen Zeit. Sie sitzen, knien oder stehen um Tische herum und nehmen so ihre Mahlzeiten zu sich, wobei ein jeder darauf bedacht ist, anderen nicht in die Quere zu kommen. Falls wir einen freien Tisch in der Nähe des Eingangs finden – und das sollte kein Problem sein, weil das der unbeliebteste Bereich ist -, dann wird es uns sogar möglich sein, während des Essens zu arbeiten.«

»Arbeiten?« fragte Hewlitt verdutzt; in letzter Zeit passierte ihm einfach häufig zu viel in viel zu kurzen Abständen. »Wie denn das?«»Indem wir unsere jüngst entdeckte Fähigkeit des Wiedererkennens trainieren und das Klinikpersonal beim Hereinkommen oder Weggehen unter die Lupe nehmen, um nach Beweisen für eine ehemalige Inbesitznahme durch die Virenkreatur zu suchen. Selbst wenn die Ergebnisse negativ ausfallen sollten, handelt es sich dabei um eine effektive Methode, eine große Anzahl von Klinikmitarbeitern bei der künftigen Suche auszuschließen, so daß wir uns während der uns zur Verfügung stehenden Zeit mehr auf die Patienten und das diensthabende Personal konzentrieren können. Der gegenwärtige Wirt muß gefunden werden, und das so schnell wie möglich. Daß eine solche Virenkreatur in einem Multispezies-Krankenhaus ausgebrochen ist… darüber darf man eigentlich gar nicht nachdenken.«

»Aber warum denn nicht?« hakte Hewlitt nach. »Soweit ich weiß, hat diese Kreatur bislang niemandem Schaden zugefügt, sondern allenfalls das Gegenteil bewirkt. Das Orbit Hospital hat die Aufgabe, Wesen zu heilen, und die Virenkreatur macht dasselbe. Warum sind alle nur so furchtbar besorgt? Eigentlich wollte ich schon O'Mara danach fragen, aber er hat mir ja keine Gelegenheit mehr dazu gegeben, und auf der Rhabwar sind alle der Frage ausgewichen.«

Lioren ging in den Korridor zurück und wartete, bis Hewlitt die Zimmertür hinter sich geschlossen hatte, bevor er sagte: »Bedauerlicherweise kann ich Ihnen auch keine Antwort darauf geben.«

»Aber warum denn, verflucht noch mal!« fauchte Hewlitt wütend. »Schließlich bin ich kein Patient mehr, dem man irgendwelche medizinischen Geheimnisse vorenthalten muß.«

»Weil wir einfach keine einleuchtende Antwort für Sie parat haben«, erwiderte Lioren. »Außerdem ist es besser für Sie, wenn wir Sie mit unseren Zweifeln und Ängsten nicht unnötig belasten.«

»Ich persönlich bevorzuge es, mich lieber etwas unwohl in meiner Haut zu fühlen, als in Unkenntnis gehalten zu werden«, meinte Hewlitt.

»Und ich persönlich bevorzuge es, das Schlimmste zu erwarten unddabei das Beste zu hoffen. Das bedeutet, daß ich niemals enttäuscht bin, wenn am Ende das Erreichte nur knapp an einer totalen Katastrophe vorbeigeht oder, wie es in unserem Fall durchaus sein kann, wenn unsere Besorgnis völlig unbegründet ist. Wir dürfen uns nicht unnötig Angst machen. Und die Antwort auf Ihre vorherige Frage lautet, daß es keine gibt.«

»Keine was?« fragte Hewlitt verblüfft.

»Na, keine Tischmanieren oder sonstige Verhaltensregeln«, stellte der Padre klar. »Niemand wird sich in der Kantine um die Art Ihrer Nahrungsaufnahme scheren, noch wird man es Ihnen verübeln, wenn Sie es bewußt vermeiden, einen Gesprächspartner während einer Unterhaltung anzusehen, weil Sie nicht dabei zuschauen wollen, wie sich einige von uns eklige Speisen in die Mundöffnungen schieben. Und nun, Patient Hewlitt, müssen wir sowohl arbeiten, als auch essen.«

26. Kapitel

Auf der Rhabwar hatte Hewlitt den Empathen dabei beobachten können, wie dieser, über dem Teller schwebend, terrestrische Spaghetti – das nichtcinrusskische Lieblingsgericht Priliclas -, zu langen, gelben Strängen geflochten und mit seinem winzigen Mund aufgesogen hatte. Genausowenig war ihm entgangen, daß Naydrad beim Essen nicht die Hände zu benutzen pflegte, sondern die Hälfte ihres schmalen, kegelförmigen Kopfs solange in dem von ihr bevorzugten geraspelten, öligen Grünzeug vergrub, bis die Schüssel leer war. Hewlitt hatte sogar mitbekommen, wie sich der Gestaltwandler Danalta entweder auf etwas gesetzt oder sich gegen etwas gelehnt hatte, das er zu verdauen gedachte, bis nur noch die ungenießbaren Reste übriggeblieben waren. Da er schon zuvor auf Station sieben den Eßtisch mit Bowab, Horrantor und Morredeth geteilt hatte, überraschte es ihn kaum, daß er dem Padre ohne die leiseste Spur des Unbehagens bei der Nahrungsaufnahme zusehen konnte.

Lioren benutze beim Essen die Finger von zweien seiner oberen beweglichen Gliedmaßen, wobei die kleinen Hände in silberfarbenen Einweghandschuhen steckten, die – wie Hewlitts Messer und Gabel – in einem Zubehörpäckchen auf dem Tablett des Essensspenders mitgeliefert worden waren. Wenn der Padre das Essen zur Mundöffnung führte, fielen seine Bewegungen präzise und beinahe anmutig aus. Die schwammigen braunen und gelben Klumpen, die er verzehrte, waren Hewlitt viel zu fremd, als daß er sich hätte vorstellen können, aus welchem Material sie bestanden, oder um von ihnen angewidert zu sein.

Er hoffte, daß dies für Lioren umgekehrt genauso zutraf, zumal ihm das synthetische Steak sehr gut schmeckte. Doch wie der Padre wirklich empfand, konnte Hewlitt nicht einmal erahnen, da Lioren seit Betreten des Speisesaals noch kein Wort von sich gegeben hatte.

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