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Als Einzelgänger, zu dem er eher notgedrungen als freiwillig geworden war, trug er die alleinige Verantwortung für sein körperliches Wohlergehen,und dazu gehörte auch, sich vor Unfall-, Krankheits- oder Infektionsgefahren zu schützen. Dennoch war er kein Hypochonder, jedenfalls nicht durch und durch. Er wußte, daß mit ihm ganz ernsthaft etwas nicht stimmte, und beim heutigen Stand der medizinischen Forschung hatte er als Bürger der galaktischen Föderation verlangt, daß ihm von irgendwem irgendwo geholfen wurde.

Auch wenn er sich nicht gern unter Fremden aufhielt, so gefiel ihm genausowenig die Aussicht, für den Rest seines Lebens periodisch unerklärlich krank zu sein, und deshalb hatte er auch auf seinem Recht bestanden. Jetzt fragte er sich allerdings, ob es für ihn nicht besser gewesen wäre, bis zum Rest seines Lebens bequem auf der Erde zu bleiben. Hier bereiteten ihm die Behandlungsmethoden und erst recht die Ärzte, die sie verordneten, bestimmt mehr geistige Qualen als die eigentliche Krankheit selbst.

Mit einem Mal wollte Hewlitt unbedingt wieder zu Hause sein.

Doch unversehens wurde seine Aufmerksamkeit auf den Eingang zum Personalraum gelenkt, aus dem zwei Kreaturen aufgetaucht waren, die nun den Mittelgang entlang direkt auf ihn zusteuerten. Der erste Alien war ein raupenähnliches Wesen mit einem silbergrauen Pelz, das sich auf mehr Beinen wellenförmig über den Boden fortbewegte, als er zählen konnte, und das derselben Spezies wie Patient Henredth im Bett gegenüber angehörte. Dieses kelgianische Wesen wurde von der hudlarischen Lernschwester begleitet, deren lederner Hautpanzer anscheinend neu angestrichen worden war, seit Hewlitt sie das letzte Mal gesehen hatte – und die er aus einem unerfindlichen Grund heraus als seine Schwester zu betrachten begann, möglicherweise weil sie so höflich und ihm einigermaßen vertraut war.

Für einen Moment fragte er sich, ob seine Schwester von anderen Hudlarern für hübsch gehalten wurde, dann richtete er sich im Bett auf und wappnete sich für seine erste ärztliche Untersuchung, die von einer riesigen extraterrestrischen Raupe vorgenommen werden würde. Aber die beiden blieben am Nachbarbett von Patientin Kletilt stehen, verschwanden hinterden Sichtblenden und ignorierten ihn völlig.

Insgesamt konnte er drei verschiedene Stimmen leise miteinander reden hören. Da war einmal das modulierte Jammern, das vom kelgianischen Arzt stammen mußte, dann unregelmäßig schabende und klickende Geräusche, die er noch nie zuvor gehört hatte, die aber eindeutig von der melfanischen Patientin herrührten, und schließlich noch – allerdings seltener häufig, was auf kurze Antworten auf Fragen oder Instruktionen schließen ließ – die vertrauten Laute aus der vibrierenden Sprechmembran der Lernschwester. Keiner der Translatoren war auf die terrestrische Sprache eingestellt, so daß Hewlitt keine Ahnung hatte, worüber sich die drei unterhielten.

Das ärgerte ihn, weil alle paar Minuten der Stoff der Sichtblenden nach außen anschwoll, als ob sich dahinter etwas Großes und Rundes wie die Flanken der Hudlarerin sowie etwas undefinierbares Kleines und Spitzes hin und her bewegte. Trotz der Tatsache, daß es ihn wahrscheinlich entsetzt hätte, wollte Hewlitt unbedingt wissen, was dort vor sich ging.

Auf jeden Fall dauerte es etwa zwanzig Minuten, bis der kelgianische Arzt hinter der Sichtblende hervor wieder auftauchte und sich wellenförmig in Richtung des Personalraums schlängelte, ohne Hewlitt auch nur eines Blickes zu würdigen. Dann hörte er, wie sich die hudlarische Schwester um Kletilts Bett herumbewegte und anscheinend etwas mit oder für die Patientin tat, bis auch sie wieder auftauchte und dem Arzt folgte. Weder winkte Hewlitt nach ihr, noch rief er › Schwester! ‹ wie Leethveeschi es ihm geraten hatte, sondern fuchtelte wild mit den Armen in der Luft, um auf sich aufmerksam zu machen.

Die Schwester blieb stehen, verstellte etwas am Translator und sagte dann: »Ist irgend etwas nicht in Ordnung, Patient Hewlitt?«

Das ist doch wohl offensichtlich, daß hier was nicht in Ordnung ist! empörte er sich in Gedanken, versuchte aber, höflich zu klingen, als er antwortete: »Ehrlich gesagt, hatte ich erwartet, endlich untersucht zu werden, Schwester. Was wird hier eigentlich gespielt? Dieser kelgianische Arzt hat mich nicht einmal angesehen!«

»Dieser kelgianische Arzt hat die Verlegung der Patientin Kletilt auf eineandere Station vorbereitet«, stellte die Schwester klar. »Und ich habe die Patientin während der Untersuchung einige Male in eine andere Position bringen müssen. Das war übrigens Chefarzt Karthad, der zur Zeit am Orbit Hospital der größte Spezialist für Geburtshilfe und Gynäkologie ist und an Ihrem Fall keinerlei Interesse hat. Sie müssen sich nur noch ein wenig gedulden, dann wird auch der für Sie zuständige Arzt eintreffen, um Sie zu untersuchen, Patient Hewlitt.«

3. Kapitel

Zwar hatte Hewlitt schon etliche Fotos von Melfanern gesehen, und während der Fahrt zur Krankenstation waren ihm auch einige dieser Wesen in voller Lebensgröße in den Korridoren begegnet, aber dieser hier war der erste, der ihm so bedrohlich nahe kam und der zudem keinerlei Regung zeigte. Selbst aus der Nähe betrachtet, sah dieses Wesen immer noch wie eine übergroße Krabbe mit einem Ektoskelett aus, wenngleich ihm dieses Mal die sechs röhrenförmigen Beine, die aus den schmalen Öffnungen ragten, wo sich der knöcherne Panzer und die Körperunterseite miteinander verbanden, kaum auffielen, denn er starrte auf den Kopf mit seinen großen Augen und den senkrecht stehenden Lidern, dem gewaltigen Unterkiefer und den Zangen, die an den Stellen hervorstießen, an denen eigentlich Ohren hätten sein müssen. Die beiden Fühler, die aus den Mundwinkeln herausragten, waren derart lang, dünn und zerbrechlich, daß sie im Vergleich zum restlichen Körper geradezu albern wirkten. Der scheußliche Kopf dieser Kreatur bewegte sich plötzlich auf ihn zu und sprach ihn unweigerlich an: »Na, wie geht's uns denn, Patient Hewlitt?«

Genauso unweigerlich, wenn auch sehr viel knapper, antwortete Hewlitt: »Gut.«

»Sehr schön. Ich bin übrigens Doktor Medalont«, stellte sich ihm der Melfaner vor. »Falls Sie nichts dagegen haben, möchte ich an Ihnen eine Voruntersuchung durchführen und Ihnen ein paar Fragen stellen. Bitte schlagen Sie die Decke zurück, und legen Sie sich auf den Bauch. Die Kleidung können Sie ruhig anbehalten, die Scannerdarstellungen werden dadurch nicht beeinträchtigt. Während der Untersuchung werde ich Ihnen alles erklären.«

Der Scanner war ein flaches rechteckiges Gerät, das Hewlitt von der Form her an ein Buch aus alten Zeiten erinnerte. Wie Medalont ihm erklärte, befanden sich an der Seitenblende die Regler für Vergrößerungseffekte und die Tiefenschärfe, während die mattschwarze Unterseite, die gerade langsam über jeden Zentimeter seines Körpersgeführt wurde, mit Mikrosensoren ausgestattet war, so daß auf der Oberseite des Scanners eine Darstellung der darunterliegenden organischen Strukturen erschien. Ein vergrößertes Scannerbild wurde auf den Bildschirm neben dem Bett übertragen, wahrscheinlich als Information für die Krankenschwester. Hewlitt verrenkte sich fast den Hals, um selbst einmal einen Blick aufsein › Innenleben‹ werfen zu können.

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