Sobald sich das Gespräch aus irgendeinem Anlaß um das so fremdartig und furchterregend aussehende Wesen namens Lonvellin drehte, gaben sich die Monitore völlig ahnungslos und äußerten sich dazu stets nur in höchst gemäßigtem Ton.
Doch die bei weitem wichtigsten Informationen stammten von den Agenten. Diese fanden nämlich schon sehr bald heraus, daß die Etlaner Angst vor Lonvellin hatten, weil man ihnen beigebracht hatte, daß alle außerplanetarischen Wesen Krankheiten übertrügen. Die erste medizinische Lektion, die sämtliche raumreisende Zivilisationen lernen, nämlich daß die Lebensformen des Planeten X nicht von den Krankheitserregern des Planeten Y befallen werden und sich verschiedenartige Spezies generell mit ihren Krankheiten gegenseitig nicht anstecken können, war ihnen also vorenthalten worden.
Und das mit voller Absicht!
»Zumindest war ihre ungeheure und kaum zu bremsende Angst, sich neue Infektionen zuzuziehen, durchaus verständlich, weil Etla ein wirklich furchtbar kranker Planet war«, fuhr Stillman fort. »Damals war Etla eine Kolonie in der siebzehnten Generation, die zwar weiträumig, aber nur dünn besiedelt war und in der seit etwa hundert Jahren Krankheiten grassierten. Zu jener Zeit waren sage und schreibe gut fünfundsechzig Prozent der Frauen, Männer und Kinder von verschiedensten Krankheiten befallen; zumeist handelte es sich um entstellende Leiden oder Gebrechen, die bei den Etlanern Verkrüppelungen oder Mißbildungen hervorriefen, wenngleich sie nur selten lebensbedrohlich waren. Viele der ansteckenden Krankheiten hätten durch die Einrichtung von Isolierstationen und die Verabreichung einfacher Medikamente ausgemerzt werden können, doch bewegte sich der Stand der Medizin auf niedrigstem Niveau, und es gab auch keinerleiForschungseinrichtungen, weil das Imperium sämtliche Aufgaben der Gesundheitsfürsorge für die Etlaner längst übernommen hatte.
Vom medizinischen Standpunkt aus war diese Situation für uns natürlich untragbar, zumal sämtliche Krankheiten, die wir bis dato gesehen hatten, heilbar waren«, setzte Stillman seine Ausführungen fort. »Hätten wir den Planeten zum Katastrophengebiet erklärt, um massive medizinische Hilfe leisten zu können, wäre das Problem binnen weniger Jahre gelöst gewesen, doch die Erstkontaktsituation war äußerst kompliziert. Die Etlaner sind durchaus stolze und selbstbewußte Wesen und verhielten sich damals gegenüber dem Imperator, der auf dem Hauptplaneten Imperial-Etla lebte, völlig loyal und waren ihm und all den anderen Bewohnern des etlanischen Reiches für deren anhaltende Hilfe dankbar. Von Fremden geleistete medizinische Unterstützung wäre unter den gegebenen Umständen von der Bevölkerung als demütigend empfunden worden und hätte von dem offiziellen Repräsentanten des Imperiums und der von ihm befehligten militärischen Streitmacht auf diesem Planeten als eine feindliche Invasion aus dem All mißverstanden werden können… «
Um gegenüber der etlanischen Regierung die guten Absichten der galaktischen Föderation zu beteuern und um herauszufinden, weshalb das Imperium seinen kranken Planeten nur so spärlich und in so großen, wenn auch regelmäßigen Abständen mit medizinischen Hilfsgütern versorgte, wurde ein Monitorschiff mit einem medizinischen Offizier an Bord zum Zentralplaneten geschickt; möglicherweise war den Behörden aufgrund der großen Entfernung das Ausmaß der Notlage der darniederliegenden Kolonie nicht bewußt. Als das unbewaffnete Kurierschiff auf dem Raumflughafen der Hauptstadt nach vorheriger Anmeldung und ohne jede Geheimniskrämerei landete, wurde es sofort von Truppen der imperialen Streitkräfte umstellt.
Die offizielle Begründung für diesen offensichtlich feindseligen Akt lautete, daß man fremdenfeindliche Ausschreitungen von Teilen der einheimischen Bevölkerung befürchte und die Sicherheit der Gäste höchste Priorität genieße. Deshalb sollte auch die Schiffsbesatzung mit Ausnahmedes medizinischen Offiziers an Bord bleiben und jeden Kommunikationsversuch unterlassen, bis die Behörden die psychologischen Barrieren bei einigen der weniger aufgeschlossenen Bürger durchbrochen hätten.
Der Monitorarzt wurde von den Regierungsberatern herzlich willkommen geheißen und sowohl auf gründliche wie auch auf freundliche Art und Weise über sämtliche Aspekte der Föderation befragt, während ihm gleichzeitig Ehren zuteil wurden, wie sie normalerweise nur Regierungschefs bei offiziellen Staatsbesuchen vorbehalten waren. Unterdessen hatte man auf dem Kurierschiff mittels Sensorenmessungen einige äußerst beunruhigende Informationen eingesammelt, die sich in erster Linie um das drehten, was die Sendeanstalten auf Imperial-Etla ganz offen als › Seuchen-Etla‹ bezeichneten. Außerdem stießen die an Bord befindlichen politischen Analytiker des Monitorkorps bei ihren Untersuchungen auf etliche Ungereimtheiten bezüglich der Finanzgebaren sowie der behördlichen Strukturen des etlanischen Imperiums.
Als erstes entdeckten sie, daß der Seuchenplanet, auch wenn er als Reiseziel ganz bestimmt nicht mehr in Betracht kam, längst nicht in Vergessenheit geraten war. So waren an jeder Kreuzung und in regelmäßigen Abständen auch an jeder Landstraße riesige Plakatwände angebracht, auf denen in drastischer und häufig erschreckender Weise auf die entsetzliche Not der Mitbürger auf dem verseuchten Planeten hingewiesen wurde, um so zu Spenden für die Linderung des Leids aufzurufen. Auf sämtlichen Fernsehsendern wurden fortwährend Spendenaufrufe ausgestrahlt, und von den Bewerbern um ein politisches Mandat wurde jede Gelegenheit genutzt, diesen Appell zu wiederholen. Es handelte sich um die am meisten geförderte und populärste Wohlfahrtseinrichtung, und das nicht nur auf Imperial-Etla, sondern auch auf allen anderen Planeten des Imperiums, so daß unaufhörlich und reichlich Spenden flossen.
Deshalb konnte man unmöglich glauben, daß all diese gesammelten Gelder lediglich dazu ausreichen sollten, alle zehn Jahre ein einziges Schiffmit medizinischen Hilfsgütern auf den Weg zu schicken.
Wie dem Monitorkorps bereits bekannt war, wurde die Ladung nach der Ankunft des Schiffs stets sofort gelöscht. Gleich darauf trat man den Rückflug an, weil die Besatzung keine Sekunde länger als unbedingt nötig auf dem Seuchenplaneten bleiben wollte. Anschließend wurde die komplette Fracht zu einem riesigen Anwesen transportiert, das weiträumig von schwerbewaffneten Elitetruppen bewacht wurde. Auf dieser parkähnlichen Anlage befanden sich zahlreiche Kasernen und ein Palast, der von einem gewissen Teltrenn, dem offiziellen Vertreter des Imperiums, bewohnt wurde. Vor den unbewaffneten Kolonisten, die für den Stützpunkt Lebensmittel liefern und rangniedriges Dienstpersonal stellen mußten, wurde diese militärische Präsenz mit einer möglichen Bedrohung aus dem All gerechtfertigt. In Abständen von mehreren Monaten – offenbar bestand kein großer Handlungsbedarf – reiste Teltrenn in die entferntesten Gegenden des Planeten, um die Medikamente höchstpersönlich zu übergeben und vom neuesten Stand der Forschung auf Imperial-Etla sowie von den unablässigen Bemühungen der ortsansässigen Behörden und Institutionen zu berichten.
Natürlich wäre alles sehr viel schneller und wirkungsvoller vonstatten gegangen, wenn man sämtliche medizinischen Institutionen und Ärzte mit dem neuen Material gleichzeitig beliefert hätte, doch bestand Teltrenn auf der persönlichen Übergabe, um den Betroffenen auf diese Weise sowohl seine eigene Betroffenheit kundzutun, als auch die besten Genesungswünsche des glorreichen Imperators zu übermitteln.