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In der darauffolgenden Stille blickte Hewlitt von Stillman zu Murchison und dann zu Prilicla, denen man ansehen konnte, wie sehr sie auch noch in der Erinnerung unter diesem gemeinsam geteilten, schrecklichen Erlebnis litten. Zwar fühlte er sich ausgeschlossen, doch war er zum ersten Mal in seinem Leben dankbar dafür, ein Außenseiter zu sein.

Nach einem abrupten Kopfschütteln, erzählte Stillman weiter: »Die eigentlichen Probleme begannen, als einer Ihrer ehemaligen Patienten, ein hochintelligentes Wesen namens Lonvellin, etwas entdeckte, das es als ›den kranken Planeten Etla‹ bezeichnete …«

»Ich bin mit Lonvellins Fall durchaus vertraut«, unterbrach ihn Prilicla. »Er war seinerzeit Patient des damaligen Chefarztes Conway, und als Lonvellin bewußtlos war, assistierte ich bei der Messung der emotionalen Ausstrahlung… Entschuldigen Sie Freund Stillman, bitte fahren Sie fort.«

Nachdem Lonvellin damals aus dem Orbit Hospital entlassen worden war, ging er an Bord seines Raumschiffs und nahm die unterbrochene Suche nach einem Planeten wieder auf, der sich, wie es hieß, in einem bislang unerforschten Abschnitt der Kleinen Magellanschen Wolke befinden sollte und über den ihm sehr beunruhigende Gerüchte zu Ohren gekommen waren. Trotz seiner physiologischen Klassifikation EPLH, des massiven Körpers und der furchterregenden natürlichen Waffen war Lonvellin ein hochintelligentes, zwanghaft altruistisches, äußerst langlebiges und absolut unabhängiges Wesen. Es gab einem sehr deutlich zu verstehen, daß es beim Meistern unangenehmer Situationen, in die es geraten könnte, von niemandem Hilfe brauchte und wahrscheinlich auch niemals brauchen würde, denn schließlich hatte es den größten Teil seines sehr langen Lebens damit verbracht, kranke Planetenzivilisationen zu heilen.

Um so überraschender kam es deshalb für die Leute des Monitorkorps, daß Lonvellin eines Tages mit ihnen Verbindung aufnahm, um ihnen per Hyperraumfunk mitzuteilen, daß er den von ihm gesuchten Planeten endlich gefunden habe und er dringend Hilfe benötige.

Die Verhältnisse, die er auf dem betreffenden Planeten laut eigenerAussage vorgefunden hatte, grenzten sowohl in soziologischer als auch in medizinischer Hinsicht an Barbarei. Was die medizinische Seite anging, brauchte er dringend Unterstützung, bevor er die vielen gesellschaftlichen Krankheiten wirkungsvoll bekämpfen konnte, von denen dieser in jeder Hinsicht wirklich kranke Planet befallen war. Außerdem bat er, ihm einige Angehörige der physiologischen Klassifikation DBDG zu schicken, insbesondere Terrestrier, um diese als eine Art Spione einzusetzen. Die Einheimischen gehörten nämlich derselben Klassifikation an und waren allen fremdartigen Lebensformen gegenüber entsetzlich feindlich gesinnt – ein Umstand, durch den Lonvellins Aktivitäten ganz offensichtlich am meisten behindert wurden.

Lonvellins Bericht zufolge hatte er zunächst den Planeten während mehrerer Umkreisungen beobachtet, wobei er per Translator verschiedene Sender abgehört hatte. Alle Anzeichen deuteten darauf hin, daß dieser Planet, den die Bewohner Etla nannten, früher einmal eine wohlhabende Kolonie gewesen war, die sich durch die Einwirkung vieler verschiedener Krankheiten zurückentwickelt hatte, von denen mehr als fünfundsechzig Prozent der Bevölkerung infiziert waren.

Das Vorhandensein eines kleinen und immer noch betriebsbereiten Raumflughafens bedeutete, daß ihm die erste und gewöhnlich schwierigste Aufgabe eigentlich hätte stark erleichtert werden müssen – nämlich die Einheimischen zu bewegen, einem Alien zu vertrauen, der für sie buchstäblich vom Himmel gefallen war und dessen Anblick sie möglicherweise in Angst und Schrecken versetzt hätte -, da die Bewohner Etlas offenbar darauf eingestellt waren, von außerplanetarischen Wesen Besuch zu erhalten.

Lonvellins Plan war, die Rolle eines nicht besonders aufgeweckten Wesens aus einer anderen Welt zu spielen, das angeblich wegen dringend anstehender Reparaturarbeiten zu einer Notlandung gezwungen worden war. Für die Wiederinstandsetzung seines Raumschiffs wollte er die Etlaner um verschiedene völlig absonderliche und wertlose Reparaturhilfsmittel aus Metalloder Gesteinsresten bitten und so tun, als würde es ihm ungeheuerschwerfallen, den Etlanern verständlich zu machen, was er genau benötigte. Für diesen Ramsch beabsichtigte er, ihnen dann im Austausch äußerst nützliche und wertvolle Gegenstände zu geben, mit denen die etwas findigeren Etlaner schon bald etwas würden anfangen können.

Zwar erwartete Lonvellin, während dieser Phase schamlos ausgebeutet zu werden, das war ihm aber egal, denn seiner Überzeugung nach würde sich die Lage allmählich ändern – anstatt ihnen immer wertvollere Gegenstände zu geben, wollte er ihnen seine noch wertvolleren Dienste anbieten, nämlich als Lehrer zum Beispiel. Danach hatte er vor, sie wissen zu lassen, daß die technischen Voraussetzungen auf Etla nicht ausreichend seien, um das Schiff zu reparieren, und über kurz oder lang würden sich die Einheimischen an den Dauergast gewöhnt haben. Schließlich würde alles nur noch eine Frage der Zeit sein, und davon hatte Lonvellin ja bekanntlich genug.

»…für ein solch extrem langlebiges und hochintelligentes Wesen wie Lonvellin war alles praktisch nichts anderes als ein spannendes Spiel mit variablen Regeln, das er in der Vergangenheit schon viele Male höchst erfolgreich bestritten hatte«, fuhr Stillman fort. »Das Schöne an diesem Spiel war, daß sich alle Beteiligten als Gewinner wähnen konnten; also sowohl die betroffenen Planetenbevölkerungen als auch Lonvellin, da er sich deren Dank sicher sein konnte. Bei dieser Unternehmung hatten sich die Dinge für Lonvellin jedoch in eine völlig falsche, fast fatale Richtung entwickelt. Kaum war er in der Nähe einer Kleinstadt gelandet, war er im Nu durch die notwendig gewordene massive Anwendung verschiedenster Verteidigungstechniken viel zu sehr in Anspruch genommen worden, als daß er irgend etwas anderes hätte unternehmen können…«

Ohne zu wissen, warum diese raumfahrterfahrene Spezies außerplanetarischen Wesen gegenüber derart feindlich gesinnt war, war Lonvellin in dieser Situation ein weiteres Vorgehen unmöglich, und da er zu diesem Zeitpunkt allein nicht mehr weiterwußte, bat er um terrestrische Hilfe. Aufgrund des ungewöhnlich hohen Krankheitsbefalls der Bevölkerung äußerte er außerdem den Wunsch, Chefarzt Conway, der ihneinst im Orbit Hospital behandelte hatte, als Berater mitzuschicken. Kurz darauf traf ein Monitorkreuzer mit Erstkontaktspezialisten und Conway an Bord ein, um sich zunächst einmal ein eigenes Bild von der Lage zu machen und erst dann entsprechend einzugreifen.

Schließlich entschloß sich das Monitorkorps, bei der Kontaktaufnahme mit den Etlanern zwei verschiedene Methoden gleichzeitig anzuwenden. Bei der einen Vorgehensweise rüsteten sich ein paar ausgebildete Linguisten und Ärzte nach einer unbemerkten Landung mit Translatoren aus, die sie unter einheimischer Kleidung verborgen hielten, so daß aufgrund der täuschend echt wirkenden äußerlichen Ähnlichkeit keine weitere Tarnung notwendig war. Probleme mit der Betonung oder der einheimischen Sprechweise wurden gemeistert, indem die Agenten so taten, als hätten sie einen Sprachfehler. Wenn man stotterte oder eine auf Etla durchaus übliche Krankheit im Rachen oder an der Zunge vorschützte, konnte man den Dialekt nämlich kaum identifizieren.

Bei der zweiten Methode landete die Vespasian ganz offen auf dem Raumflughafen. Die Monitore verleugneten auch nicht ihre außerplanetarische Herkunft und gaben den Etlanern per Translator zu verstehen, sie hätten von deren mißlichen Lage gehört und seien gekommen, um ihnen medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Die Etlaner hatten sich mit dieser Erklärung abgefunden und ihrerseits den Monitoren offenbart, ihnen seien in der Vergangenheit bereits immer wieder ähnliche Angebote gemacht worden, und obwohl alle zehn Jahre ein, wie sie es nannten, › Schiff des Imperiums ‹ mit den neuesten Medikamenten kommen würde, habe sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung ständig verschlechtert. Also wurde das Vorhaben der Monitore, die gesundheitliche Situation auf dem Planeten zu verbessern, zwar begrüßt, aber die Etlaner erweckten den Eindruck, als würden sie das Korps, ohne ihm die positiven Absichten absprechen zu wollen, nicht ganz ernst nehmen. Der Grund dafür war, daß nicht einmal die ständigen medizinischen Hilfsmaßnahmen des eigenen Imperiums, das immerhin fast fünfzig Planeten umfaßte, etwas bewirkt hatten.Bei der Mehrheit der Etlaner handelte es sich um durchaus freundliche, vertrauensvolle Wesen, die, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, bereitwillig über sich und das Imperium Auskunft gaben. Natürlich verhielten sich die Kontaktspezialisten des Korps ebenfalls sehr freundlich, waren aber in ihren Äußerungen zurückhaltender.

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