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Und heute abend würde er das Wasser von Cibola trinken, ja, es würde schmecken wie Wein.

Er hob die Flasche, und sein Adamsapfel hüpfte, als das letzte Wasser pißwarm in seinen Magen gurgelte. Als sie leer war, warf er die Flasche in die Wüste. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Das Wasser verkrampfte ihm köstlich den Magen.

»Cibola!« murmelte er. »Cibola! Ich komme! Ich komme! Ich mach' alles, was du willst! Mein Leben für dich! Bumpty-bumpty-bump«

Müdigkeit überkam ihn, nachdem der Durst etwas gestillt war. Er war fast eingeschlafen, als ihm ein völlig anderer Gedanke wie eine eiskalte Dolchklinge durch den Boden seines Verstands fuhr:

Wenn Cibola nun bloß eine Fata Morgana war?

»Nein«, murmelte er. »Nein, hm-hm, nein.«

Aber ihn einfach nicht wahrhaben zu wollen verscheuchte den Gedanken nicht. Die Klinge stieß und bohrte und hielt den Schlaf fern. Wenn er nun mit dem letzten Schluck Wasser eine Fata Morgana gefeiert hatte? Auf seine Weise erkannte er seinen Wahnsinn; genau wie er würde ein Verrückter handeln. Wenn es eine Fata Morgana war, würde er hier in der Wüste sterben, und die Bussarde würden sich an ihm gütlich tun.

Schließlich konnte er die grauenhafte Möglichkeit nicht mehr ertragen, kam taumelnd auf die Füße, arbeitete sich wieder zur Straße vor und kämpfte gegen die Wogen von Erschöpfung und Übelkeit, die ihn überwältigen wollten. Auf der Hügelkuppe sah er gespannt über die mit Yucca und Steppenhexe und Teufelsmantel bewachsene riesige flache Ebene. Der Atem blieb ihm im Halse stecken und franste dann zu einem langen Seufzer aus wie ein Stück Stoff, das an einem Nagel hängenbleibt.

Da war es!

Cibola, seit alters her Legende, von vielen gesucht, vom Mülleimermann entdeckt!

Weit unten in der Wüste, von blauen Bergen umgeben, glänzten seine Türme und Straßen, selbst blau im Dunst der Entfernung, im Wüstentag. Dort standen Palmen... er konnte Palmen sehen... und Bewegungen... und Wasser!

»Oh, Cibola!« frohlockte er und taumelte in den Schatten des umgestürzten Wagens zurück. Cibola lag weiter entfernt, als es aussah, das wußte er. Heute nacht, wenn Gottes Fackel vom Himmel verschwunden war, würde er laufen wie nie zuvor. Er würde Cibola erreichen und sich als erstes kopfüber in den nächsten Brunnen stürzen, an dem er vorbeikam. Dann würde er ihnsuchen, den Mann, der ihn zu sich befohlen hatte. Den Mann, der ihn durch die Ebenen und über die Berge und schließlich in die Wüste gezogen hatte - und das alles innerhalb eines Monats und trotz des gräßlich verbrannten Arms.

Er, der ist- der dunkle Mann, der Hartgesottene. Er wartete in Cibola auf den Mülleimermann, und ihmgehörten die Heere der Nacht, ihm gehörten die bleichen Totenreiter, die von Westen dahersprengten ins Gesicht der aufgehenden Sonne. Sie würden toben und grinsen und nach Schweiß und Pulverdampf stinken. Es würden Schreie ertönen, und Mülleimer störten solche Schreie kaum; es würde zu Vergewaltigungen und Unterdrückung kommen, was ihn noch weniger störte; es würde Mord geben, was ihm gleichgültig war - und es würde einen großen Brand geben.

Das gefiel ihm sehr gut. In den Träumen kam der dunkle Mann zu ihm, breitete an einem hohen Orte die Arme aus und zeigte Mülleimer ein Land in Flammen. Städte, die wie Bomben explodierten. Bebaute Felder, über die der Feuersturm raste. Und selbst auf den Flüssen von Chicago und Pittsburgh und Detroit und Birmingham loderte treibendes Öl. Und der dunkle Mann hatte ihm in seinen Träumen etwas ganz Einfaches gesagt, das ihn veranlaßt hatte, sofort loszulaufen: Du wirst in meiner Artillerie einen hohen Rang einnehmen. Du bist der Mann, den ich brauche. 

Er rollte sich auf die Seite, seine Wangen und Lider waren vom Sand wundgescheuert. Er hatte die Hoffnung schon verloren -, ja, als sich das Vorderrad vom Rahmen gelöst hatte, hatte er die Hoffnung verloren. Gott, der Gott vatermordender Sheriffs, der Gott von Charley Yates war anscheinend doch stärker als der dunkle Mann, wie es schien. Aber er hatte den Glauben nicht verloren und weitergemacht. Und zuletzt, als es ausgesehen hatte, als würde er in der Wüste verbrennen, bevor er Cibola erreichte, wo der dunkle Mann auf ihn wartete, hatte er es weit unten in der Sonne träumen sehen.

»Cibola«, flüsterte er und schlief ein.

Den ersten Traum hatte er vor über einem Monat in Gary gehabt, nachdem er sich den Arm verbrannt hatte. An dem Abend war er mit der Gewißheit eingeschlafen, daß er sterben würde; niemand konnte sich so schlimm verbrennen wie er und überleben. Ein Refrain hatte sich seinem Kopf eingeprägt: Lebe durchs Feuer, stirb durchs Feuer. Lebe dadurch, stirb dadurch.

In einem kleinen Stadtpark hatten die Beine unter ihm nachgegeben; er war gestürzt und hatte den linken Arm mit dem versengten Ärmel von sich weggestreckt wie etwas Totes. Die Schmerzen waren gigantisch, unglaublich gewesen. Er hätte sich nie träumen lassen, daß es solche Schmerzen auf der Welt gab. Er war fröhlich von einem Block Öltanks zum nächsten gelaufen und hatte provisorische Zeitzünder angebracht, die aus einem Stahlrohr und einer entflammbaren Paraffinmischung bestanden, welche mittels eines Stahlplättchens von einer kleinen Menge Säure getrennt war. Diese Vorrichtungen hatte er in die Überlaufrohre oben auf den Tanks gesteckt. Wenn sich die Säure durch den Stahl gefressen hatte, entzündete sich das Paraffin, und die Tanks gingen hoch. Er hatte vorgehabt, zum Westrand von Gary zu gehen, zu dem Wirrwarr von Kreuzungen und Dreiecken der zahlreichen Straßen Richtung Chicago oder Milwaukee, bevor einer der Tanks explodierte. Er wollte das Spektakel verfolgen, wenn die ganze dreckige Stadt von einem Feuersturm verzehrt wurde.

Aber er hatte den Zündzeitpunkt der letzten Bombe falsch eingeschätzt oder sie fehlerhaft konstruiert. Sie war detoniert, während Müll noch den Deckel auf dem Überlaufrohr mit einem Schraubenschlüssel löste. Das brennende Paraffin rülpste eine grellweiße Flamme aus der Röhre und hüllte seinen linken Arm in Feuer. Es war kein schmerzloser Handschuh aus Feuerzeugbenzin, den man in der Luft schwenken und wie ein großes Streichholz ausblasen konnte. Das waren Schmerzen, als hätte man den Arm in einen Vulkan gesteckt.

Er lief kreischend und wie irrsinnig auf dem Öltank hin und her und sprang von dem hüfthohen Geländer ab wie eine fleischgewordene Flipperkugel. Wären die Geländer nicht dagewesen, wäre er hinuntergestürzt und hätte sich dabei immer wieder überschlagen wie eine Fackel, die in einen Brunnen geworfen wurde. Nur der Zufall rettete sein Leben; er stolperte über die eigenen Füße, fiel mit dem Körper auf den linken Arm und erstickte die Flammen. Er richtete sich auf und war immer noch halb irr vor Schmerzen. Später dachte er, daß ihn nur reines Glück - oder der Wille des dunklen Mannes davor bewahrt hatten zu verbrennen. Der Großteil des Paraffinstrahls hatte ihn verfehlt. Er war dankbar - aber die Dankbarkeit kam erst später. Zu dem Zeitpunkt konnte er nur weinen, hin und her wippen und den verbrannten Arm vom Körper Wegstrecken, während die Haut schmorte und aufplatzte und sich zusammenzog.

Als das Licht vom Himmel schwand, fiel ihm vage ein, daß er schon ein Dutzend seiner Zünder angebracht hatte. Sie konnten jeden Moment hochgehen. Zu sterben und aus diesem unsäglichen Elend erlöst zu sein wäre wunderbar, aber in den Flammen zu sterben das absolute Grauen.

Irgendwie war er vom Tank heruntergekrochen, zwischen den liegengebliebenen Wagen hindurchgelaufen, und dabei hatte er die ganze Zeit den gegrillten Arm weit vom Körper gehalten. Als er einen kleinen Park in der Nähe des Stadtzentrums erreichte, ging die Sonne unter. Er setzte sich zwischen zwei ShuttleboardSpielfeldern auf den Rasen und überlegte, was man bei Brandwunden unternehmen könnte. Butter draufstreichen, das hätte Donald Merwin Elberts Mutter gesagt. Aber das half nur, wenn man sich verbrüht hatte oder das Bratenfett besonders hoch spritzte und einem den Arm mit heißem Öl übergoß. Er konnte sich nicht vorstellen, Butter auf das aufgeplatzte schwarze Fleisch zwischen Ellenbogen und Schulter zu streichen; er konnte sich nicht einmal vorstellen, es zu berühren.

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