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Bateman selbst wollte nichts mit dem Wiederaufbau der Gesellschaft zu tun haben. Er schien durchaus zufrieden zu sein - jedenfalls vorläufig -, mit Kojak spazierenzugehen, seine Bilder zu malen, in seinem Garten herumzubasteln und über die soziologischen Folgen der beinahe völligen Ausrottung nachzudenken.

Wenn Sie wieder herkommen und Ihr Angebot erneuern, mich »einzureihen«, Stu, werde ich wahrscheinlich einwilligen. Das ist der Fluch der Menschheit. Der Herdentrieb. Christus hätte sagen sollen: »Ja, wahrlich, wenn zwei oder drei von euch beisammen sind, wird irgendein anderer Typ fürchterlich eins auf die Rübe kriegen.« Soll ich Ihnen sagen, was uns die Soziologie über die menschliche Rasse lehrt? Ich fasse mich kurz. Zeigen Sie mir einen einzelnen Mann oder eine Frau, und Sie werden einen Heiligen oder eine Heilige sehen. Zeigen Sie mir zwei Menschen, und sie werden sich ineinander verlieben. Geben Sie mir drei, und sie werden das bezaubernde Ding erfinden, das wir » Gesellschaft« nennen. Geben Sie mir vier, und sie werden eine Pyramide bauen. Geben Sie mir fünf, und sie werden einen zum Paria stempeln. Geben Sie mir sechs, und sie werden das Vorurteil neu erfinden. Geben Sie mir sieben, und in sieben Jahren erfinden sie den Krieg neu. Der Mensch mag nach Gottes Ebenbild erschaffen worden sein, die menschliche Gesellschaft aber ganz sicherlich nach dem Ebenbild seines Gegenspielers, und sie will immer wieder nach Hause. 

Stimmte das? Wenn es stimmte, dann mochte ihr Gott helfen. Stu hatte oft an alte Freunde und Bekannte gedacht. In der Erinnerung offenbarte sich eine gewisse Tendenz, ihre weniger liebenswerten Seiten herunterzuspielen oder ganz zu vergessen - Bill Hapscombs Angewohnheit, in der Nase zu bohren und den Popel an der Schuhsohle abzustreifen, Norm Bruetts übermäßige Strenge gegenüber seinen Kindern, Billy Vereckers unangenehme Methode, die Anzahl der Katzen in der Nähe seines Hauses dadurch zu reduzieren, daß er die dünnen Schädel der jungen Kätzchen mit den Absätzen seiner Range-Rider-Stiefel zertrat.

Man wollte nur gute Erinnerungen. Der Jagdausflug im Morgengrauen in gesteppten Jacken und orangeroten Day -GloWesten. Die Pokerabende bei Ralph Hodges und Willy Craddocks Gejammer, daß er schon vier Dollar im Einsatz habe, obwohl er schon zwanzig gewonnen hatte. Wie sie einmal mit sechs oder sieben Mann Tony Leominsters Scout wieder auf die Straße geschoben hatten, mit dem er stockbesoffen in den Graben gefahren war. Tony war herumgetorkelt und hatte bei Gott und allen Heiligen geschworen, er habe nur einem Trupp illegaler mexikanischer Einwanderer ausweichen wollen. Herrgott, hatten sie gelacht. Chris Ortegas unendlich reicher Schatz an Minderheiten-Witzen. Der Abend im Puff von Huntsville, als sich Joe Bob Brentwood Filzläuse geholt hatte und jedem erzählen wollte, er hätte sie vom Sofa unten in der Halle und nicht von dem Mädchen im ersten Stock. Das waren verdammt schöne Zeiten gewesen. Nicht was diese vornehmen Leute mit ihren Nachtklubs und ausgefallenen Restaurants und Museen schön nennen würden, vielleicht aber trotzdem schöne Zeiten. Er dachte an das alles, es ging ihm immer wieder durch den Kopf, so wie ein alter Einsiedler mit fettigen, abgegriffenen Karten eine Patience nach der anderen legt. Am meisten wollte er menschliche Stimmen hören, jemanden kennenlernen, sich zu ihm umdrehen können und sagen: Hast du das gesehen?, wenn so etwas geschah wie der Meteoritenschwarm, den er gestern nacht gesehen hatte. Er war kein redseliger Mensch, aber auch nicht gern allein, noch nie gewesen.

Er richtete sich ein wenig auf, als die Motorräder endlich um die Kurve gerauscht kamen, und sah, daß es zwei 250er Hondas waren, die von einem etwa achtzehnjährigen Jungen und einem hübschen Mädchen gefahren wurden, das wahrscheinlich etwas älter als der Junge war. Das Mädchen trug eine gelbe Bluse und hellblaue Levi's. Sie sahen ihn auf dem Stein sitzen, beide Hondas schlingerten ein wenig, als die Überraschung der Fahrer die Oberhand gewann. Der Junge klappte den Mund auf. Einen Augenblick war nicht sicher, ob sie anhalten oder einfach weiter nach Westen brausen würden. Stu hob eine Hand und rief mit freundlicher Stimme: »Hi!« Sein Herz schlug heftig in der Brust. Er wollte, daß sie anhielten. Sie hielten. Einen Moment wunderte er sich über die angespannte Haltung der beiden. Besonders der Junge sah aus, als wäre literweise Adrenalin in seinen Blutkreislauf geschüttet worden. Stu hatte natürlich sein Gewehr, aber er hielt es nicht in der Hand, und die beiden waren ebenfalls bewaffnet; er trug eine Pistole, und sie hatte eine kleine Jagdflinte umgehängt, wie eine Schauspielerin, die nicht sehr überzeugend Patty Hearst darzustellen versuchte.

»Ich glaube, es ist in Ordnung, Harold«, sagte das Mädchen, aber der Junge, den sie mit Harold angeredet hatte, blieb auf dem Motorrad sitzen und betrachtete Stu mit einer Mischung aus Überraschung und Feindseligkeit.

»Ich sagte, ich glaube...« fing sie wieder an.

»Woher wollen wir das wissen?« fauchte Harold, der sie nicht aus den Augen ließ.

»Nun, ich freue mich, Sie zu sehen, wenn Ihnen das hilft«, sagte Stu.

»Und wenn ich Ihnen das nicht glaube?« forderte Harold ihn heraus, und Stu sah, daß er grün vor Angst war. Angst vor ihm und seiner Verantwortung für das Mädchen.

»Dann weiß ich auch nicht.« Stu kletterte von seinem Stein hinunter. Harolds Hand fuhr zum Griff seiner Pistole.

»Harold, laß das«, sagte das Mädchen. Dann schwieg sie, und eine Weile schienen sie alle nicht recht zu wissen, wie es weitergehen sollte - eine Anordnung von drei Punkten, die, wenn man sie miteinander verband, ein Dreieck bilden würden, dessen genaue Form noch nicht abzusehen war.

»Ooooh«, sagte Frannie, als sie sich am Straßenrand auf ein moosbewachsenes Fleckchen unter einer Ulme niederließ. »Die Schwielen am Hintern werde ich nie wieder los, Harold.«

Harold grunzte mürrisch.

Sie wandte sich an Stu. »Sind Sie schon einmal hundertsiebzig Meilen auf einer Honda gefahren, Mr. Redman? Nicht zu empfehlen.«

Stu lächelte. »Wohin fahren Sie?«

»Was geht Sie das an?« fragte Harold grob.

»Und was ist das für ein Benehmen?« fragte Frannie ihn. »Mr. Redman ist der erste Mensch, den wir gesehen haben, seit Gus Dinsmore gestorben ist. Ich meine, wir sind doch aufgebrochen, um Menschen zu finden!«

»Er paßt eben auf Sie auf«, sagte Stu ruhig. Er pflückte einen Grashalm und nahm ihn in den Mund.

»Ganz recht, so ist es«, sagte Harold, der keineswegs besänftigt war.

»Ich dachte, jeder paßt auf den anderen auf«, sagte sie, und Harold wurde dunkelrot.

Stu dachte: Geben Sie mir drei Menschen, und sie werden eine Gesellschaft bilden. Aber waren diese beiden die Richtigen für ihn? Das Mädchen gefiel ihm, aber der Junge kam ihm wie ein feiger Wichtigtuer vor. Und unter den richtigen - oder falschen - Umständen konnte ein feiger Wichtigtuer ein sehr gefährlicher Mann sein.

»Wie du meinst«, sagte Harold. Er sah Stu drohend an und holte eine Packung Marlboro aus der Brusttasche. Er rauchte wie jemand, der es sich erst kürzlich angewöhnt hatte. Zum Beispiel vorgestern.

»Wir fahren nach Stovington, Vermont«, sagte Frannie. »Zum Seuchenzentrum. Wir - was ist denn los, Mr. Redman?« Er war plötzlich blaß geworden, und der Grashalm, an dem er gekaut hatte, fiel ihm aus dem Mund.

»Warum dorthin?« fragte Stu.

»Weil es dort eine Abteilung gibt, wo ansteckende Krankheiten studiert werden«, sagte Harold von oben herab. »Ich habe mir gedacht, wenn es überhaupt noch eine Ordnung in diesem Land gibt und wenn es noch verantwortliche Leute gibt, die dieser jüngsten Geißel entgangen sind, dann werden sie wahrscheinlich in Stovington oder Atlanta sein, wo es ein ähnliches Institut gibt.«

»Das stimmt«, sagte Frannie.

Stu sagte: »Sie verschwenden Ihre Zeit.«

Frannie sah ihn verblüfft an. Harold war empört; die Röte stieg ihm wieder aus dem Kragen. »Ich glaube kaum, daß Sie das beurteilen können, guter Mann.«

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