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Allday machte sich nicht die Mühe, ihm zu antworten, sondern schlenderte hinter Bolitho her, um seinen vorschriftsmäßigen Platz auf dem Achterdeck einzunehmen.

Aber er dachte dabei über Ozzards Bemerkung nach. Wenn Richard Bolitho sich jemals von diesem alten Säbel trennte, dann hatte seine Hand bestimmt nicht mehr die Kraft, ihn zu fassen.

Bolitho marschierte hinaus, hielt vor dem Steuerruder und ließ seinen Blick über die angetretenen Offiziere und Mannschaften schweifen. Er spürte den Wind schmerzhaft in den Augen und die kalte Luft an seinen Beinen.

Wolfe schaute zu Herrick hinüber, tippte an seinen Hut, unter dem die roten Haare flatterten, als wollten sie davonfliegen.

«Alle Ankertrossen sind kurzgeholt, Sir«, sagte er mit seiner rauhen, tonlosen Stimme.

Herrick meldete Bolitho ebenso förmlich:»Das Geschwader ist bereit, Sir.»

Bolitho nickte. Er war sich des Augenblicks bewußt, der Gesichter um ihn herum, die ihm zumeist unbekannt waren, und des Schiffes, dessen Decksplanken sie alle trugen.

«Dann setzen Sie das Signal für alle, bitte. «Er zögerte, wandte sich um und schaute über die Netze hinweg auf den nächstliegenden Zweidecker, die Odin. Dem armen Inch hatte es fast die Sprache verschlagen vor Freude, ihn wiederzusehen.

Er setzte abrupt hinzu:»Anker lichten!»

Browne war schon mit den Signalgasten an der Arbeit und trieb einen verdattert dastehenden Midshipman an, der ihm eigentlich hätte behilflich sein sollen.

Ein paar spannungsgeladene Augenblicke noch, die rauhen Befehle vom Vorschiff, als das Gangspill immer mehr von der tropfnassen Ankertrosse einholte.

«Anker ist los, Sir!»

Bolitho mußte die Hände wie mit Schraubstöcken auf dem Rücken festhalten, um seine Erregung zu zügeln, als eines der Schiffe nach dem anderen loskam und unter Massen von wild schlagender, dann sich füllender Leinwand heftig überholend Fahrt aufnahm.

Die Benbow bildete keine Ausnahme. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis das erste Durcheinander behoben war. Als ihre Rahen dann gebraßt waren, ihre Untersegel und die Marssegel sich bauschten und schließlich wie metallene Brustharnische vom Mast abstanden, steuerte sie sich auf ihren ersten Schlag ein, der vom Land wegführte.

Spritzwasser fegte über die Luv-Laufbrücke und hinter der wild blickenden Galionsfigur empor. Männer legten auf den Rahen aus oder zerrten in Gruppen an Brassen, Fallen oder Schoten, wobei sie ihr Körpergewicht voll einsetzen mußten. Wolfe hatte seine Flüstertüte ununterbrochen am Mund.»Mister Pascoe, jagen Sie Ihre Anfänger gefälligst noch einmal rauf! Es ist eine einzige Schweinerei da oben!»

Einen Augenblick sah Bolitho seinen Neffen sich umdrehen und nach achtern schauen. Als Dritter Offizier hatte er das Kommando über den Fockmast und war damit so weit vom Achterdeck entfernt, wie es nur ging.

Bolitho nickte ihm kurz zu und sah, daß Pascoe genauso antwortete, wobei ihm das schwarze Haar ins Gesicht wehte. Es kam Bolitho vor, als sähe er sich selber im gleichen Alter.

«Mr. Browne, signalisieren Sie dem Geschwader, es soll dem Flaggschiff in Kiellinie folgen. «Er sah, daß Herrick ihn beobachtete, und fügte hinzu:»Die Fregatten und unsere Korvette werden wissen, was sie zu tun haben, ohne daß ich es ihnen ausdrücklich befehle.»

Herricks salzüberkrustetes Gesicht verzog sich zu einem Lächeln.»Das werden sie, Sir.»

Hart am Wind liegend und gischtübersprüht, bemühten sich die Fregatten, ihre vorgeschriebenen Positionen vor dem Verband zu erreichen, von wo aus sie über ihre schwerfälligeren Gefährten wachen konnten.

Bolitho ging zur Backbordseite und schaute zum Land zurück. Da lag es, grau und formlos; Einzelheiten ließen sich in dem schlechter werdenden Wetter kaum noch erkennen.

Wie viele Leute mochten das Auslaufen des Geschwaders wohl beobachten? Herricks Frau, Admiral Beauchamp, all die alten verkrüppelten Seeleute, die als Strandgut des Krieges an Land geworfen waren? Einst hatten sie die Marine verflucht, aber manchem von ihnen mochte nun ein Kloß im Halse stecken, als sie die Schiffe davonsegeln sahen.

Bolitho hörte Wolfe spöttisch sagen:»Mein Gott, schauen Sie sich den Menschen an! Nur Haut und Knochen. Sein Rock sieht aus wie das Hemd des Zahlmeisters auf einer Handspake.»

Bolitho drehte sich um und sah eine dünne, schlotternde Gestalt zum Niedergang eilen und nach unten verschwinden. Sein Gesicht war kalkweiß wie ein Totenschädel.

Herrick senkte die Stimme.»Das ist Mr. Lovey, der Schiffsarzt, Sir. Ich hoffe, daß ich nicht einmal auf dem Operationstisch liegen und zu diesem Gesicht aufschauen muß.»

Bolitho sagte:»Da stimme ich Ihnen zu.»

Er nahm ein Fernrohr von einem der Midshipmen und richtete es auf die anderen Schiffe. Sie arbeiteten sich auf ihre Positionen in der Linie, wobei ihre Segel teilweise killten oder gar backschlugen, wenn sie zu stark anluvten.

Bis zu ihrem Rendezvous mußten sie noch viel hinzulernen, an Segeln und Kanonen. Doch falls sie schon vorher auf ein feindliches Geschwader stießen — soweit Bolitho wußte, war eine ganze französische Flotte in See — , dann wurde von ihm erwartet, daß er sein Geschwader so, wie es war, in den Kampf führte.

Er warf einen Blick zum Niedergang, als erwarte er, daß der Totenschädel des Schiffsarztes ihn beobachte. Hoffentlich blieb Lovey noch eine Zeitlang unbeschäftigt.

Auf dem Oberdeck war wieder Ordnung eingekehrt. Das Tauwerk war sauber aufgeschossen oder über Belegnägel gehängt. Die Seeleute versammelten sich am Fuß ihrer Masten, wurden gemustert und gezählt. Und über ihnen, beweglich wie Eichhörnchen in einem vom Winde geschüttelten Wald, arbeiteten die Toppsgasten und sorgten dafür, daß alle Leinen klarliefen und alle Segel vollstanden.

Es war Zeit, hineinzugehen und Herrick das Kommando zu überlassen.

«Ich gehe nach achtern, Captain Herrick.»

Herrick schien seine Gedanken erraten zu haben.»Aye, Sir. Und ich werde mit den Oberdecksbatterien noch bis zur Dunkelheit exerzieren.»

Eine ganze Woche lang kämpfte sich das Geschwader bei einem Wetter durch die Nordsee, das selbst Ben Grubb als eines der schlimmsten, die er je erlebt hatte, bezeichnete. Während der Nächte drehten die wild hin- und hergeworfenen

Schiffe unter Sturmsegeln bei, und jeden Morgen wiederholte sich beim Hellwerden die Suche nach den über Nacht weit auseinandergetriebenen Gefährten. Wenn sie sich schließlich wieder einigermaßen formiert hatten, wurde der Nordost-Kurs wieder aufgenommen und dabei — soweit das Wetter es erlaubte — an den Geschützen exerziert und Reparaturen ausgeführt.

Im Geschwader hatte es einige Tote und Verletzte gegeben. Die Todesfälle wurden meist durch Stürze von oben verursacht, wenn die verstörten und vom überkommenden Salzwasser halbblinden Männer beim Reffen oder Segelbergen mit der wild schlagenden Leinwand kämpften oder Schäden am stehenden Gut ausbesserten.

Auf der Benbow hatten sich mehrere Neulinge durch Unaufmerksamkeit die Handflächen verbrannt. Auf dem dunklen Deck konnte es leicht passieren, daß man mit Armen oder Beinen in eine ausrauschende Leine geriet. Wer da mit den Händen zupacken wollte, verbrannte sich, als hätte er heißes Eisen angefaßt.

Ein Mann verschwand, ohne daß jemand etwas davon bemerkt hätte. Über Bord gespült, hatte er vielleicht noch ein paar Augenblicke im Wasser strampelnd zugesehen, wie der Zweidecker in der Finsternis verschwand.

An Bord war es überall feucht und scheußlich kalt. Die einzige Wärme kam vom Kochherd in der Kombüse, aber bei dem Seegang war es unmöglich, Kleidungsstücke zu trocknen, solange das Schiff derart hin- und hergeworfen wurde.

Sobald er an Deck kam, spürte Bolitho die schlechte Stimmung fast physisch. Er kannte Herrick gut genug, um zu wissen, daß er nichts weiter tun konnte, um die Leiden seiner Leute zu mildern.

Manche Kommandanten hätten sich gar nicht darum gekümmert, sondern ihren Bootsmannsmaaten befohlen, auch den letzten Mann zum Dienst zu prügeln. Nicht so Herrick. Seit seiner Leutnantszeit war er immer bemüht gewesen, zu führen, anstatt anzutreiben, seine Leute zu verstehen, anstatt sie in Furcht vor seiner Befehlsgewalt zu halten.

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