Herrick war störrisch wie immer.»Es sind die Männer, die Schlachten gewinnen, Sir. Nicht die Schiffe. «Verbindlicher fügte er hinzu:»Aber es ist ein stolzer Augenblick, das muß ich zugeben. Die Ben-bow ist ein gutes Schiff und schnell für ihre Größe. Wenn wir das nächste Mal in See gehen, werde ich mehr Munition nach achtern stauen lassen und damit vielleicht noch einen Knoten mehr herausholen. «Seine Blicke schweiften weit weg, verloren in die ständigen Überlegungen eines Kommandanten, wie er sein Schiff am besten trimmen konnte.
«Was macht Ihre Frau? Wird sie direkt nach Kent fahren?»
Herrick sah ihn an.»Aye, Sir. Sobald wir außer Sicht sind, sagt sie. «Ein Lächeln huschte über sein Gesicht.»Bei Gott, ich bin ein Glückspilz.»
Bolitho nickte.»Ich auch, Thomas, daß ich Sie wieder als Flaggkapitän habe. «Er beobachtete eine Unsicherheit auf Herricks Gesicht und erriet, was kam.
«Es mag ungebührlich klingen, Sir, aber haben Sie nie daran gedacht… Ich meine, wollen Sie nicht überlegen…»
Bolitho hielt seinem Blick stand und antwortete ruhig:»Wenn ich
Cheney zurückholen könnte, mein Lieber, würde ich den rechten Arm dafür geben. Aber eine andere heiraten?«Er schaute zur Seite, denn es gab ihm einen schmerzhaften Stich, als er sich an Herricks Gesicht erinnerte, wie der ihm damals die Nachricht von Cheneys Tod überbracht hatte.»Ich dachte, ich würde darüber hinwegkommen, mich von ihr lösen. Der Himmel weiß, Thomas, daß Sie alles getan haben, mir zu helfen. Manchmal bin ich nahezu daran, zu verzweifeln…«Er unterbrach sich. Was war mit ihm los? Aber als er Herrick anschaute, sah er nur Verständnis in dessen Zügen. Und Stolz, etwas mit ihm teilen zu können, das er wahrscheinlich länger als jeder andere gewußt hatte.
Herrick stand auf und stellte seine Kaffeetasse auf den Tisch.»Ich gehe jetzt besser wieder an Deck. Mr. Wolfe ist ein guter Seemann, aber es fehlt ihm die leichte Hand im Umgang mit den neuen Leuten. «Er zog eine Grimasse.»Weiß Gott, er jagt sogar mir manchmal Angst ein.»
«Wir sehen uns bei vier Glasen wieder, Thomas. «Bolitho drehte sich um und sah eine Möwe pfeilschnell am Fenster vorbeistreichen.»Was ist mit Adam? Ich habe ihn nur kurz gesprochen, als ich an Bord kam. Überhaupt gibt es noch viele Fragen.»
Herrick nickte.»Aye, Sir. Hoher Rang stellte höhere Anforderungen. Wenn Sie den jungen Adam gestern eingeladen hätten, hätten die anderen in der Masse etwas über Bevorzugung gemunkelt, was Sie selber nicht mögen. Aber er hat Sie vermißt. Ich glaube, er sehnt sich nach einer Fregatte, doch fürchtet er, uns beide damit zu kränken. Sie besonders.»
«Ich werde ihn bald zu mir rufen. Wenn alle an Bord so beschäftigt sind, daß sie keine Zeit mehr zum Tratschen haben.»
Herrick grinste.»Das ist bestimmt sehr bald der Fall. Nach der ersten richtigen Nordsee-Brise sind sie dazu viel zu erschöpft.»
Noch lange, nachdem Herrick gegangen war, saß Bolitho still auf der grünen Lederbank unter dem Heckfenster. So machte er sich mit dem Schiff vertraut, obwohl er nicht direkt an dem teilnehmen konnte, was über ihm und vor der Tür geschah.
Füße stampften und Blöcke quietschten. Er wurde unruhig, sobald er die Geräusche als das Aufheißen eines Bootes, sein Einschwenken über die Laufbrücke und Abfieren auf das Bootsrack neben den anderen Booten erkannte.
Viele Leute waren an der Arbeit, von ihren Deckoffizieren und Maaten angeleitet und vorangetrieben. Es fehlte an erfahrenen Matrosen. Auf jede Wache und auf den Gefechtsstationen waren nur einige davon verteilt. Sie konnten allenfalls dafür sorgen, daß die neuen und unerfahrenen Leute keine allzugroßen Gefahren heraufbeschworen.
Freiwillige waren in Devonport an Bord gekommen und einige sogar hier in Portsmouth: ehemalige Seeleute, die genug vom Leben an Land hatten, Männer, die vor dem Gericht, vor Gläubigern oder gar vor dem Galgen davongelaufen waren.
Der Rest, von den Preßkommandos an Bord geschleppt, war noch verstört, deprimiert, zu plötzlich eingefangen in eine Welt, die sie kaum kannten, allenfalls aus der Entfernung. Dies also war es, was sie sich unter einem Schiff des Königs, das unter vollen Segeln stolz aufs weite Me er hinausfuhr, vorgestellt hatten. Und das war die harte Wirklichkeit: überfüllte Wohndecks und der Stock des Bootsmanns.
Es war Herricks Aufgabe, sie mit seinen eigenen Methoden zu einer Mannschaft zusammenzuschweißen. Zu einer Besatzung, die tapfer ihren Mann stand und sich — wenn nötig — mit einem Hurra auf den Feind stürzte.
Bolitho sah sein Spiegelbild in den nassen Scheiben. >Und meine Aufgabe ist es, das Geschwader zu führen.<
Allday trat ein und betrachtete ihn nachdenklich.»Ich habe Ozzard gesagt, daß er Ihren besten Uniformrock bereitlegt, Sir. «Er lehnte sich nach Luv, als das Deck sich plötzlich schief legte.
«Endlich >mal< 'ne Abwechslung, anstatt immer mit Franzmännern zu kämpfen. Ich denke, es werden demnächst die Russen oder Schweden sein.»
Bolitho sah ihn zornig an.»>Mal 'ne Abwechslung Ist das Ihr einziger Kommentar?»
Allday strahlte.»Politik ist natürlich wichtig, Sir. Für die Admirale, für das Parlament und so weiter. Aber für den armen Seemann?«Er schüttelte den Kopf.»Alles, was er sieht, sind die Mündungen der feindlichen Kanonen, die ihm ihr Feuer entgegenspeien, ihm mit eisernem Kamm einen Scheitel ziehen. Es kümmert ihn nicht groß, welche Flagge sie führen.»
Bolitho mußte erst einmal tief Luft holen.»Kein Wunder, daß die Mädchen auf Ihre Überredungskünste hereinfallen, Allday. Fast hätten Sie mich überzeugt.»
Allday lachte in sich hinein.»Ich bringe Ihre Frisur noch einmal in Ordnung, Sir. Wir werden uns überhaupt künftig etwas zusammennehmen müssen, mit einem Mr. Browne an Bord.»
Bolitho lehnte sich zurück und wartete. Er würde nicht nur mit Browne zurechtkommen müssen. Allday erriet sicher, wie viele Sorgen er sich machte, bis sie alle in See waren. Und er würde dafür sorgen, daß er nicht allein blieb, bis die Kommandanten kamen, ihm ihre Aufwartung zu machen. Gegen Allday gewann man nur schwer.
Von der Schiffsglocke vorn auf dem Backsdeck erklangen zwei Schläge. Fünf Uhr nachmittags, und die Kommandantensitzung lag hinter ihnen. Sekunden später kam Herrick abermals in Bolithos Kajüte.
Bolitho streckte die Arme nach seinem Uniformrock aus und erlaubte Ozzard, ihn noch einmal zurechtzuzupfen und dafür zu sorgen, daß der Zopf korrekt auf dem goldbestickten Kragen lag.
Allday stand am Schott und nahm — nach einem Augenblick des Überlegens — einen der Säbel von seinem Ständer.
Er glitzerte trotz des nur matten Lichts, war schön geformt und verziert und zeigte, wenn man ihn aus der Scheide zog, eine ebenso vollkommene Klinge. Es war ein Ehrensäbel, gestiftet von der Bevölkerung Falmouths. Ein Geschenk in Anerkennung dessen, was Bolitho im Mittelmeer geleistet hatte.
Herrick beobachtete die kleine Szene. Einen Augenblick vergaß er den Kummer, daß er Dulcie so schnell hatte verlassen müssen, und die hundert Dinge, die seine Aufmerksamkeit an Deck verlangten. Er wußte, was Allday dachte, und war gespannt, wie er es aussprechen würde.
Der Bootssteurer fragte etwas linkisch:»Dieser, Sir?«Er ließ den Blick zum zweiten Säbel wandern. Der war altmodisch und gerade, aber ein Teil Bolithos und seiner Vorfahren.
Bolitho lächelte.»Lieber nicht. Es wird gleich regnen, und ich möchte nicht, daß die schöne neue Waffe Schaden nimmt. «Er wartete, während Allday den anderen Säbel holte, und hakte ihn in seinen Gurt ein.»Und außerdem«, er blickte von Allday zu Herrick,»möchte ich heute alle alten Freunde um mich haben.»
Dann tippte er Herrick auf die Schulter:»Wir gehen zusammen an Deck, nicht wahr, Thomas? Wie früher.»
Ozzard sah den beiden Offizieren nach und flüsterte bedauernd:»Ich weiß nicht, warum er diesen alten Säbel nicht wegwirft oder wenigstens zu Hause läßt.»