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Was eigentlich explodiert war, hatte Pascoe nicht mitbekommen. Es hatte die Sechsunddreißig-Kanonen-Fregatte zwar in Stücke zerrissen, doch er hatte nichts gehört.

Wahrscheinlich hatte der Zusammenstoß der beiden Schiffe einige Männer unter Deck von den Füßen gebracht. Eine Lampe war dabei umgefallen, Pulver, das von den Munitionsträgern unwissentlich verstreut worden war, hatte sich entzündet und die Pulverkammer selber in Brand gesetzt. Vielleicht war auch ein brennender Rohrpfropf des Feindes schuld gewesen — es gab viele Möglichkeiten, wie es zur Explosion der Pulverkammer gekommen sein konnte.

Bolitho trat langsam unter der Hütte hervor und duckte sich automatisch, um nicht an die Decksbalken zu stoßen. Gesichter wandten sich ihm im Vorbeigehen zu, die ihm nach fast sieben Monaten gemeins amen Lebens an Bord nicht mehr fremd waren.

Die Gestalten auf dem Achterdeck gewannen Leben, als er in das Morgenlicht hinaustrat. Er sah Herrick, der sein Teleskop über die Netze auf die Lookout gerichtet hielt, die Backbord voraus in dem befohlenen Abstand vor ihnen segelte.

Die See hob und senkte sich in langsamem Rhythmus, ohne daß sich die Wellenkämme überschlugen. Um sie herum lag noch leichter Dunst, weiter vor ihnen war er leicht grün getönt: eine optische Täuschung. Der Dunst war echt, aber die grüne Schicht voraus war Land: Dänemark.

Herrick bemerkte Bolitho und berührte seinen Hut.

«Der Wind hat um weitere zwei Strich geräumt, Sir. Mehr, als ich gehofft hatte. Ich werde auf diesem Nordnordost-Kurs durchhalten, bis ich eine klare Landpeilung habe. «Etwas vom alten, unsicheren Herrick kam wieder hervor, als er hinzufügte:»Wenn Sie einverstan-

den sind, natürlich.«»Aye, Thomas. Das ist genau richtig.»

Bolitho schlenderte zu den Finknetzen und schaute in die entgegengesetzte Richtung. Da, etwas achteraus, segelte die Styx, allein und wachsam, bereit, heranzubrausen und zu helfen, wenn es erforderlich wurde.

Der Kommandant der Ajax hatte die Relentless wahrscheinlich für die Styx gehalten, dachte Bolitho, und das hatte ihn zu größter Leistung angespornt, um sich für den Überfall bei Gotland zu rächen.

Midshipman Keys, der Browne half, rief aufgeregt:»Signal von Lookout, Sir: >Zwei fremde Segel in Nordwest<.»

Männer wühlten geschäftig in einem Wirrwarr von Flaggen, als das Signal durch die Linie bis zur entfernter stehenden Styx wiederholt wurde.

«Zwei Segel? Hm. «Herrick rieb sich das Kinn.

Bolitho sagte» Signal für alle, bitte: >Klar Schiff zum Gefecht

Wolfe kicherte und zeigte zur querabstehenden Nicator hinüber.»Hören Sie, Sir? Die brüllen vor Begeisterung.»

Browne meldete:»Signal ist durch!»

Bolitho fing seinen Blick auf.»Alles in Ordnung?»

Der Flaggleutnant lächelte etwas gequält.»Besser, Sir. Ein bißchen besser.»

«An Deck! Feind in Sicht! Zwei Linienschiffe!»

Wolfe marschierte auf und ab, wobei seine großen Füße wunderbarerweise weder an Ringbolzen im Deck noch an die mit Ansetzern und Handspaken hinter ihren Kanonen hockenden Geschützbedienungen stießen.

«Ohne Fregatten also? Das ist seltsam!»

Herrick straffte sich und richtete sein Teleskop nach Backbord voraus.»Hab' sie!»

Bolitho hob sein eigenes Glas und sah, wie die beiden turmhohen Leinwandpyramiden aus dem Dunst hervortraten, als die Schiffe sich ihnen auf konvergierendem Kurs näherten.

Es waren Zweidecker, jeder an der Gaffel mit einer großen, sich im Winde blähenden Flagge, rot mit weißem Kreuz, der Flagge Dänemarks.

Die Breitfock der Benbow wölbte sich wie ein gewaltiger Busen, als eine frische Brise über das träge Wasser fegte.

Bolitho sagte:»Die halten ihren Kurs durch, Thomas. Seltsam, da sie uns doch stark unterlegen sind.»

Herrick grinste.»Mal was anderes, Sir. Sonst sind immer wir in der Minderzahl gewesen.»

Bolitho dachte an den Mann in dem büchergefüllten Raum im Schloß von Kopenhagen. Was er jetzt wohl tat? Ob er sich noch an ihr kurzes Zusammentreffen mit Inskip im Hintergrund erinnerte?

Irgend jemand kicherte, und dieser Laut wirkte völlig unangebracht in der allgemeinen Spannung, die über dem Achterdeck lag. Als Bo-litho sich umdrehte, sah er Pascoe aus der Hütte kommen, sehr blaß, aber entschlossen, sich keine Unsicherheit anmerken zu lassen. Er trug eine geliehene Uniform, die ihm viel zu groß war.

Er tippte an seinen Hut und sagte mit schwacher Stimme:»Melde mich zum Dienst, Sir.»

Herrick starrte ihn an.»Mein Gott, Mr. Pascoe, was fällt Ihnen ein?»

Aber Bolitho sagte:»Schön, daß du wieder da bist.»

Pascoe gab den grinsenden Matrosen ein Lächeln zurück.»Der Rock gehört Mr. Oughton, Sir. Er ist etwas größer als ich.»

Bolitho nickte.»Wenn dir schwach wird, sage es.»

Er konnte Pascoes Drang, an Deck zu kommen, verstehen. Nach seinem Erlebnis auf der Relentless würde er es kaum unten im Orlop-deck aushalten können.

Pascoes sagte bescheiden:»Ich habe von Penels gehört, Sir. Ich fühle mich mitschuldig. Als er das erste Mal zu mir kam…»

Herrick unterbrach ihn.»Sie hätten nichts verhindern können. Wenn etwas falsch gemacht wurde, dann trifft mich genausoviel Schuld. Penels brauchte Rat und Führung, und ich habe ihn wegen seiner einen unbedachten Handlung verurteilt.»

«An Deck!«Der Ausguck stockte, als traue er sich nicht zu melden, was er sah.»Galeeren! Zwischen den beiden Linienschiffen!«Seine Stimme überschlug sich vor ungläubigem Staunen.»So viele, daß ich sie nicht zählen kann!»

Bolitho senkte sein Glas in dem Augenblick, als an den Rahen der Lookout eine neue Reihe von Signalen hochging. Er brauchte sie nicht abzulesen. Zwischen den beiden auf sie zukommenden Schiffen war eine ansehnliche Flottille von rudergetriebenen Fahrzeugen zu erkennen. Wie rote Flügel hoben und senkten sich die Blätter der Riemen in gleichmäßigem Takt, und über die verdeckt sitzenden Ruderer und die schwere Kanone, die jedes Fahrzeug am Bug trug, wehte bei dem achterlichen Wind eine riesige Flagge nach vorn aus.

«Lassen Sie laden und ausrennen, Kapitän Herrick!«Bolithos betonte Förmlichkeit beendete das plötzliche Nachlassen der allgemeinen Spannung.»Das obere Batteriedeck mit Schrapnells und Stangenkugeln laden!»

Er wandte sich an die Offiziere der Seesoldaten.»Major Clinton, es gibt heute Arbeit für Ihre Scharfschützen.»

Die beiden Offiziere machten eine knappe Ehrenbezeigung und eilten zu ihren Männern.

Bolitho sprach seine Gedanken laut aus.»Sie werden versuchen, uns voneinander zu trennen. Signalisieren Sie Styx und Lookout, daß sie den Feind im Rücken angreifen, sobald wir im Gefecht stehen.»

Der junge Midshipman, der den Platz des toten Penels eingenommen hatte, schrieb kratzend auf seiner Schiefertafel und wartete dann mit halboffenem Mund, als bekäme er nicht genug Luft.

Bolitho sah ihn gedankenverloren an und erfaßte in diesen wenigen Sekunden, wie jung, wie voller Hoffnung und Vertrauen er war.

«Jetzt können Sie Signal Nummer sechzehn setzen, Mr. Keys! Und sorgen Sie dafür, daß es wehen bleibt.»

Ein Ruck ging durch den Jungen, und dann rannte er zurück zu seinen Signalgasten.»Los, Steward!«hörte man ihn brüllen,»Setzen Sie das Signal >Ran an den Feind

Keys war schätzungsweise vierzehn. Wenn er den heutigen Tag überlebte, würde er sich dieses Augenblicks zeitlebens erinnern, dachte Bolitho.

Langsam und unerbittlich kamen sich die beiden Formationen näher. Es war, als würden sie von irgendeiner übermächtigen Kraft gezogen, und als seien ihre Befehlshaber der wachsenden Gefahr gegenüber blind oder ahnungslos.

Herrick fragte:»Sollen wir die Schlachtlinie bilden, Sir?»

Bolitho antwortete nicht sofort. Er richtete sein Glas nacheinander sorgsam auf jedes seiner Schiffe und registrierte, daß alle ihre Geschütze ausgefahren hatten, die nun wie drohende Gebisse aussahen, während ihre Rahen und Segel unverändert standen.

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