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Er nahm ein Glas von Ozzard entgegen und trank mit tiefen Zügen. Es war eiskalter Rheinwein, den Ozzard an einem geheimen Platz in der Bilge versteckt hielt.

Bolitho sank in seinem Stuhl zurück und sagte:»Noch eins. Und holen Sie Gläser für Kapitän Herrick und den Flaggleutnant. «Er sah sie nacheinander an.»Ich bin Ihnen beiden aus mehr Gründen, als ich aufzählen kann, zu Dank verpflichtet.»

Browne platzte heraus:»Haben Sie die Absicht, Roche entgegenzutreten?»

Herrick verschluckte sich fast an seinem Wein.»Was?»

Bolitho fragte:»Für wann ist das Duell vereinbart?»

«Für heute früh um acht, Sir. Auf der Seite von Gosport. Aber es ist nicht mehr nötig, ich kann den Hafenadmiral informieren und dafür sorgen, daß Roche ermahnt wird.»

«Glauben Sie, daß derjenige, der durch Adam mich verletzen wollte, es nicht noch einmal versuchen wird? Das Ganze ist kein Zufall. «Er sah den nachdenklichen Ausdruck in Herricks Gesicht.»Ihnen fällt etwas ein?»

Herrick fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.»Ihr Neffe machte eine eigenartige Bemerkung, Sir. Leutnant Roche habe geäußert, er hätte ihn erwartet. >Ich wollte Sie schon immer mal treffen<, oder so ähnlich.»

«Das bestätigt meine Vermutung.»

Bolitho sah plötzlich ihr Gesicht vor sich. Aber wessen, Cheneys oder das der jungen Frau, die er in dem düsteren Haus in London zurückgelassen hatte?

Browne sagte:»Und nun ist er nicht mehr zu halten.»

Bolitho lächelte.»Jetzt können Sie den Arzt holen. Ich brauche einen neuen Verband, eine andere Hose und Schuhe.»

Browne erwiderte:»Und ein frisches Hemd. «Er zögerte.»Für alle Fälle, Sir.»

Als er die Kajüte verlassen hatte, sagte Herrick:»Ich werde Sie begleiten.»

«Major Clinton kennt sich in derlei Dingen besser aus. Sie stehen mir zu nahe, Thomas. «Er dachte an Allday.»Es ist besser so.»

Browne kam völlig außer Atem zurück.»Der Arzt ist auf dem Wege, Sir.»

«Gut. Sorgen Sie für ein Boot und — falls erforderlich — für einen Wagen. «Er schloß die Augen, als der Schmerz ihn wieder packte. Wäre Herricks Botschaft nicht gewesen, säße er jetzt noch in London. Und wenn es unterwegs irgendwelchen Aufenthalt gegeben hätte, wäre der Termin für das Duell verstrichen. Falls wirklich Damerum dahinterstand, hätte er sich dann an Roches Sieg weiden können. Er sagte sehr beherrscht:»In meiner Kassette liegt ein Brief, Thomas. «Er sah, wie Herricks Augen sich weiteten.»Ich bin ein Feigling. Ich hätte Adam über den Tod seines Vaters aufklären sollen. Es steht alles in dem Brief. Geben Sie ihn Adam, wenn ich heute falle.»

Herrick schrie beinahe:»Sie durften es ihm nicht sagen, Sir! Sonst hätten Sie zugeben müssen, daß Sie einen Verräter verbargen. Ihr Bruder wäre verhaftet worden, und Pascoe hätte ihn eines Tages hängen gesehen.»

«Das habe ich mir auch gesagt, Thomas. Vielleicht war aber auch das eine Lüge. Ich hatte wahrscheinlich Angst, daß Pascoe mich wegen des Betruges hassen würde. Denn das war es wohl in Wirklichkeit.»

Der Arzt trat ein und starrte Bolitho an wie ein erzürnter Faun.»Bei allem Respekt, Sir, aber wollen Sie unbedingt sterben?«Herrick sagte finster:»Halten Sie den Mund, und tun Sie das Notwendige. «Auf dem Wege zum Türvorhang setzte er noch hinzu:»Sie könnten ebensogut versuchen, einen angreifenden Bullen aufzuhalten.»

Aber in seiner Stimme war kein Humor, und noch lange, nachdem er den Raum verlassen hatte, hingen seine Worte in der Luft.

Major Clinton sagte:»Es ist wohl das beste, wenn wir hier halten, Sir. «Er schaute durch das schmale Wagenfenster.»Wie rücksichtslos, diese Dinge an solch einem Ort auszutragen!»

Bolitho kletterte aus dem Wagen und spähte zum Himmel. Es war fast acht Uhr, aber das Licht immer noch mäßig.

«Ich schaue mich nach dem Sekundanten des Burschen um, Sir. Es wird nicht lange dauern. «Aber Clinton zögerte.»Wenn Sie wirklich entschlossen sind, Sir?»

«Das bin ich. Und denken Sie daran: Beschränken Sie Ihre Bemerkungen zu Roches Sekundanten auf ein Minimum.»

Clinton nickte.»Ich werde es nicht vergessen, Sir. Genau wie Sie befohlen haben, obwohl…«Er beendete den Satz nicht.

Bolitho legte seinen Hut auf den Wagensitz und zog den Umhang fester um sich. Einzelheiten fielen ihm auf: Spatzen, die nach Futter suchten; der dick eingemummelte Kutscher, der bei seinen Pferde stand und ihre Köpfe hielt, um sie zu beruhigen, wenn die ersten Pistolenschüsse fielen; und daß seine Hände feucht waren.

So ähnlich mußte einem zum Tode Verurteilten zumute sein, dachte er flüchtig. Als ob er die Zeit anhalten könne, wenn er sich auf die kleinen, alltäglichen Dinge konzentrierte.

Clinton kam mit grimmiger Miene zurück.»Sie erwarten uns, Sir.»

Bolitho schritt neben ihm durch das nasse Gras zu einer kleinen Lichtung, hinter der — wie Clinton erklärte — ein Sumpf lag.

Clinton sagte:»Die Pistolen sind geprüft und akzeptiert.»

«Was hat er gesagt, das Sie so verärgert hat, Major?»

«Verdammte Frechheit! Als ich ihm sagte, daß Mr. Pascoe in See gehen mußte und ein anderer Marineoffizier der Familie an seine Stelle treten würde, lachte er und sagte: >Das wird weder sein Leben noch seine Ehre retten<.

Bolitho sah zwei Wagen, die diskret unter einigen Bäumen standen. Der eine war der seines Gegners, der andere zweifellos der eines vertrauenswürdigen Arztes. Er beobachtete, wie Roche und sein Sekundant zielbewußt auf sie zuschritten. Roche war ein imponierend aussehender Mann, der selbstgefällig und zuversichtlich einherstolzierte.

Sie standen einander gegenüber, und Roches Sekundant sagte scharf:»Sie machen jeder fünfzehn Schritte, drehen sich um und feuern. Wenn keiner fällt, tritt jeder fünf Schritte vor und feuert wieder.»

Roche entblößte grinsend die Zähne.»Lassen Sie uns endlich anfangen. Ich brauche einen Drink.»

Bolitho musterte die beiden offenen Kästen der Duellpistolen und hatte lediglich den einen Gedanken, daß es für einen geübten Schützen leichter war, seinen Gegner zu töten, wenn er beide Pistolen auf einmal benutzte.

Er sagte:»Nehmen Sie meinen Umhang, Major«, und bemühte sich, nicht in Roches Gesicht zu schauen, als er den Umhang von den Schultern warf. Im grauen Morgenlicht, vor den kahlen, triefenden Bäumen, hob sich seine Uniform malerisch ab: die blitzenden Epauletten, der Goldstreifen auf seinem Ärmel, die Knöpfe, von denen einer — auf seinem anderen Rock — ihn fast das Bein gekostet hätte.

Schließlich wandte sich Bolitho um und sah Roche ins Gesicht. Das hatte sich völlig verändert. Statt der höhnischen Vorfreude auf einen weiteren Erfolg stand jetzt darin Verblüffung.

«Nun, Mr. Roche?»

«Aber — aber ich kann doch nicht…»

«Mit einem Konteradmiral kämpfen? Entscheidet der Dienstgrad, wer leben oder sterben soll, Mr. Roche?»

Bolitho nickte Clinton zu, dankbar dafür, daß er — wenigstens nach außen — seine Gefühle beherrschte.

«Lassen Sie uns endlich weitermachen.»

Er hörte Roche stammeln:»Sag' ihm, John, daß ich zurückziehe.»

Bolitho nahm zwei langläufige Pistolen aus dem Kasten und spannte sie. Sein Herz schlug so stark, daß er meinte, Roche und die anderen müßten es hören. Er sagte:»Ich aber nicht. «Damit drehte er sich um und wartete, die Mündungen zum Himmel gerichtet. Wenn Roche sich entschied, die Sache durchzusetzen, war er in etwa drei Minuten tot.

Der Sekundant räusperte sich. Sonst war jetzt kein Ton zu hören, selbst die Spatzen verhielten sich still.

«Fünfzehn Schritte! Los!»

Bolitho nahm sich eine Ulme als Richtpunkt und ging Schritt vor Schritt langsam auf sie zu.

Adam hätte in diesem Augenblick das Gleiche getan. Und hätte Ro-che ihn durch Zufall beim ersten Schußwechsel verfehlt, hätte ihn die zweite Kugel bestimmt getötet. Diese paar Schritte vorwärts, nachdem ein berufsmäßiger Duellant ihn verfehlt hatte, hätten sein restliches Selbstvertrauen vernichtet.»Dreizehn. vierzehn. fünfzehn!»

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