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Inch hüpfte vor Vergnügen.»Also dann — ab dafür, Sir!»

Im Vergleich zu seinem Logis auf der Euryalus war die Heckkajüte des Bombenwerfers eng wie ein Kaninchenstall. Selbst hier wurde deutlich, wie sehr das Schiff auf Festigkeit gebaut war, und die massiven Decksbalken machten den Raum noch niedriger und enger.

Bolitho hockte auf der Sitzbank, sah durch die dicken Fensterscheiben den Gischt draußen vorbeifliegen und spürte, wie der flache Schiffsrumpf knarrend in eine steile Welle tauchte und schwerfällig nach Backbord drehte. Die Hängelampen schlugen wilde Kreise. Wie mochte erst dem Rudergast auf dem ungeschützten Deck zumute sein, und jenen Unglückseligen, die jetzt oben in den Masten waren und reffen mußten? Sie taten ihm richtig leid.

Knallend sprang die Tür auf, und Allday erschien mit einer Kanne Kaffee. Er schwankte rückwärts, konnte sich gerade noch mit den Fersen abstützen, schwankte wieder und stolperte dann zum Tisch, wobei er sich den Kopf an einem Decksbalken stieß, weil die Hekla gerade in ein so tiefes Wellental rutschte, daß es einem übel werden konnte. Ein Wunder, daß kein Tropfen des glühendheißen Kaffees verlorenging. Das muß schon ein sehr geschickter Koch sein, dachte Bolitho, der auf einem derartig stampfenden Schiff kochen kann.

Allday rieb sich den Schädel und fragte:»Können Sie nicht ein bißchen schlafen, Captain? Es sind noch vier Stunden bis Tagesanbruch.»

Dankbar ließ sich Bolitho den heißen Kaffee in den Magen rinnen. Während sich die Hekla von der Küste freikämpfte, hatte er vor Nachdenken nicht schlafen können; jetzt aber, da die Zeit allmählich knapper wurde, mußte er es wenigstens versuchen. Calvert lag, in eine Decke gewickelt, in einer der beiden kistenartigen Kojen; doch ob er schlief oder über Leleans Tod nachgrübelte, war schwer zu sagen. Er hätte ihn in Djafou lassen sollen, das war ihm durchaus klar. Doch ebenso klar war ihm, daß Calvert verrückt geworden wäre, hätte er ihn der Folter seiner Gedanken überlassen.

«Ich lege mich gleich hin, Allday«, sagte er.

Inch kam in die Kajüte; auf seinem Ölzeug glänzten die Salzkristalle, und er stolperte zur Kaffeekanne. Er wischte sich das klatschnasse Gesicht ab und sagte:»Der Wind hat etwas gedreht, Sir. Westnordwest, soweit ich sagen kann. In einer Stunde gehe ich über Stag. «Er hielt inne, weil ihn seine Autorität als Schiffskommandant plötzlich genierte.»Wenn's Ihnen recht ist, Sir.»

Bolitho lächelte.»Sie sind der Kommandant. Bestimmt ist es richtig für unser Vorhaben. Bei Tagesanbruch sichten wir vielleicht die Restless.«Er zwang sein Gehirn, sich nicht mehr mit seinen Zweifeln und Bedenken herumzuschlagen. «Aber jetzt will ich schlafen.»

Allday folgte Inch zur Kampanjeleiter und murmelte:»Mein Gott,

Sir, und ich habe mir eingebildet, ich würde gern wieder mal auf einem kleinen Schiff fahren!»

«Sie werden eben alt«, grinste der Kommandant.

Die See donnerte über das Deck, und eine gute Portion kam wie ein Sturzbach die Leiter hinunter auf sie zu.

Allday fluchte lästerlich und erwiderte dann:»Und, mit Respekt, Sir, ich möchte sogar noch 'n bißchen älter werden, bevor ich sterbe!»

«Guten Morgen, Sir. «Inch faßte an den Hut, als Bolitho an der Kam-panje erschien und über das Süll trat.

Bolitho nickte und ging zur Leereling, bereits hellwach von der frischen, feuchten Luft. Das Tageslicht war erst ein ferner Schimmer, und jetzt, da die Hekla über Stag gegangen war und fast parallel zur Küste segelte, konnte er schätzen, daß sie kaum mehr als zwei Meilen von ihr entfernt waren. Der Wind hatte noch weiter gedreht und kam jetzt stetig von Backbord; manchmal schlug Spritzwasser über das starke Schanzkleid und floß geräuschvoll durch die Speigatten ab. Er konnte Land sehen; es war allerdings nicht mehr als ein purpurner Schatten. Man konnte sich nur schwer vorstellen, daß Djafou erst knappe dreißig Meilen achteraus lag; aber das kam daher, daß die Hekla zunächst so mühsam gegen den Wind hatte ankreuzen müssen.

Inchs Schiffsführung war gut, und seinem langen Pferdegesicht war überhaupt nicht anzusehen, daß er fast die ganze Zeit an Deck gestanden hatte, während sein Schiff in weitem Bogen unter ständigem Kreuzen bis zu seiner jetzigen Position gelangt war.

Eine dichte Nebelbank kam hinter ihnen her, so daß der falsche Eindruck entstand, das Schiff mache überhaupt keine Fahrt; doch dieser Eindruck wurde durch den Schaum und das Spritzwasser korrigiert, die um den Bug flogen, und durch die straffen bräunlichen Segel über

Deck.

Er spähte nach vorn und sah einen matten Silberschein über den tanzenden Wogenkämmen: nun mußte die Sonne gleich aufgehen, wenn auch der östliche Horizont noch immer hinter Sprühwasser und Schatten verborgen lag. Ein paar Möwen segelten kreischend um die Masttopps; und er fragte sich, ob wohl auch andere Augen als die ihren die vorsichtige Annäherung der Hekla beobachteten. Vorsichtig nicht nur wegen des Überraschungsmoments. Während er die bereits so nahe Küstenlinie beobachtete, hörte er den Lotgasten aussingen:»Sieben Faden!«Sein Ruf ging in dem Knattern und Krachen der Segel fast unter.

Doch Inch schien nichts dabei zu finden — er kannte schließlich den flachen Rumpf besser als Bolitho.

Die Schatten an Deck bekamen allmählich Charakter und Persönlichkeit: ein paar Matrosen werkten an den Geschützen, andere liefen auf dem Vorschiff umher, wo Mr. Broome, der alte Stückmeister, seine Mörser überprüfte.

Aber die Mörser waren nicht die einzigen Zähne, mit denen die Hekla beißen konnte. Außer ein paar Drehbassen hatte sie noch sechs schwere Karronaden. Und die kräftige Konstruktion der massiven Planken hatte auch etwas für sich.

«Fünf Faden!»

«Einen Strich anluven, Mr. Wilmot!«rief Inch. Sein Erster (und einziger) Offizier schritt breitbeinig über das krängende Deck, und als das Ruder quietschend herumkam, rief er:»Liegt an, Sir! Ost zu Süd!»

«Sieben Faden!»

«Verdammt!«sagte Inch zu der Welt im allgemeinen,»das ist Seemannslos! Mal rauf, mal runter — wie'n Wasserfall!»

Am Fockmast hatten ein paar Matrosen einen Schleifstein festgelascht und schliffen geschäftig ihre Entersäbel — das Knirschen ging Bolitho durch und durch. Wie übervölkert das Deck war — aber außer der normalen Besatzung der Hekla waren ja noch die Überlebenden der Devastation und seines Landekommandos an Bord.

Inch rieb sich das windgerötete Gesicht.»Dauert nicht mehr lange, Sir. «Er deutete nach oben.»Ich habe einen guten Mann im Mast, der nach der Restless Ausschau hält.»

Bolitho erwiderte:»Es soll da so eine schmale Bucht geben, wo dieser Messadi seinen Schlupfwinkel hat. Windschutz genug für seine Schebecken, und mehrere Dörfer in Reichweite, wo er kriegen kann, was er braucht. «Er blickte Inch forschend an.»Sie können doch mit den Mörsern feuern, ohne zu ankern, hoffe ich?»

«Aye, Sir«, antwortete Inch stirnrunzelnd;»wir haben es allerdings noch nie gemacht. «Doch dann lächelte er zuversichtlich.»Aber eine Festung hatten wir ja auch noch nie beschossen — und es ging ganz gut.»

«Schön. Sobald Sie das Nest aufgestört haben, schießen wir auf jeden, der rauskommt. «Er sah zum Himmel empor.»Die Restless wird hoffentlich in der Nähe sein und uns unterstützen, sobald wir Feindberührung haben.»

«Und wenn sie nicht verfügbar ist, Sir?«fragte Inch trocken.»Dann ist sie eben nicht verfügbar«, entgegnete Bolitho achselzuk-kend.

Wieder grinste Inch.»Als ob man in einem Wespennest herumstochert. «Auf eine neue Meldung des Lotgasten eilte er nach vorn und ließ Bolitho mit seinen Gedanken allein.

Das Land nahm jetzt deutlich Form an; es waren dieselben schwarzen und öden Berge wie um Djafou. Die Küstenlinie verlief zwar unregelmäßig, aber von einer Einfahrt oder einer schmalen Bucht war bis jetzt noch nichts zu sehen. Doch das täuschte, wie er aus seiner Knabenzeit wußte. Einmal, fast noch als Kind, war er in einem kleinen Boot von Falmouth losgefahren und zu seinem Schrecken in eine schnelle Küstenströmung geraten. Irgendwo in der Nähe mußte eine Bucht sein, wo er in Sicherheit gewesen wäre, doch in dem schwindenden Licht konnte er nichts als diese grimmigen, feindseligen Klippen sehen. Er hatte schon alle Hoffnung und fast allen Mut verloren, da fand er sie ganz unerwartet. Ein paar Klippen lagen davor und verbargen sie fast; hinter ihnen war das Wasser glatt und ruhig. Vor Erleichterung war er in Tränen ausgebrochen. Sein Vater fuhr damals zur See. Hugh, sein Bruder, hatte ihn gesucht und hatte ihm eine Ohrfeige verpaßt, als er ihn fand.

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