«Um Gottes willen, Sir Hugo«, murmelte Broughton bestürzt,»dazu wird es doch nicht kommen?»
«Natürlich nicht, Sir Lucius. «Draffen war offensichtlich wieder bester Laune.
Broughton schien plötzlich das Bedürfnis zu haben, diese Unterredung zu beenden.»Signalisieren Sie also der Restless, Bolitho. Die Coquette kann die Bewachung der Bucht übernehmen.»
Als Bolitho die Kajüte verließ, kam Draffen hinterher.»Nehmen Sie es nicht zu schwer, Captain«, murmelte er fast freundschaftlich.»Ich habe Ihre Qualitäten als Seeoffizier nie bezweifelt. Also könnten Sie meinen Fähigkeiten in gewissen Affären ebenfalls vertrauen, eh?»
Bolitho blieb stehen und sah ihn an.»Wenn Sie damit sagen wollen, daß ich von Ihren Machenschaften nichts verstehe, Sir Hugo, so haben Sie recht. Und ich will auch nichts damit zu tun haben — nie!»
Draffens Gesicht wurde hart.»Treiben Sie es nicht zu weit, mein Freund! Sie könnten eines Tages einen hohen Rang in der Flotte einnehmen, vorausgesetzt. «Das Wort blieb in der Luft hängen.
«Vorausgesetzt, daß ich den Mund halte?»
Ärgerlich fuhr Draffen herum.»Ausgerechnet Sie können es sich kaum leisten, sich zu exponieren, wenn Sie vorwärtskommen wollen! Vergessen Sie nicht: ich kannte Ihren Bruder. Höherenorts gibt es Leute, die es sich sehr überlegen würden, einen Offizier zu befördern, von dem sie erfahren, daß sein familiärer Hintergrund nicht ganz sauber ist — also benehmen Sie sich, Captain!»
Bolitho wurde auf einmal eiskalt. Ihm war, als schwebe er in der Luft.»Vielen Dank, daß Sie mich daran erinnern, Sir Hugo. «Er wunderte sich darüber, wie seine Stimme klang. Vollkommen fremd.»Von jetzt an brauchen wir einander wenigstens nichts mehr vorzumachen. «Er drehte sich um und schritt rasch zur Kampanjeleiter.
Unten auf dem Achterdeck ging Keverne gedankenversunken auf und ab.
«Signalisieren Sie der Valorous zur Weitergabe an die Restless: >Anker lichten und sofort zum Flaggschiff. Sir Hugo Draffen an Bord nehmen und nach dessen Instruktionen handeln.««Kevernes erstaunten Blick ignorierte er.»Dann können Sie alle Geschütze festmachen lassen, und die Leute können essen. Nun? Was ist noch?»
«Ziehen wir uns zurück, Sir?»
«Kümmern Sie sich um das Signal, Mr. Keverne. «Er blickte auf die fernen Berge.»Ich muß nachdenken.»
Er wandte sich um, denn unter dem Achterdeck erschien Leutnant Sawle mit Witrand.»Wo wollen Sie mit dem Gefangenen hin, Mr. Sawle?»
Der Leutnant sah ihn verständnislos an.»Er soll doch auf die Korvette überstellt werden, Sir«, antwortete er, anscheinend völlig verwirrt.»Leutnant Calvert sagt, der Admiral hätte es befohlen.»
Der Franzose kam leichtfüßig die Leiter herauf, und Bolitho vergaß für den Augenblick seine Wut über Draffens Drohung.
«Ich will Ihnen Lebewohl sagen, capitaine. «Witrand reckte sich und sog die warme Seeluft ein.»Wer weiß, ob wir uns wiedersehen?»
«Ich hatte keine Ahnung davon, Witrand.»
«Das glaube ich Ihnen, capitaine. Anscheinend denkt man, ich könnte von Nutzen sein. Spaßhaft, wie?»
Bolitho dachte an Broughtons desperate Stimmung. Vielleicht hatte er Draffens Vorschlag zugestimmt, Witrand auf die Korvette zu überstellen, weil sie hofften, der Franzose würde etwas über seine Mission verraten.»Spaßhaft? Ja, vielleicht«, antwortete er nachdenklich.
Er beschattete die Augen und beobachtete, wie die Valorous Broughtons Signal hißte. Irgendwo hinter der vorspringenden Landzunge versteckt, würde die vor Anker liegende Korvette es sehen und eiligst dem Befehl folgen. Witrand würde vermutlich an Bord der Restless bleiben und später mit irgendwelchen Depeschen nach Gibraltar überstellt werden.
Bolitho hielt ihm die Hand hin.»Leben Sie wohl, m'sieur. Und vielen Dank für das, was Sie für mich getan haben.»
Der Franzose drückte ihm fest die Hand.»Ich hoffe, wir sehen uns doch noch eines Tages wieder, capitaine. Aber…««Achselzuckend brach er ab, als Sawle mit zwei bewaffneten Matrosen auf dem Achterdeck erschien, und sagte hastig:»Für den Fall, daß mir irgend etwas zustößt. Hier ist ein Brief an meine Frau in Bordeaux. Ich wäre Ihnen dankbar. «schloß er leise.
«Selbstverständlich«, nickte Bolitho. Dann brachte Leutnant Sawle den Franzosen zur Fallreepspforte, wo das Boot anlegen würde.»Seien Sie vorsichtig«, rief er ihm nach.
Witrand winkte ihm flüchtig zu.»Sie auch, capitaine!»
Eine Stunde später ging Bolitho immer noch an der Luvseite auf und ab, unempfindlich gegen die sengende Hitze, die sein Hemd in einen nassen Fetzen verwandelte, und gegen die blendenden Sonnenreflexe auf dem Wasser.
Draffen war auf die Korvette umgestiegen und hatte den Vorsprung der Küstenlinie umrundet; aber das hatte Bolitho kaum bemerkt, weil ihm die simple Mahnung Witrands im Kopf herumging.
Leutnant Weigall war Offizier der Wache und bemühte sich, seinem Kommandanten möglichst aus dem Wege zu gehen. Schwerhörig und einsam, das Preisboxergesicht in grimmigen Falten, hielt er sich in Lee und beaufsichtigte die Männer, die auf dem Oberdeck arbeiteten.
An der Kampanje stand Allday und sah mit Besorgnis, wie wütend Bolitho war. Er zermarterte sich den Kopf, wie er ihm helfen könne. Bolitho hatte es abgelehnt, zum Essen in die Kajüte zu kommen, und ihn blindwütig angefahren, als er ihn dazu überreden wollte, sich unter Deck etwas von der Hitze zu erholen.
«An Deck!«Der Ausguck konnte nur noch krächzen. Der arme Kerl war vermutlich halb verdurstet.»Segel in Luv voraus!»
Erwartungsvoll sah Allday zu Bolitho hinüber, doch der schritt immer noch auf und ab; er hatte den Kopf gesenkt, sein Gesicht war ausdruckslos. Und Weigall, das sah Allday mit einem raschen Blick, hatte überhaupt nichts gehört.
Schon flogen Signalflaggen den Rahen der Tanais empor; Allday trat zu einem dösenden Midshipman und stieß ihn scharf in die Rippen.
«Wachen Sie auf, Mr. Sandoe!«Der Junge starrte ihn verängstigt an.»Es gibt Arbeit für Sie!«Dann ging er zur anderen Seite und wartete, bis Bolitho umkehrte.»Captain?»
Bolitho blieb stehen und schwankte auf dem krängenden Deck vor
Müdigkeit. Verschwommen sah er Alldays Gesicht vor sich und bemerkte mit aufsteigendem Ärger, daß dieser lächelte.
«Segel in Luv voraus«, sagte Allday entschieden.
«Was?»
Er schaute nach oben, von wo die Stimme kam:»Einzelnes Schiff,
Sir!»
Weigall hatte endlich gemerkt, daß irgend etwas los war, und rannte hin und her wie ein Raubtier im Käfig. Hoch überm Deck stand jetzt die winzige Gestalt eines Midshipman neben dem Matrosen im Ausguck. Und da rief er auch schon zu den nach oben gerichteten Gesichtern hinunter:»Ein Bombenwerferschiff, Sir!»
Allday blickte wieder zu Bolitho hin und sah erschrocken, daß dessen Augen vor Bewegung feucht waren.
«Gott sei Dank!«sagte Bolitho nur. Er streckte die Hand aus und faßte Alldays kräftigen Unterarm.»Dann schaffen wir es doch noch!«Er wandte sich ab, um sein Gesicht zu verbergen, und befahl:»Rufen Sie den Master. Neuer Kurs für das ganze Geschwader: auf den Bombenwerfer! Und dann — ««, er fuhr sich mit den Fingern durchs Haar — ,»dann werden wir weitersehen!»
Später, als die Euryalus schwerfällig durch den Wind ging und auf den schmalen Strich des Segels zuhielt, stand Bolitho reglos auf dem Achterdeck an der Reling. Sämtliche Offiziere waren ebenfalls da, blieben aber respektvoll auf der anderen Seite, unterhielten sich leise und stellten allerlei Spekulationen an.
Dann kam Broughton an Deck und trat neben Bolitho. Beiläufig und wie von fern fragte er:»Welcher ist es?»
Eben hißten Tothills Männer eine neue Reihe Flaggen; und Bolitho antwortete:»Nur der eine, aber das genügt.»
Verwirrt über diese unbestimmte Antwort starrte Broughton ihn an.
Da rief Tothill:»Signal, Sir, Hekla an Flaggschiff: >Erbitte Instruk-tionen<»