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Atemlos stieß Meheux hervor:»Jetzt will er uns den Todesstoß versetzen, Sir!«Er warf einen raschen bewundernden Blick zu Bolitho hinüber.»Bei Gott, er denkt, wir sind hier wehrlos!»

Grimmig nickte Bolitho. Der Führer der Schebecke hatte ausprobieren wollen, ob sich die Navarra wehren konnte. Angesichts der Beschädigungen und der zwei leergebliebenen Stückpforten im Heck mochte er sie wohl für hilflos halten.

«Also, Jungs!«sagte Meheux scharf, und die Männer am Geschütz wurden plötzlich lebendig.»Jetzt werden wir sehen!«Er duckte sich hinter den Verschluß, und seine Augen funkelten wie zwei geschliffene Kristalle, als er die schlanken Masten der Feinde, in gerader Linie hintereinander stehend, aufkommen sah.»Backbord-Bordwand!«Ungeduldig stampfte er auf, während die Männer sich in die Handspeichen warfen.»Gut!«Er schwitzte mächtig und mußte sich mit dem zerrissenen Ärmel die Stirn wischen.»Jawohl, Ziel erfaßt!»

McEwen trat zur Seite und holte die Reißleine langsam durch.»Fertig!«Meheux fluchte lästerlich, weil die Schebecke eine Sekunde lang aus der Reihe schor; aber sofort brachte die Trommel wieder Ordnung in die Ruderer.

In der plötzlichen Stille klang Bolithos Stimme wie ein Pistolenschuß.»Jetzt, Mr. Meheux!»

«Aye, Sir.»

Die Sekunden dehnten sich — geduckt, reglos wie eine Holzfigur hockte Meheux hinter dem Geschütz.

Und dann — so unvermittelt, daß Bolitho erschrak, obwohl er die ganze Zeit darauf gewartet hatte, sprang Meheux zur Seite und brüllte:»Feuer!»

In der Enge der Kajüte hallte der Abschuß wie ein Donnerschlag, hustend und keuchend taumelten die Männer im dicken Qualm, das Geschütz stieß in seinem Gestell zurück, wild erzitterten die Planken unter Bolithos Füßen, und einen Moment dachte er halb betäubt, es würde sich losreißen und ihn am Heckbalken zu Brei quetschen. Aber die Zurringe hielten, und als der wirbelnde Rauch aus dem Fenster gestoben war, hörte er Meheux' irres Brüllen:»Seht den Bastard! Seht doch bloß, Jungs!»

Bolitho drängte sich zum Fenster und starrte auf das vorderste Boot, das noch vor Sekunden ein Bild der Eleganz und Kampfgier gewesen war. Das schwere Geschoß mußte eine ganze Ruderbank der Länge nach umgepflügt haben; trotz des Qualms sah er, daß der schlanke Bootskörper umgeschlagen war, während die Ruderer auf der heil gebliebenen Längsbank mit wild fuchtelnden Riemen das Wasser peitschten und verzweifelt versuchten, das Boot wieder aufzurichten.

«Stopft das Zündloch! Ausputzen!«brüllte Meheux und rief fragend zu Bolitho hinüber:»Doppelladung diesmal, Sir?»

«Wenn's sehr schnell geht, Mr. Meheux. «Bolitho summten noch die Ohren von der Explosion, aber auch er spürte wie der Leutnant ein wildes, verzweifeltes Triumphgefühl in sich aufsteigen.»Und Schrapnell obendrein, wenn Sie welches haben!»

Den Matrosen, die so fieberhaft in der zerschossenen Kajüte hantierten, war die Kanone so vertraut wie jene, die sie täglich zu bedienen hatten. Vorbei war es jetzt mit dem entnervenden, hilflosen Hinnehmen des feindlichen Feuers auf dem schon schwer havarierten Schiff. Jetzt konnten sie endlich zurückschießen. Unter triumphierendem Gebrüll rammten sie die Ladung fest, von McEwen aufmerksam kontrolliert, der ein viel zu erfahrener Stückmeister war, als daß er irgendeine Nachlässigkeit hätte durchgehen lassen. Er betastete sogar jede Kugel sorgfältig, ehe er sie laden ließ, um sicher zu sein, daß sie so vollkommen rund war, wie man es auf einem spanischen Schiff nur erhoffen konnte.

Schwerfällig drehte sich die angeschlagene Schebecke nach Steuerbord. Bolitho bemühte sich, sie im Auge zu behalten und nicht den Matrosen zuzusehen, die sich fieberhaft anstrengten, mit dem Laden fertig zu werden, ehe sie außer Sicht kam. Doch die» Lange Neun «brauchte normalerweise fünfzehn Mann Bedienung, und Meheux hatte nur knapp die Hälfte.

«Ausrennen!«Er hatte es in zwei Minuten geschafft.

Die anderen beiden Schebecken fuhren jetzt entgegengesetzte Bogen, weg von der plötzlich so wehrhaften Navarra. Eine feuerte; aber die Kugel mußte weit vorbeigegangen sein; der Einschlag im Wasser war nicht einmal zu sehen.

Heiser schrie Meheux:»Andere Bordwand!«sprang zur Seite und versuchte mit zusammengekniffenen Augen, das Tempo des Gegners abzuschätzen.

Bolitho hörte oben an Deck Krachen und Schreien.»Ich muß hinauf!«rief er. Meheux hörte ihn nicht.»Mehr nach links! Noch mehr!«Er packte eine Handspeiche und warf auch noch sein eigenes Körpergewicht mit in den Kampf. Dabei spähte er über den Verschluß am Rohr entlang. Bolitho riß sich los und eilte auf die Kampanje.

Er war kaum draußen in der Sonne, als Meheux Feuer gab. Bolitho rannte nach Steuerbord hinüber: die Doppelladung schmetterte in den Rumpf der Schebecke; fasziniert sah er zu, wie das Deck steil abkippte und die Ruderer sich in dichtem Pulk zusammendrängten wie Schafe, die verschreckt einen steilen Abhang hinaufrasten. Die beiden schweren Kugeln mußten den Rumpf dicht unter der Wasserlinie durchschlagen haben. Bei dem starken Druck der Riemen mußte sich das katastrophal auswirken. Denn jetzt begann das Boot zu sinken; die wimmelnden Gestalten sprangen teils über das Dollbord, teils rannten sie in wilder Panik zum Heck. Keine der anderen Schebecken machte einen Versuch, näher zu kommen und die Schwimmenden zu retten oder den Angriff fortzusetzen; wahrscheinlich befand sich der Anführer in dem zerschossenen Boot.

Grindle zupfte ihn am Arm.»Ein Boot wendet, Sir! Hält direkt auf unseren Bug zu!»

Bolitho starrte nach vorn und sah die schlanken Masten in voller Fahrt auf die Navarra zukommen; die aufgegeiten Segel schienen nur noch ein paar Fuß von ihrem Klüverbaum entfernt zu sein. Im allerletzten Moment wechselte die Schebecke den Kurs und streifte zielbewußt fest den Backbordbug der Navarra; die Ruder flogen hoch und ins Boot wie die Schwingen eines riesigen Seeadlers, der zum tödlichen Angriff niederstößt.

«Backbordbatterie — Feuer!«brüllte Bolitho. Stolpernd rannte Ash-ton die Reihe der Geschütze entlang; eins nach dem anderen fuhr im Rückstoß binnenbords, der Rauch wirbelte zum Feind hinüber, aber die Kugeln richteten wenig Schaden an, außer daß sie den Fockmast fällten wie die Axt einen jungen Baum.

Bolitho fühlte das knirschende Vibrieren, sah Schrapnell über den Decksgang fliegen und riß seinen Degen heraus.

«Sie entern! Schlagt sie zurück!«Witrand hatte bereits die Pistole herausgerissen und stieß einige der wie gelähmt dahstehenden spanischen Matrosen zum Decksgang hin.

«Mr. Ashton! Die Drehbasse!«schrie Bolitho. Über das Deck kam Allday herangestürzt, im trüben rauchigen Licht funkelte bereits der blanke Entersäbel in seiner Faust.

«Ich habe Ihnen doch gesagt, Sie sollen bei Mr. Ashton bleiben!«rief er ärgerlich — aber er wußte, es war nutzlos; nie würde Allday beim Kampf anderswo als an seiner Seite sein, da konnte er sagen, was er wollte.

Schon tauchten über der Reling, die nicht durch Enternetze, sondern nur durch die Decksgänge gesichert war, braune Köpfe auf. Die Matrosen hieben und hackten mit Piken und Entersäbeln nach ihnen. Ohrenzerreißendes Kampfgeschrei — und immer mehr dunkelhäutige Krieger zogen sich an der Schiffswand hoch. Schon tauchten sie beim Vorderkastell auf; da aber spuckte die Drehbasse Feuer und Eisen, und sie verschwanden wie Papierschnitzel im Wind.

«Aufpassen, Captain! Von hinten!«Allday schwang den Säbel und hieb ihn einem Piraten über den Turban, hackte ihm den Unterkiefer weg, ehe der Mann einen Schrei herausbrachte.

Bolitho sah, wie ein bärtiger Riese mit einem Schwung seines Enterbeils zwei spanische Matrosen niederhieb und dann zu einem der Niedergänge raste. Er dachte an die Frauen und Kinder, die hilflosen Verwundeten unter Deck — jeder Hoffnungsfunken mußte sich in panischen Schrecken verwandeln, wenn dieser Kerl da unten eindrang. Ehe Allday dazwischentreten konnte, war er am Luk, stützte einen Fuß gegen das Süll, da war der Pirat auch schon heran, kam rutschend zum Halten und riß das Beil hoch, das noch vom Blut der Niedergehauenen troff.

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