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«Also schön, Mr. Keverne, Sie können halsen.»

Der Erste, der ihn genau beobachtet hatte, hob die Sprechtrompete, und die kurze Spanne Frieden war vorbei.

«An die Leebrassen! Klar zur Halse!»

Nackte Füße schurrten über das Deck, und die Luft erzitterte unter dem Quietschen der Blöcke und dem Schnarren der Fallen.

Wenn man diese gut gedrillten Matrosen sah, konnte man sie sich kaum noch als jenen buntscheckigen Haufen vorstellen, der damals an Bord gekommen war. Selbst die Unteroffiziere fanden wenig Grund zum Schimpfen, als die Männer auf ihre Stationen flitzten; damals, als das Schiff in Dienst gestellt worden war, hatte es so viele Flüche und Prügel gegeben, daß von irgendwelcher Ordnung kaum die Rede sein konnte. Eine gute Mannschaft, fand Bolitho, wie sie sich ein Kapitän nur wünschen konnte.

«Marsschoten los!»

Wieselschnell legten die Männer auf den Rahen aus, und er sah ihnen mit einer Art Neid zu. Da oben zu arbeiten, manchmal zweihundert Fuß über Deck, hatte ihm in seiner Kadettenzeit jedesmal Übelkeit verursacht, und jedesmal war er verlegen und wütend darüber gewesen.

«Hol an die Geitaue!«Keverne war schon ganz heiser; vielleicht machte es ihn nervös, daß ihm die ganze Stadt bei diesem Manöver zusah.

Langsam, aber zielbewußt glitt die Euryalus auf ihren Ankerplatz zu; ihr Schatten schwamm auf dem ruhigen Wasser vor ihr her.»Leeruder!»

Die Radspeichen knarrten, und das Schiff schwang widerstrebend in den Wind. Schon verschwand, wie von einer einzigen Kraft bewegt, die Leinwand von den Rahen.

«Laß fallen Anker!»

Laut platschend fiel der Anker neben dem Bug ins Wasser, und wie ein Seufzen ging es durch Schiffsrumpf und Takelage, als beide zum erstenmal seit Monaten am straffgespannten Ankertau zur Ruhe kamen.

«Sehr schön, Mr. Keverne. Sie können mein Boot klarmachen und dann Kutter und Jolle aussetzen lassen.»

Bolitho wandte sich ab — auf Keverne konnte er sich durchaus verlassen. Er war ein guter Erster; allerdings wußte Bolitho weniger von ihm als von irgendeinem seiner früheren Offiziere. Das war zum Teil seine eigene Schuld, zum Teil lag es aber auch an der zusätzlichen Arbeit, die ihm die Krankheit des Admirals verursacht hatte. Vielleicht war es auch ganz gut so für sie beide, dachte Bolitho. Die zusätzliche Verantwortung, die Notwendigkeit, sich immer intensiver mit der strategischen und taktischen Führung nicht eines, sondern mehrerer Schiffe zu befassen, hatten ihn so in Anspruch genommen, daß ihm nicht viel Zeit zum Nachgrübeln über den Tod seiner Frau geblieben war. Auf der anderen Seite mußte Keverne, da Bolitho mit den Angelegenheiten des Admirals beschäftigt war, mehr Verantwortung übernehmen, was ihm sehr zustatten kommen würde, wenn er einst sein eigenes Schiff hatte.

Keverne war außerordentlich tüchtig; er hatte nur einen Fehler: während der Reise hatte er mehrfach kurze Ausbrüche von Jähzorn gehabt. Er war Ende Zwanzig, groß, schlank und sehnig, tiefbrünett und auf eine beinahe zigeunerhafte Art gutaussehend. Mit seinen dunklen, blitzenden Augen und außerordentlich weißen Zähnen mußte er Glück bei Frauen haben, dachte Bolitho.

Doch als der Admiral, den Hut in der Hand und mit seinen blassen Augen in die Sonne blinzelnd, an Deck kam, dachte Bolitho nicht mehr an Keverne. Sekundenlang sah er zu, wie die Kommandantengig gefiert wurde. Blöcke und Taljen quietschten, und Tebbutt, der Bootsmann mit den mächtigen Oberarmen, blaffte seine Befehle vom Steuerbord-Decksgang hinunter.

Bolitho beobachtete den Admiral genau: für diesen zählte jede dieser letzten Sekunden, er speicherte gewiß die kurzen Bilder der Bordroutine in seinem Gedächtnis wie einen Schatz.

Jetzt erklang eine wohlbekannte Stimme aus nächster Nähe; Bolitho fuhr herum: da stand Allday, sein Bootsführer, und sah ihn gelassen an.

«Das war's, Captain«, grinste er und blickte dann zu dem Admiral hinüber.»Soll ich Sir Charles jetzt an Land bringen?»

Bolitho antwortete nicht gleich. Wie oft hatte er es einfach selbstverständlich gefunden, daß Allday da war. Er kannte ihn durch und durch, seine Treue, seine Unbezahlbarkeit. Er konnte sich ein Leben ohne Allday nur sehr schwer vorstellen. Jetzt war er nicht mehr der ranke Toppmatrose von damals, den vor so vielen Jahren ein Preßkommando an Bord seiner geliebten Fregatte Phalarope gebracht hatte. Er war breiter, untersetzter geworden. Sein dichtes Haar hatte graue Strähnen bekommen, und sein gemütliches, gebräuntes Gesicht war durchgearbeitet wie altes Schiffsholz. Aber im Grunde war er der gleiche geblieben, und das erfüllte Bolitho unvermittelt mit Freude und Dankbarkeit.

«Ich frage ihn gleich, Allday.»

«Wachboot kommt, Sir«, unterbrach Keverne.

Bolitho fuhr herum und spähte über das glitzernde Wasser: da kam ein armierter Kutter schnell und zielstrebig auf den vor Anker liege n-den Dreidecker zu. Jetzt erst fiel es Bolitho auf, daß außer dem Kutter kein einziges Boot den Hafen verlassen hatte. Ein plötzliches Angstgefühl überkam ihn. Was stimmte da nicht? Irgendein furchtbares Fieber im Hafen? Es war bestimmt nicht so, daß man die Euryalus für einen Franzosen hielt. Dann hätte die Festungsbatterie schon von sich aus ihr Mißfallen kundgetan.

Er nahm ein Teleskop aus der Halterung und richtete es auf den Kutter. Die braunen Segel, ein paar verkniffene Matrosengesichter schwammen über die Linse. Aber in der Flicht saß ein Kapitän, dessen leerer Ärmel am Rock festgesteckt war, und blickte starr zur Euryalus herüber. Beim Anblick der Uniform mit dem leeren Ärmel durchfuhr Bolitho wiederum ein schmerzliches Gefühl. So hätte sein toter Vater ausgesehen, wenn er plötzlich wieder zum Leben erwacht wäre.

«Was ist los?«fragte der Admiral irritiert.

«Irgendwelche Formalitäten, Sir Charles«, antwortete Bolitho. Und zu Keverne:»Lassen Sie bitte antreten zum Seitepfeifen.»

Hauptmann Giffard von der Marine-Infanterie zog seinen Degen, marschierte gewichtig zur Fallreepspforte und musterte seine Männer, die in dichtgeschlossenen, scharlachroten Reihen angetreten waren, um den ersten Besucher an Bord vorschriftsmäßig zu empfangen. Auch mehrere Bootsmannsmaaten und Schiffsjungen waren mit angetreten. Bolitho ging die Achterdeckstreppe hinunter und trat zu Kever-ne und dem Offizier der Wache.

Die Segel des Kutters wurden eingeholt, der Buggast schlug seinen Haken in die Rüsten, die Bootsmannsmaatenpfeifen trillerten ihren Salut, der einarmige Kapitän kletterte unbeholfen durch die Fallreepspforte und lüftete seinen Hut zum Achterdeck hin, wo der Admiral stand und gleichmütig, ohne sichtbares Interesse, die Szene beobachtete. Vielleicht fühlte er sich schon gar nicht mehr dazugehörig, dachte Bolitho.

«Captain James Rook, Sir. «Der Besucher setzte den Hut wieder auf und blickte sich rasch um. Er hatte die Lebensmitte schon weit überschritten; wahrscheinlich hatte man ihn reaktiviert, um einen jüngeren Mann zu ersetzen.»Ich bin Befehlshaber der Hafenwache und der Preßkommandos, Sir. «Unter Bolithos gelassenen grauen Augen wurde er etwas unsicher.»Habe ich die Ehre, mit Sir Charles Thelwalls Flaggkapitän zu sprechen?»

«Der bin ich.»

Bolitho blickte an ihm vorbei in den Kutter. Im Bug war ein Drehgeschütz montiert, und außer der Normalbesatzung waren noch einige bewaffnete Matrosen an Bord.

«Erwarten Sie einen Angriff?»

Rook gab keine direkte Antwort.»Ich habe eine Depesche für Ihren Admiral. «Er räusperte sich, als wüßte er genau, daß ihn alle gespannt beobachteten.»Vielleicht gehen wir nach achtern, Sir?»

«Gewiß.»

Bolitho war über Gebühr irritiert durch die wichtigtuerische und ausweichende Art des Mannes. Schließlich hatten sie ihre Order, und was ihnen dieser Kapitän auch erzählen konnte, hätte bestimmt Zeit gehabt, bis der Admiral an Land war.

Am oberen Ende der Leiter drehte er sich scharf um.»Sir Charles befindet sich nicht wohl. Ist diese Sache denn so eilig?»

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