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»Sind Sie demnach jetzt so etwas wie ein gesundes Versuchsexemplar?« erkundigte sich Bowab mit besorgter Stimme. »Das klingt aber gar nicht gut. Hat man denn mit Ihnen irgend etwas Schlimmes angestellt?«

Hewlitt lachte. »Nein, und alles ist nur halb so tragisch, wie es sich vielleicht anhört. Ich habe jetzt mein eigenes Quartier im Personalbereich. Das ist zwar nur ein kleines Zimmer, das normalerweise von zweiNidianern bewohnt wird, aber ich kann mich im ganzen Krankenhaus frei bewegen, solange der Padre bei mir ist. Er ist nämlich sozusagen mein Aufpasser, damit ich mich nicht verlaufe oder von jemandem überfahren werde. Ich soll mich mit Leuten unterhalten und deren Fragen beantworten. Das ist alles, was man von mir will.«

»Sie sind schon immer ein merkwürdiger Patient gewesen, aber das, was Sie über Ihre Genesung berichten, kommt mir noch merkwürdiger vor«, bemerkte Bowab.

»Jetzt mal im Ernst!« sagte Horrantor energisch. »Wenn Sie lediglich mit Leuten reden und deren Frager beantworten, dann reden diese vermutlich auch mit Ihnen oder unterhalten sich in Ihrer Gegenwart miteinander. Erzählen Ihnen diese Leute aus Versehen oder aus Unkenntnis darüber, daß Sie nicht dem Klinikpersonal angehören, auch Sachen, die Sie eigentlich nicht wissen sollten? Wenn das der Fall ist und es Ihnen gestattet ist, Fragen zu beantworten, würden Sie dann auch eine unserer Fragen beantworten?«

Das klingt aber schon etwas ernster als die normale Wißbegier eines Patienten nach dem neuesten Krankenhaustratsch, dachte Hewlitt, und er hielt es für angebracht, Vorsicht walten zu lassen.

»Wenn es mir möglich ist, klar«, antwortete er.

»Horrantor ist gemein und hinterhältig, und sie läßt ihrer Phantasie wiedereinmal freien Lauf«, mischte sich Bowab erneut ein. »Deshalb schlägt sie mich auch andauernd beim Scremmanspielen. Wir haben zufällig einiges von dem mitbekommen, worüber sich die Schwestern unterhalten haben. Sobald sie aber bemerken, daß wir zuhören, stellen sie ihre Gespräche sofort ein. Wahrscheinlich handelt es sich nur um ganz gewöhnlichen Tratsch, wie er unter Personalangehörigen üblich ist, oder vielleicht auch nur um ein absolutes Mißverständnis unsererseits, weil wir lediglich ein paar Gesprächsfetzen mitbekommen haben… Möglicherweise steckt aber doch mehr dahinter, und das macht uns wirklich Sorgen.«

»Gegen Klatsch und Tratsch ist sicherlich nichts einzuwenden, solange alles in Grenzen bleibt und keine unnötigen Ängste geschürt werden. Also, wie lautet nun Ihre Frage?«

Einen Moment lang blickten sich Bowab und Horrantor schweigend an, dann sagte der Duthaner: »Nach dem, was mir die Oberschwester vor ungefähr zehn Tagen erzählt hat, hätte ich längst für die restliche Genesungsphase in ein Krankenhaus meines Heimatplaneten verlegt werden müssen. Wegen der großen Nachfrage nach den einmaligen medizinischen Einrichtungen des Orbit Hospitals wird hier eigentlich nie unnütze Zeit mit Patienten vergeudet, die einigermaßen wiederhergestellt sind. Als ich aber gestern Leethveeschi gefragt habe, warum ich immer noch hier sei und ob sie mir irgend etwas verheimliche, hat sie mir geantwortet, daß zur Zeit kein geeignetes Transportmittel zur Verfügung stehe, das mich nach Hause bringen könne, und daß es keine gesundheitlichen Probleme für mich gebe, um die ich mir Sorgen machen müsse.

Fast zur selben Zeit, also vor knapp zwei Wochen, hat Chefarzt Medalont den Auszubildenden an Horrantors Bett einen Vortrag gehalten«, fuhr Bowab fort. »Er erzählte den Anwesenden, daß die Patientin soweit wiederhergestellt sei, um umgehend entlassen werden zu können. Das hätte eigentlich binnen weniger Tage geschehen sollen, weil die Besatzungsmitglieder der meisten Versorgungs- und Transportschiffe, die manchmal vier- oder fünfmal in der Woche hierherkommen, einersauerstoffatmenden Warmblüterspezies angehören und laut Föderationsgesetz dazu verpflichtet sind, die Mehrheit der transportfähigen warmblütigen Sauerstoffatmer unterzubringen. Bedenken Sie, daß Traltha und Dutha zentrale Handelswelten sind, die praktisch für alle direkt auf dem Weg liegen. Aber die Begründung, die Leethveeschi Horrantor für deren Aufenthaltsverlängerung genannt hatte, war genau dieselbe, die sie mir gegeben hatte, daß nämlich hinsichtlich der für mich erforderlichen Umweltbedingungen kein geeignetes Transportmittel zu Verfügung stehe.«

»Vergessen Sie nicht, ihm über die Notfallübung zu berichten«, erinnerte ihn Horrantor.

»Nein, ganz bestimmt nicht«, erwiderte Bowab. »Also, vorgestern ist nämlich ein zwanzig Mann starkes Wartungsteam über unsere Station hergefallen. Leethveeschi hat das Ganze als eine Evakuierungsübung für den Notfall deklariert. Dabei trennten die Wartungsleute erst einmal die Betten der am ernsthaftesten erkrankten Patienten von den Wandbefestigungen und rüsteten die Gestelle mit zusätzlichen Sauerstoffbehältern und Gravitationsgittern aus. Dann wurden luftdichte Schutzzelte verteilt und man transportierte uns von der Station zu dem Gang, der zur Schleuse fünf führt, bis man uns schließlich wieder zurückbrachte. Leethveeschi stoppte die Zeit und ermahnte die Wartungsleute, daß der ganze Ablauf schneller werden müsse. Danach entschuldigte sie sich bei uns für die Unannehmlichkeiten und sagte, daß wir unser Spiel fortsetzen könnten und uns ansonsten keine Sorgen zu machen brauchten. Noch während die Leute des Wartungsdienstes die Station verließen und sich über den unverschämten Ton der Oberschwester beklagten und vor allem über den ungerecht hohen Leistungsstandard, den ihre Vorgesetzten von ihnen verlangten, obwohl es eine Katastrophenübung dieses Ausmaßes seit ungefähr zwanzig Jahren nicht mehr gegeben habe, konnten wir einige merkwürdige Wortfetzen aufschnappen, die uns sehr beunruhigt haben.

Also lautet unsere Frage: Was genau verheimlichen die vor uns?« beendete Bowab seine Ausführungen.

»Ich weiß es nicht…«, antwortete Hewlitt und fügte leise hinzu:»…jedenfalls nicht genau.«

Das entsprach durchaus der Wahrheit. Dennoch erinnerte er sich an die Rückreise mit der Rhabivar und an die Warnmeldung, die von der Anmeldezentrale gesendet worden war; nämlich daß alle Raumschiffe vorläufig außerhalb der inneren Leitbaken in Position zu gehen hätten, wenn sie keine Verletzten beförderten, die dringend versorgt werden müßten. Als Grund war ein nicht näher bestimmtes technisches Problem angeführt worden, mit dem sich der Wartungsdienst umgehend befassen werde, wenngleich diese Warnmeldung für das Ambulanzschiff Rhabivar offensichtlich nicht gegolten hatte.

Hewlitt fühlte sich nicht ansatzweise so locker, wie er sich anhörte, als er weitersprach: »Bislang sind mir zwar keinerlei Gerüchte über eine Evakuierung zu Ohren gekommen, aber ich werde mich trotzdem mal umhören und mich überall erkundigen. Wäre es nicht möglich, daß Sie das Gespräch, von dem Sie zufällig einiges mitgehört haben, mißverstanden haben? Schließlich führen alle öffentlichen Einrichtungen mit einem solch intensiven Personalaufwand von Zeit zu Zeit Notfallübungen durch. Na ja, und als jemand gemerkt hat, daß im Orbit Hospital seit zwanzig Jahren keine mehr stattgefunden hat, ist von der Krankenhausverwaltung wahrscheinlich entschieden worden, eine solche Übung lieber gestern als heute durchführen zu lassen, und natürlich waren die rangniedrigen Angestellten wieder einmal die Hauptleidtragenden.

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