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Oma Ada fing an zu lachen.

»Ich verstehe«, nahm ich ihren Gedankengang auf. »Ich hatte schon Genetik. Ich weiß, dass man oft Kinder im Geschäft kauft, das künftige Kind wird dort aus einer Kartothek ausgesucht.«

»Genau. Die Frau hatte zweitausend Kinder in der gesamten Galaxie. Alle zu verschiedenen Zeiten, die letzten noch vor zehn Jahren. Und obwohl das nicht erlaubt war, hatte sie es ermöglicht, das Schicksal eines jeden Klons zu verfolgen.«

»Eines Klons?«

»Ja. Die Mädchen waren ihre identischen Klone, die Jungen die ihrer Matrize. Sie wuchsen heran… und erhielten zu einem bestimmten Zeitpunkt das vollständige Gedächtnis ihrer Ahnin. Natürlich nicht alle… nur diejenigen, die bereits die ersten Stufen zur Macht erklommen hatten. Diejenigen, die mit der Verschmelzung des Bewusstseins und der Übernahme der Erfahrung ihrer Matrize einverstanden waren. Und eine dieser Frauen, Inna Snow, fand heraus, wie man das Bewusstsein über die Neuroshunts beeinflussen und dadurch nach und nach richtiges Verhalten programmieren konnte.«

»Also ist Inna Snow gar nicht die Matrize«, flüsterte ich. »Was sind wir nur für Idioten…«

»Nein, sie ist nicht die Matrize. Sie regiert wirklich, aber die strategischen Entscheidungen werden von den Klonen gemeinsam getroffen. Wenn Inna Snow stirbt, wird einer der Klone, der ihr in Alter, Temperament und Fähigkeiten ähnelt, ihren Platz einnehmen. Also ist die Präsidentin Inna Snow wirklich unsterblich… so gut wie unsterblich.«

»Dann ist ja klar, warum sie einen Schleier trägt«, sagte ich. »Sie würde so viele Zwillinge haben, dass sich die Leute Gedanken darüber machen würden!«

»Sicher. Die Geheimdienste des Imperators würden sich sofort mit den Klonen befassen, die auf den Planeten des Imperiums leben. Es sind nicht mehr allzu viele, die Mehrheit ahnt nichts davon, aber trotzdem… warum sollte man dem Feind zusätzliche Trümpfe in die Hand geben?«

»Inna Snow…«, sprach ich vor mich hin. »Inna Snow… Alla Neige?«

Oma Ada lächelte:

»Kluges Kerlchen. Die Namen aller weiblichen Klone entsprechen einem gemeinsamen Prinzip — meistens vier Buchstaben, in der Mitte zwei Konsonanten, manchmal auch nur einer. Inna, Inga, Anna, Ada… Die Familiennamen sind auf diese oder jene Weise mit ›Schnee‹ verbunden: Moros, Winter, Snjeg, Eis, Froid — in allen Sprachen der Welt.«

»Elli«, sagte ich. »Sie gehört zu den allerletzten, stimmt’s?«

»Stimmt.« Die Alte nickte. »Elli Cold.«

»Und wie heißen Sie?«, wollte ich wissen. »Ada Eis?«

»Schnee«, antwortete Oma Ada. »Als ich geboren und mir meiner selbst bewusst wurde… und das war ziemlich eigenartig, sich auf einmal in einem fremden Körper wiederzufinden… in einem Frauenkörper… hatte es draußen mächtig geschneit. Eduard nahm mich an die Hand und führte mich aus dem Labor. Wir tranken im Schneegestöber Wodka, starken russischen Wodka, tanzten, hielten uns an den Händen und lachten beim Gedanken an unsere Verrücktheit.«

»Verrücktheit?«, wiederholte ich. Und stellte mir vor, wie Mann und Frau, die in Wirklichkeit ein und dasselbe sind, im Schnee tanzen.

Wie furchtbar.

»Wie soll man es sonst nennen? Natürlich ist das verrückt. Ich wählte den Namen Ada, der gut zum Namen meiner Matrize passte. Den Familiennamen — Garlitzki — beschloss ich zu ändern. Ada Eis klang zu aggressiv. Ich suchte mir Schnee aus.«

»Ich werde Sie töten«, rief ich. Ich streckte meine Hand aus und spürte, dass die Schlange im Ärmel schon seit langem zum Angriff bereit war. »Ich bringe Sie um, Ada Schnee!«

Die Alte lächelte. »Mir hat es entschieden besser gefallen, als du mich Oma Ada genannt hast!«

»Das werden Sie überstehen. Sie sind nicht meine Oma«, flüsterte ich.

»Natürlich bin ich nicht deine Oma. Ich bin deine Matrize, Tikkirej Frost.«

Kapitel 5

Ich hatte nie darüber nachgedacht, warum ich einen anderen Familiennamen als meine Eltern trug. Auch nicht, als ich mit Mama in der »Kinderwelt« gewesen war und wir die Kartothek durchgeblätterthatten,ummireinzukünftiges Geschwisterchen auszusuchen, für den Fall, dass die Eltern reich würden. Alle Kinder in der Kartothek hatten bereits Vor- und Familiennamen, es war üblich, dass diese von den biologischen Eltern gegeben wurden. Deshalb war es nicht schwer, dahinterzukommen… Aber ich hatte niemals derartige Gedanken gehegt. Vielleicht deshalb, weil fast alle meine Klassenkameraden von ihren Eltern im Geschäft gekauft worden waren, da die Ärzte nicht empfahlen, sich auf Karijer natürliche Kinder anzuschaffen.

Mich hat das eigentlich nie interessiert.

Aber ein Klon von Ada Schnee wollte ich nicht sein.

»Das ist nicht wahr«, sagte ich. »Sie lügen.«

»Na ja, ich bin nicht ganz deine Matrize, Freundchen. Eher sind wir Klon-Bruder und Klon-Schwester, da du ein Klon von Eduard Garlitzki, meiner Matrize, bist. Einer seiner letzten Klone.«

»Das ist nicht wahr«, wiederholte ich. Und ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen.

Ich hatte keinen Bruder bekommen. Und keine Schwester. Die Eltern schafften es nicht, reich zu werden. Dabei hatten wir uns schon für ein Mädchen entschieden — nach der Computermodellation von Charakter und Aussehen. Sie war sehr lustig und quirlig, sie gefiel den Eltern und mir außerordentlich. Ich hätte lieber eine Schwester als einen Bruder gehabt.

Und hier war nun meine Schwester. Und das ekelhafte Mädchen Elli war auch meine Schwester. Und die nette Anna aus dem Motel. Und die Direktorin des College. Und die Präsidentin Inna Snow.

Und außerdem gab es noch einen Haufen Brüder.

»Es ist die Wahrheit, Tikkirej«, sprach Oma Ada. »Und du weißt, dass ich nicht lüge. Warum hätte ich mich wohl mit dir abgeben sollen, was glaubst du wohl?«

»Ich brauche Sie nicht!« Ich wich zurück, bis ich mit den Ellenbogen an die Wand stieß. Oma Ada saß da, schaute mich kurz an und schwieg. »Ich lasse Sie nicht in mein Gehirn eindringen!«

»Niemand hat vor, dich dazu zu zwingen«, erwiderte Oma Ada, auf einmal erbost. »Alle diejenigen, die es abgelehnt haben, ihr Bewusstsein zu vereinigen, leben ihr eigenes Leben! Das Einzige, was von dir gefordert wird, ist, dass du auf unserer Seite stehst.«

»Wieso?« In meiner Panik glaubte ich, dass man mich in irgendeinen Apparat wie die Flasche für Module stecken könnte. Und mich zwingen würde, für sie zu arbeiten.

»Unser Gehirn ist ein zu kostbares Instrument, um es dem Gegner in die Hände zu geben«, meinte Oma Ada ernsthaft. »Wir alle sind talentiert, jeder auf seine eigene Art, aber talentiert. Wenn du schon aus irgendeinem Grund nicht auf unserer Seite stehen willst, dann sei auch nicht gegen uns.«

Ich schüttelte den Kopf.

»Setz dich, Tikkirej!«, kommandierte Oma Ada unbarmherzig. Und ich spürte in ihrer Stimme dieselbe Intonation, derer sich sowohl die Phagen als auch Inna Snow bedienen konnten. Das nennt sich imperative Sprache. Zuerst folgt der Mensch, und danach beginnt er zu denken…

Meine Gedanken führte ich auf dem Fußboden sitzend zu Ende.

»Tikkirej Frost, wir haben dich zu spät entdeckt«, fuhr Oma Ada fort. »Erst nach deiner Flucht vom Karijer und deinem Auftauchen auf Neu-Kuweit. Es wurde beschlossen, nichts zu unternehmen, der Planet wurde sowieso auf die Vereinigung vorbereitet. Aber du warst verschwunden. Die Phagen haben trotz allem herausgefunden, wer du bist.«

»Stasj wusste nicht, wer ich bin!«

»Er wusste es nicht? Und ihr wart zufällig im selben Motel? Und er hat sich einfach so dazu entschieden, dir zu helfen?«

»Ja!«

Oma Ada schüttelte voller Zweifel den Kopf. »Und was glaubst du, warum sie dich zurückgeschickt haben? Das schwierige und teure Unternehmen, wieso?«

Ich schwieg.

»Den Phagen war klar, dass ihnen ein Juwel in die Hände gefallen ist.« Oma Ada lächelte. »Aber sie wussten nichts damit anzufangen. Inna Snow erpressen? Das wäre dumm. Wir hätten wegen eines Klons keine Zugeständnisse gemacht. Daraufhin beschlossen sie, dich als Köder zu verwenden. Nach Neu-Kuweit zurückzubringen und zu beobachten, was passieren wird. Wer den Kontakt zu dir sucht, welche Kräfte beteiligt sind. Du wurdest benutzt, verstehst du das? Deine wohlwollenden Phagen haben dich, einen völlig unschuldigen Jungen, benutzt!«

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