Литмир - Электронная Библиотека

»Wir haben vierhundert.«

»Einen Teil lassen wir hier. Schicken Sie es mit dem Abendflug nach, mit den entsprechenden Entschuldigungen.«

Der Schichtleiter lachte spöttisch. »So? Haben Sie überhaupt eine Ahnung davon, welche Querelen so ein Passagier machen kann, wenn ihm ein Koffer fehlt?«

»Sie können mir glauben, dass ich es ahne. Nehmen Sie eine?«

»Äh… ja. Danke. Von der Erde?«

»Genau. Echter Tabak wächst nur auf der Erde.«

»Ich würde nicht sagen, dass der vom Edem schlechter ist.«

»Er ist nicht schlechter, er ist ganz anders. Andere Sonne, anderer Boden, anderes Wasser… Also was, verstauen wir es in den Laderaum?«

»Wenn ich mich nicht irre, kann man den zweiten Frachtraum während des Fluges nicht betreten.«

»Stimmt. Nicht so schlimm, sie werden es schon mal zwei Tage lang ohne einen zusätzlichen Smoking aushalten. Na los, laden wir diesen Eisschrank ein… soll Miss Smith den dazugehörenden, im Raumschiff eingebauten, benutzen, das schadet nichts. Und noch die Tasche und den Koffer. Und den da schickt ihr abends nach. Vielleicht vermissen sie ihn gar nicht sofort!«

Mir brach der Schweiß aus. Nicht etwa deshalb, weil der Koffer, in dem ich lag, derjenige sein könnte, der auf Neu- Kuweit zurückblieb.

Zum Frachtraum gab es während des Flugs keinen Zutritt! Das bedeutete, dass Natascha zwar in der Anabiosekammer, aber nicht in Anabiose in den Zeittunnel eintreten würde. Ihre Zellen würden spüren, dass sich die Welt um sie herum verändert hat… und sterben.

Was nun?

Was sollte ich nur machen? Schreien? Aber Stasj hatte befohlen, auf keinen Fall Lärm zu schlagen!

Und Natascha ahnte sicher nicht einmal etwas von der drohenden Gefahr! Das Fenster in der Anabiosekammer war schallisoliert.

Was sollte ich machen?

»Sagen Sie, wo haben Sie diese Zigaretten her? Ich bin kein großer Kenner, aber mein Schwiegervater…«

»Sie sind natürlich geschmuggelt. Auf Inej-3 wurde eine große Menge beschlagnahmt und auf einer Auktion zum Nominalpreis ans Personal verkauft.«

»Aha.« In der Stimme des Schichtleiters klang Neid. »Bei uns gibt es so etwas nicht.«

»Beschweren Sie sich bei der Gewerkschaft. Diese Ausverkäufe sind auf Inej üblich. Sie steigern spürbar die Aufmerksamkeit des Personals. Ha-ha!«

Der Schichtleiter fiel in das Lachen ein. Dann sagte er:

»Gerade solche, die nicht kontrolliert werden, schmuggeln.«

»Manchmal. Einmal hatten wir den Botschafter von Geraldika, das ist so ein unbedeutender Planet, befördert… Hallo, kommt hierher! Das, das und das in den Frachtraum, in den zweiten! Festzurren braucht ihr nicht, ich kümmere mich selbst ums Gepäck.«

»Und das«, gemeinsam mit dem Koffer schwankte ich von einem leichten Stoß, »in die Gepäckaufbewahrung, vorübergehend!«

Mir war nach Schreien zumute. Mir war außerordentlich nach Schreien zumute, als der Koffer mit mir irgendwohin getragen wurde, manchmal gegen Türeinfassungen schlug und letztendlich fluchend auf dem Boden abgestellt wurde.

Aber ich schwieg. Stasj hatte befohlen zu schweigen, egal, was passieren würde. Ich schwieg und schaffte es sogar, lautlos zu weinen. Ich bemühte mich um Haltung wie ein Erwachsener, ein richtiger Mann, ein Phag.

Nur dass ich erneut in die Windel machte, ich konnte es nicht länger aushalten.

Kapitel 4

Ich hasse es, hilflos zu sein. Insbesondere dann, wenn es sich dabei um körperliche Hilflosigkeit handelt. Wenn mich zum Beispiel ein älterer Schüler schnappte, den gerade ein Knirps von den oberen Stockwerken aus mit Wasserbomben beworfen hatte, meinen Kopf in ein volles Waschbecken steckte, mich darin festhielt und dabei dozierte: »Das bekommst du nicht dafür, dass du mein Hemd schmutzig gemacht hast, sondern weil ihr kleinen Dummköpfe gutes Wasser vergeudet!« Dann versuchte ich in dieser Situation, den Mund voller Wasser und der ältere Schüler doppelt so groß und stark, zu beweisen, dass ich gar keine Dummheiten gemacht, sondern lediglich daneben gestanden und zugesehen hatte. Das Schlimmste an dieser Hilflosigkeit ist jedoch die Ausweglosigkeit, wenn man ganz genau weiß: Alle Anstrengungen sind umsonst, und ganz egal, was man macht, es ist immer falsch. Nämlich dann, wenn man sein Schluchzen zurückdrängt und dem Fiesling erklärt, dass man überhaupt nicht die Wasserbomben auf ihn geworfen, sondern nur zugesehen hat, dann wird man zur Belohnung nochmals mit dem Kopf ins Becken getaucht. Dieses Mal deshalb, weil man zugesehen hat, ohne die Kleinen von ihrem Tun abzuhalten. Jetzt befand ich mich in derselben Situation. Ich saß im Koffer wie Schrödingers Katze in ihrer Kiste. Solange ich nicht gehandelt hatte, war nicht klar, wie ich hätte handeln müssen. Sollte ich Lärm schlagen, um Natascha zu retten? Oder lieber still bleiben und mich darauf verlassen, dass Stasj alles rechtzeitig aufklärte und in Ordnung brachte?

Ich musste nur einen Laut von mir geben und schon würde Schrödingers Kiste geöffnet. Und sofort würde sich herausstellen, dass ich genau das Falsche gemacht, alles verhunzt und alle verraten hätte.

Wenn ich jedoch keinen Laut von mir gäbe, würde ich trotzdem irgendwann gefunden. Der Koffer würde geöffnet, und ich müsste erfahren, dass ich hätte schreien sollen, um Natascha zu retten, damit Stasj hätte einen Weg finden können, um alle Probleme zu lösen…

Kurz gesagt, ich hatte ganz einfach Angst, eine Entscheidung zu treffen und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Aber ich hatte mich schon vor langer Zeit davon überzeugen können, dass ich, wenn ich völlig hilflos war und nicht wusste, was ich machen sollte, besser gar nichts machte. Dann war der Schaden am geringsten. Wenn es jedoch eine auch noch so kleine Möglichkeit des Gelingens gab, dann wäre es besser, zu handeln…

Leider sah ich überhaupt keine Möglichkeit. Ganz und gar keine. Mir blieben nur Stasj’ Worte: »Unternehmt nichts! Verlasst euch auf mich!«

Und ich verließ mich auf ihn. Ich krümmte mich im Koffer zusammen, schluckte meine Tränen herunter, spürte die erniedrigend nasse Windel an mir und schwieg. Der Koffer stand bestimmt schon eine halbe Stunde herum, rings um mich war es still, als ob man ihn vergessen hätte. Als Stasj die Kleidung über mich legte, hielt ich meine Hand günstig, sodass sich die Uhr vor meinen Augen befand und ich die Zeit erkennen konnte, ohne mich groß bewegen zu müssen, da ich mit der Nase den Knopf für die Beleuchtung drücken konnte.

Endlich hörte ich Lärm, das Knarren von sich öffnenden und schließenden Türen, schlurfende Schritte. Ich hörte ein Murmeln, als ob jemand Selbstgespräche führen würde.

»So nicht, meine Herrschaften, so geht das nicht… So funktioniert das nicht… Wie kann man bloß ohne Einlagerungsquittung Sachen abstellen? Und wenn Ihr Mister Smith nun behaupten würde, dass in seinem Koffer ein Brillant von einem halben Zentner Gewicht wäre, was dann? Und wenn in seinem Koffer ein Käfig mit dem Lieblingshamster ist und das Tierchen abkratzt?«

Die Stimme war weiblich und alt, vor meinen Augen erschien bildhaft ein Mütterchen von hundert Jahren, das sich in der Gepäckaufbewahrung des Kosmodroms ihre Rente aufbesserte. Beinahe hätte ich gelacht. So sieht also die Immunität des Gepäcks in Wirklichkeit aus! Der Cargomeister hatte es nicht riskiert, hineinzuschauen, der Schichtleiter, die Gepäckträger — alle hatten Bedenken, den Koffer zu scannen.

Aber die Alte, die nichts mehr schrecken konnte, machte sich daran, ein von der Überprüfung ausgeschlossenes Gepäckstück zu öffnen!

Sie würde sich ordentlich wundern, wenn sie gleich den »Hamster« entdeckte!

Ich hegte eine kurze Hoffnung, dass sie mit den Schlössern nicht zurechtkommen würde. Sie waren immerhin mit einem komplizierten elektronischen Code ausgerüstet, eine spezielle Schlüsselkarte war notwendig… Ich hoffte darauf, wünschte aber gleichzeitig, dass der Koffer geöffnet wurde. Alles war besser als diese Ungewissheit.

92
{"b":"123221","o":1}