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Das Auto näherte sich einem Raumschiff. Es war genau so einefliegendeUntertasse,bedecktmitgrauen Keramikschuppen, wie das von Stasj.

Das ist sicherlich der am meisten verbreitete Raumschifftyp bei den Phagen.

Der Pilot stand an der offenen Eingangsluke. Er war älter als Stasj, grüßte jedoch als Erster, und mir schien, dass Stasj sein Vorgesetzter war.

»Hier bringe ich dir also deine Schutzbefohlenen«, sagte Stasj.

»Guten Tag, Tikkirej! Guten Tag, Lion!« Der Pilot gab uns die Hand. »Ich heiße Sjan Tien.«

Es entstand eine unerquickliche Pause. Wir hatten noch Zeit bis zum Abflug, Stasj wollte uns nicht verlassen und wir fanden kein Gesprächsthema.

»Ist die Stealthkapsel in Ordnung?«, bemühte sich Stasj um einen Gesprächsbeginn.

»Ja, ich habe sie überprüft«, erwiderte Tien. »Die Jungs werden unbemerkt landen, niemand wird auf sie aufmerksam werden. Habt ihr euch schon einmal absetzen lassen?«

»Nein«, antwortete ich.

»Ja«, rief Lion aus, »dass heißt, nein!«

Tien hob erstaunt seine Augenbrauen. Dann konzentrierte er sich und gab einen Befehl über den Shunt. Im Bauch des Raumschiffs öffnete sich ein Luke.

Die Stealthkapsel ähnelte am ehesten einer Linse mit einem Durchmesser von zwei Metern. Sie war völlig transparent.

»Ist sie aus Glas?« Ich staunte.

Lion lachte. »Mann, bist du naiv, das ist stabilisiertes Eis!«

»Richtig«, bestätigte Tien und schaute voller Respekt auf Lion. »Das ist Eis-23, eine hyperstabile Form. Vor dem Abwurf wird die Kapsel mit einem Zerfallkatalysator besprengt und in einer Stunde verwandelt sie sich in eine Wasserpfütze. Aber bis dahin seid ihr gelandet.«

»Und wo sind hier die Motoren?«, fragte ich verwundert.

Stasj und Tien sahen sich an.

»Hier gibt es keine Motoren, Tikkirej«, sagte Stasj liebevoll. »Und keine Geräte. Nichts, nur Eis. Beim Abwurf auf einer niedrigen Umlaufbahn wird die Kapsel aerodynamisch abgebremst. Die Belastung kann bis auf drei ›g‹ ansteigen… Das ist normal für Menschen mit einem standardmäßig verbesserten Genotyp.«

»Ich halte auch sechs ›g‹ ohne Probleme aus«, bemerkte Lion stolz.

»Fürchtest du dich, mein Junge?«, fragte mich Tien. »Du brauchst keine Angst zu haben. Die Stealthkapsel ist zuverlässiger als jedes Raumschiff. In ihr kann nichts kaputtgehen, verstehst du? Und sie kann von keinem System der kosmischen Verteidigung erkannt werden. Das ist Eis, einfach Eis.«

Mir wurde klar, dass sie Recht hatten. Und trotzdem war mir eigenartig zumute.

»Ich musste bislang sechs Mal in so einer landen«, erläuterte Stasj. »Zweimal im Training und viermal während einer Mission. Einmal davon auf einem kämpfenden Planeten.«

»Werden wir denn nicht erfrieren in ihr?«, wollte ich wissen.

Die Phagen begannen zu lachen.

»Ich werde euch eine Decke geben«, versprach Tien. »Ihr werdet nicht erfrieren, na… vielleicht bekommt ihr einen Schnupfen.«

»Dann geben Sie mir auch noch ein Taschentuch«, bat ich.

Wir verabschiedeten uns von Stasj. Er umarmte uns kräftig, strich Lion über den Kopf und zwinkerte mir zu, wobei er mit den Augen auf die Schlange wies. Dann setzte er sich in sein eigenartiges und nicht im mindesten heldenhaftes Auto.

»Kommt, Jungs!«, sagte Sjan Tien. »Der Flug dauert fünf Tage, wir schaffen es noch, uns miteinander bekannt zu machen. Es gibt keinen Grund, den Start hinauszuzögern.«

Dritter Teil

Leben — zweiter Versuch

Kapitel 1

Eine Stunde vor dem Eintritt in die Atmosphäre von Neu- Kuweit gingen wir zur Stealthkapsel. Der kalte, blitzende Eisbrocken nahm fast den ganzen Platz im Schleusenabteil ein.

Tien öffnete die Luke, die ebenfalls aus Eis war und sich von außen oder innen zuschrauben ließ. Er gab uns einen einfachen Stoffsack mit chemischen Reagenzien zum Frischhalten der Luft. Die Reagenzien waren für drei Stunden ausgelegt, das war mehr als ausreichend.

Eine Decke gab er uns natürlich nicht. Eine Decke wäre schon ein Hinweiszeichen auf unsere Herkunft. Stattdessen legten wir uns auf geflochtene Grasmatten. Anstelle von Riemen hatten wir Grasseile.

Das Gras kam von Neu-Kuweit. Genauso wie unsere Kleidung, das Taschenmesser und die Angelrute mit dem Ultraschallblinker. Die Phagen bereiten alles sehr gründlich und gewissenhaft vor.

»Na, ist es gemütlich?«, fragte Tien.

In der Kapsel war lediglich Platz zum Liegen. Ohne Zeit zu verlieren, befestigte Lion gleich seine Füße, indem er die Grasseile in die ins Eis eingelassenen »Ösen«, ebenfalls aus Eis, einband.

»Man kann es aushalten«, meinte ich, obwohl mein Herz rasend schnell schlug. »Mach schon, es ist alles in Ordnung.«

Tien war in Ordnung. Während des Fluges hatten wir mit ihm so etwas wie Freundschaft geschlossen. Er erlaubte uns sogar, das Raumschiff im Zeittunnel zu fliegen, natürlich stand er uns die ganze Zeit zur Seite. Außerdem brachte er uns bei, wie man kämpft. Einige Techniken der Phagen verlangen nämlich nicht die Kraft eines Erwachsenen. Über Inej sprachen wir auch, aber darüber konnte Tien nur wenig berichten.

»Ich werde auf euch aufpassen, Jungs!« Tien deutete auf das Auge der Videokamera in der Decke der Schleusenabteilung. »Wir werden nicht miteinander sprechen können, aber wenn ihr es euch anders überlegt habt und euch nicht aussetzen lassen wollt — erregt meine Aufmerksamkeit! Winkt mit den Händen, klopft an die Wände. Macht aber auf keinen Fall von innen die Luke auf, man weiß nie!«

»Wir überlegen es uns schon nicht anders, Tien«, nuschelte Lion. »Geh schon, du musst zum Steuerpult zurück.«

Tien nickte und begann die schwere Eisluke zu schließen. Wir halfen ihm von innen. Endlich fasste die Schraube und der Phag begann sie festzuziehen. Sofort wurde es still. Man konnte hören, wie Lion schnaufte, als er Tien half. Ich ließ meine Hände hängen und schaute mir den Phagen durch den dicken, transparenten Korpus an. Das Eis veränderte die Gesichtszüge, Tien sah aus wie in einem Zerrspiegel: riesengroße Nase, kleine Äuglein, krummes Kinn. Lustig… Aber wir sahen für ihn ja auch total verkrüppelt aus.

Ich winkte Tien zu.

Als die Luke fest zugeschraubt war, holte Tien aus seiner Brusttasche ein Reagenzglas, brach das zugeschweißte Ende ab und spritzte lässig eine Flüssigkeit auf die Oberfläche der Kapsel. Eigentlich geschah nichts, der Phag machte jedoch einen durchaus zufriedenen Eindruck. Ermutigend klopfte er auf die Kapsel — das Eis antwortete mit einem tiefen, dumpfen Ton — und verließ die Schleusenkammer über eine kurze Treppe. Die innere Luke wurde zugeschlagen. Ein Glück, dass das Licht in der Schleusenkammer nicht ausging!

»Wenn der Katalysator nicht funktioniert, zerbricht die Kapsel in der Atmosphäre!«, ließ sich Lion mit Grabesstimme vernehmen. »Kannst du dir das vorstellen? Peng — und uns gibt es nicht mehr!«

Ich bekam eine Gänsehaut.

»Und du? Ist dir überhaupt nicht unheimlich?«, wollte ich wissen.

»Nein. Ich bin damit schon ausgesetzt worden. Na ja, nicht wirklich, sondern im Traum.«

Ich ahnte, in welchen Träumen, und deshalb fragte ich gar nicht erst nach.

»Mach dir keine Gedanken!« Lion schaute mich beschämt an. »Hyperstabiles Eis ist eine zuverlässige Sache. Es beginnt zu verdampfen, wenn wir in die Atmosphäre eintreten. Vor uns wird sich eine Plasmawolke bilden, aber das verdampfende Eis schafft einen Puffer aus Dampf. Es ist alles durchdacht. Dann bilden sich die Flügelblätter und wir beginnen mit der Autorotation.«

»Und wenn wir auf Felsen stürzen?«

»Das wäre schlecht«, meinte Lion. »Da kann man sich ordentlich was brechen. Tja, und wenn wir mitten im Meer landen und es nicht ans Ufer schaffen…«

Er zog mich natürlich auf. Tien sagte, dass die Landestelle auf zehn Kilometer genau berechnet war und wir im Wald landen würden. Deshalb müsste man sich darum keine Sorgen machen. Jetzt verstummte aber auch Lion. Er konnte immer noch nicht gut schwimmen. Vor der Landung in der Stealthkapsel hatte er keine Angst, aber das Wasser flößte ihm nach wie vor Furcht ein.

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