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Bis nach Hause schwiegen wir. Den ganzen Weg über träumte Lion süß und bekam gar nichts von unserem Gespräch mit.

Ramon hielt vor dem Haus, stieg gemeinsam mit uns aus und begleitete uns zur Wohnung. Als ob er einen Hinterhalt im Treppenhaus erwartete. Danach umarmte er uns schweigend und ging, ohne sich zu verabschieden.

Wir legten uns schlafen. Stasj kam früher als vorgesehen, um halb zehn. Ich hatte bereits gepackt, stellte die Wohnungsautomatik auf Warteregime, kontrollierte, ob alle Fenster geschlossen waren, und zog mich für die Fahrt an. Wir nahmen keine Kleidung mit, auf dem Raumschiff würden wir etwas bekommen, das zu unserer Legende passte. Lion bummelte noch im Bad herum. Er war so ein Sauberkeitsfanatiker geworden, dass man verrückt werden konnte: Seine Zähne putzte er dreimal am Tag, war nicht glücklich, wenn er nicht morgens und abends duschen konnte, seine Nägel schnitt er so weit wie möglich herunter und auch seine Haare waren sehr kurz. Es kam mir so vor, als ob das bei ihm eine Folge der Arbeit im Dauerbetrieb wäre, aber ich sprach nicht darüber.

»Seid ihr fertig?«, fragte Stasj ohne wirkliches Interesse, eher der Ordnung halber, und blieb in der Tür stehen.

»Na klar!«, ich wies mit dem Kopf auf die Badtür. »Gleich, er ist gleich fertig.«

Stasj nickte. Aus dem Badezimmer hörte man Wasser rauschen und ein Blubbern — Lion versuchte zu singen, während er die Zähne putzte.

»Habt ihr Angst?«, wollte Stasj wissen.

»Ich hatte niemals Angst vor dem Fliegen«, sagte ich ärgerlich. »Und Lion ist im Kosmos aufgewachsen, auf einer Station…«

»Das weiß ich. Ich frage nicht wegen des Fluges, Tikki. Fürchtet ihr euch nicht vor Neu-Kuweit?«

Ich überlegte und antwortete ehrlich: »Ein bisschen. Dort wurde doch allen ins Gehirn gespuckt. Aber wir haben uns darauf vorbereitet und überhaupt… Ramon sagt, das alles gut gehen wird.«

»Vielleicht werde ich auch auf Neu-Kuweit sein«, sagte Stasj. »Sollte plötzlich…« Er zögerte. »Wenn wir uns zufällig sehen sollten, dann lasst euch nicht anmerken, dass ihr mich kennt.«

»Grüß dich, Stasj!« Lion kam aus dem Bad.

»Hallo!« Stasj nickte ihm zu. »Lion, wenn wir uns zufällig auf Neu-Kuweit treffen, dann denkt daran — wir kennen uns nicht.«

»Hältst du uns für Idioten?«, fragte Lion scharf. »Na sicher!«

»Ich möchte, dass ihr das alles ernst nehmt, Jungs«, sagte Stasj. »Inej ist die größte interne Gefahr für die Menschheit seit der gesamten galaktischen Expansion. Im Vergleich zum Inej waren sogar der katholische Djihad oder die Liga der Wiedergeburtnichtmehralsunwichtigesoziale Abweichungen. Fürchtet euch nicht, denn Furcht löst Panik aus. Aber seid vorsichtig. Immer! Zu jeder Zeit! Wenn ihr euch auf einen Stuhl setzt, seid darauf gefasst, dass er unter euch zusammenbricht! Wenn ihr einem Menschen die Hand gebt, wundert euch nicht, wenn sich seine Hand in eine Schnauze mit scharfen Zähnen verwandelt. Merkt euch, auf Neu-Kuweit könnt ihr nur euch gegenseitig trauen.«

Ich nickte.

»Lion, dich betrifft das ganz besonders!«, fügte Stasj leise mit einem entschuldigenden Unterton hinzu.

Lions Gesicht wurde ernst.

»Ich verstehe. Ich… ich werde nichts Überflüssiges sagen. Nicht einmal meiner Mutter.«

Stasj schaute ihn einen Augenblick lang an und sagte dann: »Gut. Geh dich bitte anziehen.«

Als Lion im Schlafzimmer war, wandte sich Stasj wieder mir zu: »Was ist mit der Peitsche?«

Statt einer Antwort zeigte ich mit meinen Fingern auf den Gürtel in der Jeans. Es war kein außergewöhnlicher Gürtel, silbern und metallglänzend. Der Verschluss hatte die Form eines Schlangenkopfes.

»Das wird gehen«, stimmte Stasj zu. »Hast du sie selbst angelegt?«

»Ja. Das ist ganz einfach. Man muss sich nur vorstellen, was man will…«

Stasj nickte und ich unterbrach meinen Redefluss. Wem erkläre ich denn auch, wie man mit einem Schlangenschwert umgehen muss? Einem echten Phagen!

»Ich hoffe, dass du mit ihr keine Dummheiten gemacht hast!«, erkundigte sich Stasj.

»Wie… Welche?«, erwiderte ich verwirrt.

Vor einem Tag hatte ich herumexperimentiert, überprüft, was das Schlangenschwert zerstören konnte und was nicht. Es stellte sich heraus, dass es ohne Schwierigkeiten Holzstücke in dünne Scheiben zerschlagen, eine zentimeterdicke Stahlstange verbiegen und ohne Probleme Löcher in Glas fressen konnte.

»Die größte Dummheit wäre der Versuch, den Hauptakkumulator in die Peitsche einzulegen«, erklärte Stasj. »Dann entdeckt auch der primitivste Detektor, dass es sich dabei um eine Waffe handelt.«

»Also, das habe ich nicht versucht. Woher sollte ich denn auch einen nehmen?«

»Eine Peitsche ist eine universelle Waffe. Sie passt sich an verschiedene Energiequellen an. Zur Not kann man eine beliebig starke Batterie benutzen, zum Beispiel von einem Staubsauger oder einem Haushaltsschraubenzieher. Sie hält natürlich nicht lange vor, aber zwei bis drei Schüsse kann die Peitsche abgeben.«

Stasj lächelte und zwinkerte mir kaum merklich zu.

Am liebsten hätte ich vor Wut aufgeheult. Das bedeutete ja, dass ich das Schlangenschwert richtig hätte ausprobieren können!

»In einigen Fällen haben ähnlich improvisierte Batterien den Phagen das Leben gerettet«, fuhr Stasj fort. »In deinem Fall bedeuteten sie eine tödliche Gefahr.«

Ich nickte.

»Tikkirej, kann ich mich auf deinen gesunden Menschenverstand verlassen?«, fragte Stasj.

»Das können Sie…«

»Dann ist es ja gut.«

Lion erschien. Er schaute fragend auf Stasj und dieser nickte.

»So, es ist Zeit. Gehen wir, Jungs!« Die Fahrt zum Kosmodrom der Phagen dauerte länger als eine Stunde. Wir sprachen weder über Inej noch über Neu-Kuweit. Stattdessen erzählte uns Stasj über den Planeten Avalon, dessen Kolonisation, die Zeit des ersten Imperiums und der Übergangsregierung, über die Geschichte der Eroberung des Nordkontinents, die einheimische Flora und Fauna des Avalon, die nur in Naturschutzgebieten überlebt hat.

»Diese Art Kolonisation wird jetzt schon nicht mehr durchgeführt«, erläuterte Stasj. »Mittlerweile wird zuerst eine Ausgangsstation mit Wohntrakt errichtet. Man baut ein Kosmodrom und beginnt mit der punktuellen biologischen Bereinigung. Es vergehen mindestens fünfzig Jahre, bis sich der Planet terraformiert, also sich Erdbedingungen annähert. Dafür gibt es keine Überraschungen, keine Ungeheuer, die dich zuerst fressen und danach an der Fleischvergiftung durch außerplanetarisches Eiweiß sterben. Avalon wurde ganz nebenbei kolonisiert, um Camelot herum blühten schon Apfelbäume, weiter entfernt befand sich der Ring der Biobereinigung. Und als der größte Teil der Landgebiete bereits gesäubert war, existierte in den Ozeanen noch die einheimische Fauna. Jetzt findet man sie nur noch im historischen Meer, das vom Ozean durch einen Damm abgetrennt wurde. Dort gibt es natürlich keine Mantelrochen oder Killerwale mehr und das ist auch besser so…«

»Früher wollte ich Biologe werden und Planeten terraformieren«, sagte Lion.

»Eine gute Arbeit«, stimmte Stasj zu. »Und nun?«

Lion schüttelte den Kopf. »Nicht mehr. Es ist viel interessanter als Pilot. Aber ich möchte nicht auf einem Raumschiff mit Modulen fliegen.«

»Wenn du groß bist, wird es sie, so hoffe ich, schon nicht mehr geben«, ermunterte ihn Stasj. »Wenn die Gelkristallprozessoren Erfolg versprechend sind, werden sie die Menschen ersetzen.«

Und er begann über Technik zu sprechen. Vielleicht hatte er auch wirklich Freude daran, aber ich hatte den Eindruck, dass er uns einfach beruhigen wollte.

Warum machen sich die Erwachsenen nur immer größere Sorgen um Kinder als diese selbst? Am Eingang wies Stasj seinen Ausweis vor und wir wurden auf das Flugfeld gelassen. Dort standen vielleicht zwei Dutzend Raumschiffe, hauptsächlich kleine. Unter ihnen waren jedoch auch ein echter Militärkreuzer und ein großes Raumschiff für Luftlandeunternehmungen. Die konnten auf keinen Fall ohne Module in den Zeittunneln fliegen… Aber ich fragte Stasj nicht danach. Ich war ja nicht mehr klein. Ich verstand alles.

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