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»Wovon sprechen Sie?«

»Also, die Phagen, die stehen doch im Dienst des Imperators, weißt du das? Von Anfang an hatten sie beschlossen, nur den höchsten Idealen, nämlich dem Imperium und der Menschheit als solches und nicht etwa dem Imperator und dem einzelnen Menschen, zu dienen. Tja, das ist an sich eine gute Sache, aber das Imperium und die Menschheit zahlen kein Geld — im Gegensatz zum Imperator.«

»Ja und?«, flüsterte ich.

»Und — muss die Flotte gewartet werden? Ja! Müssen neue Phagen ausgebildet werden? Ja! Müssen die Kranken und Verwundeten behandelt werden? Ja! Neue Technik, diese ganzen Plasmapeitschen, müssen entwickelt werden? Ja!

Weißt du überhaupt, wie viele ganz gewöhnliche Bürokraten unter den Phagen sind? Buchhalter, die Ausgaben zusammenzählen und Abschreibungsprotokolle der technischen Geräte gegenzeichnen? Wie viele Koordinatoren, Planer, Rechnungsprüfer, Presseattachés, Ärzte, Techniker, Masseure, Psychologen, Sanitärtechniker und Fernmeldetechniker es gibt? Das ist doch keine Gruppe Einzelner, das ist ein Staat im Staate, das sind Zehntausende, wenn nicht sogar Hunderttausende!

Hunderte kämpfender Phagen, das ist lediglich die oberste Spitze des Eisbergs. Und alle wollen gut essen und trinken, ein schönes Haus haben, ihre Familie versorgen. Damit, um Gottes willen, niemand einen Phagen bestechen könnte! Und wie viel kostet eine einzige geheime Landung einer hyperstabilen Eiskapsel auf einem feindlichen Planeten, was glaubst du wohl? Davon könnte man eine kleine Schule bauen! Und jetzt nutze dein Hirn, woher das Geld dafür kommt! Sicher, die Betriebe und Fabriken erwirtschaften gewisse Mittel, die Reichen spenden, Lotterien und Wohlfahrtslose werden genutzt… Aber das sind nur Tropfen auf den heißen Stein. Und vom Imperator wollen sich die Phagen nicht abhängig machen!

Das wäre ein Verstoß gegen ihre Prinzipien, ein Zusammengehen mit der Macht, Korruption und die Umwandlung in einen Apparat der Unterdrückung. Was geschieht also?«

»Was?«, fragte ich flüsternd.

»Dann wendet sich der Botschafter irgendeines Planeten an die Phagen und sagt: ›Ihr heiligen Dshedai-Ritter geltet als Verteidiger der Menschheit… rettet unseren Planeten vor religiösen Fanatikern, wir zahlen gut… besser, wir geben eine Spende…‹ Eine gute Sache! Also fliegt ein Kommando der Phagen los und tötet den geistigen Führer des Putsches.«

Ich war sprachlos. Ich schnappte nach Luft, als ob ich am Ersticken wäre.

»Vielleicht ist es auch umgekehrt«, fuhr Oma Ada erbarmungslos fort. »Zuerst erscheint der Abgesandte der religiösen Extremisten und sagt: ›Ihr heiligen Dshedai-Ritter geltet als Verteidiger der Menschheit… rettet unsere friedliche Sekte des gewaltfreien Glaubens an die göttliche Natur des Positrons vor den feindlichen weltlichen Mächten… wir zahlen gut… besser, wir geben eine Spende…‹«

»Und die Phagen?«

»Die Phagen helfen. Die Menschheit zu retten, ist wohl getan, wer wird das bestreiten. Aber woher nimmst du die ganzen Gefahren, vor denen du sie retten musst? Logischerweise gilt es auf etwas anderes auszuweichen. Deshalb endet der Krieg nie. Jetzt ist er lediglich aufgeflammt und für alle offensichtlich. Und wenn die Wissenschaftler des Imperators als Erste darauf gekommen wären, wie man den Menschen eine Gehirnwäsche verpassen kann, was hätten sie wohl getan?«

»Das glaube ich nicht«, wandte ich ein. »Der Imperator hätte niemals…«

»Was hätte er nicht? Warum nicht alle Menschen besser und ehrlicher machen, wenn das möglich wäre? Damit sich alle gegenseitig helfen, nicht stehlen und nicht töten. Was ist daran so schlecht?«

»Was ist dann schlecht an Inej und Inna Snow?«, antwortete ich mit einer Gegenfrage.

Oma Ada holte Luft: »Ich weiß es nicht, Kleiner. Ich weiß auch nicht, was daran schlecht ist, außer, dass der Imperator verdrängt wird.«

»Aber Inej erobert doch einen Planeten nach dem anderen«, meinte ich. »Zwingt alle zur Unterwerfung.«

»Die Menschheit lebt sowieso unter einer einzigen Macht«, erwiderte Oma Ada. »Erinnere dich ans Mittelalter, als sie zersplittert war, ein Krieg folgte auf den anderen.«

»Es geht nicht um die einzige Macht«, sagte ich. »Hauptkriterium ist doch, ob sie gesetzlich ist oder nicht.«

»Jede Macht ist zu Beginn ungesetzlich«, antwortete Oma Ada. »Das Imperium gründet sich auf den Bruchstücken der Kosmischen Föderation, die Föderation wiederum war ein Aufbegehren gegen das Matriarchat.«

»Aber die Macht muss ehrlich gewählt werden«, gab ich zu bedenken. »Die Menschen selbst müssen den Wechsel des Machthabers wünschen.«

»Das Volk entscheidet niemals und nichts selbst«, entgegnete Oma Ada. »Das Volk wählt die Macht, die ihnen am besten die Köpfe verdrehen kann.«

»Auch wenn eine Macht betrügt und Versprechungen gibt«, wandte ich ein, »nimmt sie nicht die Fähigkeit zum Denken!«

»Die Mehrheit der Menschen hat niemals von dieser Fähigkeit Gebrauch gemacht«, meinte Oma Ada. »Und diejenigen, die wie auch immer denken können, sie waren und sind die Macht.«

»Immer, wenn ein Machtwechsel nötig war, erfolgte er auch«, argumentierte ich. »Eine ewige Macht wäre das Ende der Menschheit.«

»Es gibt keine ewige Macht, mein Junge«, erwiderte Oma Ada. »Ja, die Föderation des Inej wird lange herrschen, aber auch sie wird abtreten müssen.«

»Die Präsidentin Inna Snow wird niemals jemandem die Macht überlassen«, sagte ich. »Sie hat sich geklont, die Macht wird von einem Klon zum anderen übergehen!«

»Ihre Klone sind selbständige Persönlichkeiten«, antwortete Oma Ada. »Wenn auch der Unterschied zwischen ihnen nicht groß ist, so wird er doch wachsen und die Menschheit wird einen neuen Weg beschreiten.«

»Ist es etwa ehrlich, wenn ein einziger Mensch die Macht immer wieder an sich selbst weitergibt?«, gab ich zu bedenken. »Dagegen hat jeder Bürger die Chance, mag sie auch noch so winzig sein, der neue Imperator zu werden!«

»Die Chance, ein Klon der Präsidentin zu sein, hat auch jeder Bürger«, meinte Oma Ada. »In der ganzen Galaxie leben Männer und Frauen, Jungen und Mädchen mit ihrem genetischen Material.«

An mir zog ein nebelhaftes Gaukelbild vorbei. Ich fragte leise: »Wie geht das?«

»Es betrifft nicht die Klone. Nicht nur die Klone, obwohl mit ihnen alles begann. Vor langer Zeit lebte ein Mensch, der sich vornahm, die Welt zu verändern. Sie besser und sauberer zu machen. Er klonte sich… aber nicht als Mann, sondern als Frau. Du kennst dich doch ein wenig in Genetik aus, mein Junge?«

Ich nickte. Ja, ich wusste, dass Männer sich weibliche Klone schaffen konnten, aber umgedreht war es nicht möglich. Alles wegen des Y-Chromosoms, das bei den Frauen fehlt.

»Einen Klon zu erschaffen ist nicht besonders schwer«, fuhr Oma Ada fort. »Ihn beschleunigt zu einem erwachsenen Wesen zu entwickeln — auch nicht. Schon schwieriger ist es, das eigene Bewusstsein in ein fremdes Gehirn zu übertragen und dabei die geistige Gesundheit zu erhalten. Ihm gelang es. Vielleicht hatte er einfach nur Glück. Vielleicht war auch der Mensch, der sich diese Aufgabe stellte, nicht ganz beieinander.«

Sie lächelte.

»Er selbst, die Matrize, wie die Genetiker sagen, und sein weiblicher Klon wollten nur das Eine: die Menschheit glücklicher machen. Auf ewig Krieg, Krankheit, Armut und Ungerechtigkeit abschaffen. Die Menschen vor den Fremden absichern. Und für die Verwirklichung dieses Plans brauchten sie Macht… die höchste Macht. Verstehst du?«

»Ja.«

»Aber dabei trennten sich ihre Wege. Die Matrize… der Mann… wollte leise und unauffällig die Macht ausüben. Auf die Entwicklung der Welt einwirken, ohne sich mit der Bürde der höchsten Macht zu belasten. Die Frau entschied sich dafür, das politische System der Menschheit zu verändern. Und so trennten sich ihre Wege. Ihnen war klar, dass sie anderenfalls gegeneinander um die Macht kämpfen müssten. Sie blieben Freunde, verabschiedeten sich voneinander und trennten sich für immer. Und gaben sich das Versprechen, zu siegen. Der Mann führte seine stille und unauffällige Arbeit weiter, er erforschte das menschliche Genom, um die Welt von innen heraus zu verändern, die Hülle des Imperiums zu erhalten, sie aber mit einer neuen Menschheit zu füllen. Die Frau ging anders an die Sache heran. Das war vor langer Zeit, etwa vor einem halben Jahrhundert. Die Menschheit verbreitete sich zusehends im ganzen Weltraum. Es wurden Menschen gebraucht. Und die Frau wurde eine Spenderin.«

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