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Sie schüttelte den Kopf, ging hinaus und das Türschloss klickte kurz.

Oma Ada war kaum verschwunden, als ich aufsprang und das Zimmer in Augenschein nahm.

Hatte ich richtig gehandelt, ihr alles zu gestehen? Vor allem, Stasj zu hintergehen? Aber was hätte ich denn anderes tun können, um Natascha zu retten? Und was machte es schon aus, redete ich mir zu, ob sich hinter dem Namen »Mister Smith« ein Phag verbarg oder nicht? Es war so und so klar, wer uns geholfen hatte, sich in den Koffern zu verstecken…

Nicht zu ändern, das war nachvollziehbar. Aber wenn mich die Alte nun verriet? Vielleicht sollte ich besser fliehen? Das Schlangenschwert öffnet das Schloss in zwei Arbeitsgängen.

Aber wohin fliehen? Dieses Mütterchen war nicht hirnamputiert, darin hatte ich Glück, aber die meisten Leute in der Umgebung waren ergebene Diener von Inna Snow.

Wenn Oma Ada Alarm schlägt, fangen sie mich auf alle Fälle. Und wenn sie keinen Alarm schlägt, brauche ich nicht zu fliehen, überlegte ich fieberhaft.

Ich musste sogar lachen, als mir klar wurde, dass von mir gar nichts mehr abhing. Überhaupt nichts! Was waren die Phagen bloß für Dummköpfe! Wie waren sie nur darauf gekommen, dass Lion und ich ihnen nützlich sein könnten? Wertvolle Informationen hatten sie nicht erhalten, die Aktion war aufgeflogen und Stasj unsertwegen ein Risiko eingegangen…

Ich ging zum Tisch zurück und schüttelte den Teekessel. Er war fast voll. In einem winzigen Handwaschbecken spülte ich die einzige Tasse aus und goss mir Tee ein. Ich kostete die Plätzchen — sie schmeckten wirklich gut.

Die letzten Worte Oma Adas gingen mir nicht aus dem Kopf. »Was habt ihr Phagen euch nur dabei gedacht?«

Phagen waren keine Dummköpfe.

Phagen waren alles Mögliche, nur keine Dummköpfe.

Wenn sie Lion und mich nach Neu-Kuweit geschickt hatten, bedeutet das, dass es notwendig war.

Aber warum?

Und auf einmal stieg in meiner Seele eine dumpfe, widerwärtige Wehmut auf. Ich versuchte sie zu vertreiben, an etwas Schönes zu denken, aber in meinem Kopf kreiste ein und derselbe Gedanke.

Phagen waren keine Dummköpfe. Wir wurden eben deshalb geschickt, damit uns die Spionageabwehr des Inej fand.

Ich trank den Tee aus, ohne ihn zu schmecken. Schenkte mir nochmals ein. Wie lange dauerte das denn nur, wo blieb Oma Ada? Sie musste doch lediglich zum zuständigen Terminal gehen, mit der Jacht Richtung Inej Verbindung aufnehmen und um ein Gespräch mit Mister Smith ersuchen…

Warum nur hatten uns die Phagen als Lockvögel benutzt? Es ergab doch keinen Sinn, überhaupt keinen! Viel Aufwand und wenig Nutzen — die Landung organisiert, wertvolle Ausrüstung verschwendet. Allein die Eiskapsel kostete ein Vermögen!

Ich verstand es einfach nicht. Ich war eben wirklich noch ein kleiner, dummer Junge. Das waren alles Erwachsene — Imperium und Inej, Phagen und Agenten der Spionageabwehr -, die ihre Erwachsenenspiele spielten. Und ich war dort hineingeraten, weil Stasj ein guter Mensch war, genau deswegen.

Und sofort erhob sich das dünne, widerliche Stimmchen in der Seele und flüsterte mir zu: »Bist du dir sicher, dass Stasj ein guter Mensch ist?«

Er selbst hatte mir ja erklärt, dass unsere Zivilisation sehr pragmatisch und grausam sei. Natürlich sagte er, dass das nicht in Ordnung wäre, aber vielleicht dachte er in Wirklichkeit ganz anders? Vielleicht hatte ich damals Recht und er nahm mich von Neu-Kuweit nur als Versuchskaninchen mit?

Was so alles durch ein paar unvorsichtig geäußerte Worte bewirkt werden konnte! Ich begann an meinem einzigen Freund, meinem einzigen erwachsenen Freund zu zweifeln!

Vor lauter Zorn schlug ich mit der Faust dermaßen stark auf den Tisch, dass ich beinahe den Tee verschüttet hätte. Zur Ablenkung schaltete ich den Computer an und versuchte mich ins Netz einzuklinken. Leider gab es nur eine Verbindung zum Intranet des Kosmodroms und auch dort nur zur Abteilung Gepäckmanagement. Computerspiele, die gewöhnlich auf allen Computern installiert werden, gab es mit Ausnahme von »Minensucher« und einer Patience nicht. Deshalb durchstöberte ich das Suchsystem nach dem Gepäck des »Mister Smith«, aber das System erwies sich als äußerst unübersichtlich und war deshalb nicht zu verstehen. Mit Müh und Not fand ich die Liste des heute verladenen Gepäcks, aber da hörte ich das Türschloss klicken. Weil mir meine Computertätigkeit peinlich war, schaltete ich ihn aus.

Oma Ada kam herein.

»Ich konnte keine Verbindung aufnehmen«, sagte sie noch auf der Türschwelle stehend. »Die Jacht befindet sich in der Phase der Startvorbereitung, keine Verbindung zu den Passagieren. Sie forderten mich auf, in einer Stunde wiederzukommen, wenn sie auf der mittleren Umlaufbahn ist.«

»In einer Stunde ist es zu spät«, flüsterte ich. »Verstehen Sie das? Zu spät!«

Sie schüttelte den Kopf: »Sorge dich nicht, Enkelchen. Dein ›Mister Smith‹ ist ein großes Tier, nicht wahr? Wenn die Regierung mit ihm schon so geheimnisvoll tut!«

»Ja«, gab ich zu.

»Na, dann muss halt noch einmal gelandet werden. Er behauptet zum Beispiel, dass er eine Nierenkolik habe und sofort zum Arzt müsse oder etwas in dieser Richtung.«

»Und dann landen sie?«, staunte ich.

»Das ist doch ein kleines Schiff, es fliegt speziell für diese eingebildeten Herrschaften. Es kehrt um… Einmal musste ein Passagierschiff wieder landen, weil das Hündchen einer Senatorengattin im Sterben lag.«

»Wurde es gerettet?«, wollte ich aus unerfindlichen Gründen wissen.

»Ist verreckt. Aber das Raumschiff ist gelandet. Hast du wenigstens Tee getrunken?«

»Ja. Vielen Dank.«

Oma Ada setzte sich aufs Bett und stützte ihr Kinn auf eine Hand und schaute mich traurig an. »Oh je… was im Hafen los ist. Überall sind Soldaten, Aktive und Reservisten… fast noch Kinder. Bald gibt es Krieg, merke dir meine Worte.«

»Wirklich?«, rief ich. »Heißt das, der Krieg beginnt?«

Sie lächelte bitter: »Beginnt? Der Krieg… Krieg hört niemals auf. Als es Inej nicht gab, ging es gegen die Fremden. Mit den Fremden wurde Frieden geschlossen und die Planeten begannen sich gegenseitig…«

»Es gab aber schon ewig keinen Krieg mehr«, versuchte ich einen Einwand anzubringen.

»Es gab keinen großen Krieg. Aber im Kleinen… in aller Stille… wurde er immer geführt. Die Flotten wurden natürlich nicht gegeneinander eingesetzt, dagegen sträubte sich der Imperator. Es ist sein heiliges Recht, Kriege zwischen den Planeten zu führen. Aber Kleinkriege entfachen kannst du, soviel du lustig bist. Die Geheimdienste bekämpfen sich, die Magnaten intrigieren, Handelskriege, psychologische Kriege, bakteriologische Kriege… Hast du von der Beulenpest gehört? Das ist auch eine unserer Erfindungen, eine menschliche. Auf einem guten Planeten entwickelt und gegen einen anderen, der die Lebensmittelpreise unterbot, angewendet. Dabei mutierte das Virus, führte zum Aussterben von Kühen und Schafen — und wendete sich gegen die Menschen selbst. Ist das etwa kein Krieg?«

»Das kann nicht sein!«, rief ich aus. »Die Beulenpest ist ein mutiertes Virus der Schweinepest!«

»Richtig, mein Söhnchen, richtig. Nur dass es sich dabei nicht um eine spontane Mutation handelt. Die Ansteckungsmöglichkeit und die Virulenz wurden erhöht, ausgerichtet wurde er auf Menschen als Krankheitsüberträger und schon hatten wir es geschafft.«

»Ich habe nicht gewusst, dass sich die Geheimdienste mit solchen Dingen beschäftigen«, gab ich zu. »Das ist doch extrem gefährlich!«

Oma Ada nickte.

»Es ist ständig Krieg, glaub mir. Ich habe hier schon alles gesehen. Das Kosmodrom ist eine Gerüchteküche. Nimm eure Phagen… Sollen sie ruhig die Menschheit retten und das Imperium verteidigen, niemand hat etwas dagegen! Aber nein, sie sind jedem beliebigen Nabob zu Diensten…«

Ich konnte dem nicht folgen und riss die Augen auf.

Oma Ada schaute mich erstaunt an. »He, Kleiner, du hast wohl von nichts eine Ahnung?«

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