Литмир - Электронная Библиотека

»Das alles sind Zimmer des Personals«, erklärte Natascha, nachdem sie sich ein Bild gemacht hatte. »In der Villa werden ab und zu große Empfänge abgehalten, Dutzende von Leuten treffen sich hier… Wir müssen dorthin!«

Aus der Küche kamen wir über einen breiten Flur mit zweiflügligen Türen ins Esszimmer.

Hier sah es nun wirklich luxuriös aus!

Ein riesiger ovaler Tisch aus hellem, poliertem Holz, Stühle mit hohen, geschnitzten Lehnen, an den Wänden originale, mit Farben gemalte Bilder. Durch die Fenster sah man den Park sowie den Springbrunnen, in dem wir uns versteckt hatten. Seltsamerweise wirkte das alles aus dem Gebäude heraus noch viel schöner als in Wirklichkeit.

»Wohin jetzt?«, wollte Lion wissen. Er schaute ganz andächtig — rundherum war es allzu weiträumig, hell und edel.

»Wir gehen nach oben«, entschied Natascha, »dort sind noch ein großer Dinnersaal«, Lion erschauerte bei diesen Worten, »und die Gästezimmer.«

Aus dem Esszimmer gingen wir zu einer breiten Treppe mit einem schönen Teppich, der mit goldenen Metallstäben an den Stufen befestigt war. Wir stiegen in den ersten Stock und suchten die Zimmer von Bermann und seiner Tochter. Es war nicht einfach, weil es eine Unmasse von Schlafzimmern gab und die Türen verschlossen waren. Ich dachte gerade darüber nach, dass wir einen Dietrich brauchen könnten, als sich die Schlange am Gürtel bewegte und mir in den Ärmel kroch.

Richtig, wozu ein Dietrich, wenn wir über ein universelles Gerät der Phagen verfügten?

Pro Schloss brauchte die Schlange nicht länger als eine Sekunde, offensichtlich war die Aufgabe nicht schwer. Intuitiv wusste ich, dass das Schlangenschwert zuerst die Struktur des Schlosses scannte und die Restpotenziale in den elektronischen Schaltkreisen bestimmte und danach das Schloss nicht mit einer Ziffernfolge öffnete, sondern den genauen Code wählte.

Die ersten sechs Schlafzimmer erwiesen sich als unbewohnt, das siebte auf den ersten Blick ebenfalls. Aber Natascha, die auf alle Fälle in die Bäder schaute, fand dort eine Zahnbürste, einen Rasierapparat, Eau de Cologne und allerlei Herrenkosmetika. Erst da bemerkten wir, dass das untadelig aufgeräumte Zimmer bewohnt war: Im Schrank hingen einige Anzüge, ein Dutzend Hemden und Krawatten, neben dem Bett lag ein Büchlein des Krimischriftstellers Hiroshi Moto: »Der Raumanzug mit dem verspiegelten Helm«. Das Buch war interessant, ich hatte es selbst gelesen, aber eigentlich war es ein Kinderbuch.

Die nächsten zwei Schlafräume waren leer, aber im neunten, ausgehend von der Kosmetik im Bad, wohnte Bermanns Tochter. Auf ihrem Bett lag ebenfalls ein Buch, aber ein viel ernsteresalsbeimVater:»DieTaktikder Unternehmensentwicklung unter den Bedingungen politischer Instabilität«.

»Sie lernt ein Unternehmen zu führen«, meinte Lion höhnisch. »Ja — ja… Was sind wir doch für Optimisten.«

Natascha und ich blickten Lion unabhängig voneinander zornig an.

»Das ist mir nur so herausgerutscht… Ähm, wegen der Nerven… Entschuldigt.«

»Benutz deinen Kopf, ehe du etwas sagst«, murmelte Natascha. »Was suchst du da?«

Lion wühlte im Kleiderschrank und drehte sich um: »Du hast mir mein Hemd weggenommen, soll ich etwa nackt herumlaufen? Was meint ihr, kann ich dieses T-Shirt nehmen?«

Das baumwollene Muscle-Shirt war zwar grell, Blau mit Weiß, aber nicht mädchenhaft. Ich zuckte mit den Schultern und Lion zog es an. Natascha schimpfte nicht mit ihm. Es gab wirklich keinen Grund, sich jetzt noch wegen eines Diebstahls zu schämen.

»Wenn die Bermanns kommen, werden sie in ihre Zimmer gehen, um sich umzuziehen«, überlegte Natascha laut. »Es sieht nicht so aus, als ob sie Dienstpersonal hätten, also werden sie allein bleiben… Wir können uns in zwei Gruppen teilen. Ich kümmere mich mit Lion um Bermann, und du, Tikkirej, — um das Mädchen!«

»Warum soll ich das Mädchen nehmen?«, begehrte ich auf.

»Du hast die Peitsche.«

»Na und? Ist sie etwa gefährlicher als ein erwachsener Mann?«

Natascha seufzte: »Alexander Bermann ist fast siebzig Jahre alt. Er hat einen Bauch wie ein Nilpferd. Aber du kannst davon ausgehen, dass seine Tochter sportlich und trainiert ist und eine Nahkampfausbildung hat… Vielleicht ist sie sogar bewaffnet.«

»Und wie werdet ihr mit Bermann zurechtkommen?«

»Wir schlagen ihn bewusstlos«, erklärte Natascha kurz. »Dann kommst du zu uns.«

Es hatte keinen Sinn, zu diskutieren. Ich wollte darauf hinweisen, dass ich mich weigerte, ein Mädchen zu töten, auch wenn sie der letzte Dreck wäre und das Imperium verriet. Aber ich schwieg, weil mir bewusst war, dass ich es doch tun würde. Ich hatte keine Wahl.

»Versteck dich im Badezimmer«, schlug Natascha vor. »Vielleicht kommt sie doch nicht alleine ins Zimmer? Wir werden es genauso machen, und wenn Bermann das Badezimmer betritt, schlagen wir von hinten zu.«

»Womit?«, fragte Lion geschäftsmäßig.

»Weiter hinten im Korridor müsste eine Turnhalle sein. Wir nehmen ein Paar Hanteln oder irgendetwas anderes Schweres. Aber leise, die Wache könnte schon zurück sein.«

»Gehen wir.« Lion nickte. »Also dann, Tikkirej. Vermassele es nicht!«

»Wir warten auf dich«, ergänzte Natascha.

Sie gingen hinaus und ich blieb allein. Das passierte so schnell und unerwartet, dass ich nichts erwiderte. Ich tigerte wie ein Idiot durch das Zimmer. Es gab noch eine Tür in ein anderes Zimmer, wahrscheinlich ein Gästezimmer, aber dort schien noch niemand einen Blick hineingeworfen zu haben. Keine Sachen, nichts… Ich kehrte ins Schlafzimmer zurück, ging ans Fenster und schaute in den Park. Von dieser Seite war der Springbrunnen nicht zu sehen, dafür erblickte ich in der Tiefe des Gartens ein Schwimmbad und kleine gemütliche Gebäude. An Himmel schwebten einzelne Wolken, die Sonne neigte sich zum Horizont. Es war sehr still, fast einschläfernd. Ich ging vom Fenster weg, mit einer bohrenden Neugier zum Kleiderschrank und begann, in den Sachen von Alexandra Bermann zu kramen.

Es stellte sich heraus, dass das Wühlen in fremden Sachen eine sehr interessante Beschäftigung war. Im Schrank hingen Kleider, Blusen, Röcke, Hosen und Pullover. Es hätte ausgereicht, alle Bewohner des ›Spross‹ — Jungen und Mädchen — neu einzukleiden. Allein zehn Paar Schuhe gab es: Halbschuhe,Turnschuhe,Stiefelchenundallerlei Spezialschuhe, entweder für den Sport oder zum Tanzen, die ich nicht einmal benennen konnte. In einem Fach lag eine Masse sauberer, eingepackter Kleidung. Ich nahm ein Packung, fand in ihm rosa Spitzenhöschen, schämte mich und schloss den Schrank.

Teufel nochmal! Einerseits beabsichtigte ich, Alexandra Bermann, die ich noch niemals gesehen hatte, zu töten. Warum dann diese Neugier? Das sind Kleinigkeiten, um die man sich nicht kümmern sollte. Aber andererseits…

Es war mir peinlich.

Aber ich konnte nicht mehr damit aufhören. Und wühlte weiter in den Schränken.

Reiche Leute schleppen sehr viele Dinge mit sich herum. Sicherlich brauchen sie das auch alles. Sogar wenn sie geschäftlich auf anderen Planeten weilen, gehen sie ins Theater, in Restaurants, machen Ausflüge und Safaris… Aber außer Kleidung gab es noch jede Menge andere Dinge. Zum Beispiel ein ganzes Köfferchen mit allen möglichen Friseursachen, darunter allein drei Föns. Und im Badezimmer war auch noch ein guter. In einem kleinen Täschchen befand sich eine Reiseapotheke, als ob es hier keine Ärzte geben würde… Oder vertrauten die Bermanns keinen fremden Ärzten? In einer kleinen, nachlässig hingestellten, offenen Schatulle lag Schmuck. Teilweise aus Gold, Silber und Edelsteinen, zum Teil dermaßen selten und teuer, dass er sogar mir ein Begriff war, da ich den Schmuck in allerlei Fernsehfilmen und Nachrichtensendungen gesehen hatte. Zum Beispiel gab es da ein Collier aus »unsichtbaren Diamanten«, sie hießen wissenschaftlich irgendwie anders, aber das hatte ich vergessen. Ich ging mit dem Collier zum Fenster und schaute es im Licht an. Alle Achtung! Als ob sich in der Platinfassung nichts befinden würde, als ob sich die winzigen Diamantensplitter, die auf die unsichtbaren Diamanten aufgeklebt waren, von alleine in der Luft hielten. Ich berührte sie — da waren sie, die unsichtbaren Steine. Auf dem größten verblieb fast unsichtbar mein Fingerabdruck. Cool.

84
{"b":"123221","o":1}