Литмир - Электронная Библиотека

Außerdem waren da noch Ohrringe mit Empathiesteinen, die ihre Farbe in Abhängigkeit von der Stimmung des Trägers wechselten. Ich führte einen Ohrring an mein Gesicht und der Stein wandelte sich von Milchweiß in Knallrot. Natürlich, ich war ja aufgeregt… Diesen Schmuck zu tragen riskieren nur Leute, die absolut von sich überzeugt sind — denn anderenfalls können alle erkennen, wenn man aufgeregt oder erschrocken ist oder versucht zu lügen.

Nachdem ich den Schmuck in die Schatulle zurückgelegt hatte, stellte ich sie an ihren Platz zurück. Ich war kein Dieb und würde nichts nehmen. Obwohl man für ein beliebiges Teil von diesem Tand…

Was könnte man?

Die Lebenserhaltungssysteme auf Karijer bezahlen?

Mama und Papa würden nie wieder zurückkommen.

Also brauchte ich nichts.

Ich lief durch das Zimmer und blickte auf die Uhr. Es war noch zu früh. Daraufhin untersuchte ich den Nachtschrank und fand dort weitere Bücher — Wirtschaftsliteratur und Romane. Ich nahm ein Bändchen von Hiroshi Moto (jetzt war klar, von wem Alexander den Krimi hatte, um ihn vor dem Einschlafen zu lesen) und schlug die Erzählung »Der Fall des freigiebigen Intellektuellen« auf. Die Kriminalgeschichten von Hiroshi Moto waren deshalb so gut, weil man sie immer wieder lesen konnte, auch wenn man schon wusste, wer der Verbrecher war. Aber dieses Buch kannte ich noch nicht.

Ich wagte nicht mich aufs Bett zu setzen. Es war außergewöhnlich akkurat gemacht und die Sessel sahen zu verlockend bequem aus. Wenn ich mich jetzt hineinsetzen würde, könnte ich mich festlesen und nicht bemerken, dass die Bermanns kamen. Deshalb setzte ich mich auf einen Stuhl neben die Tür, öffnete sie einen Spalt, um die leisesten Geräusche von unten zu hören, und begann, die Abenteuer des im Reagenzglas gezüchteten Detektivs und seines treuen Freundes zu lesen.

Zuerst konnte ich mich nicht darauf konzentrieren, aber bald wurde ich ruhiger und begeisterte mich so an der Handlung, dass ich fast bis zum Ende las. Alles war sehr verwirrend, aber endlich sprach der Detektiv seine berühmten Worte:

»Sicher, ich bin lediglich ein Klon, aber wenn Sie wüssten, zu welchen Gemeinheiten ein echter Mensch manchmal fähig ist! Also stellen wir uns die Bibliothek vor drei Tagen um Mitternacht vor. Das Licht erlischt und in der nächtlichen Stille ist ein leises Rascheln zu hören. Nur Sie, die hier Anwesenden, konnten die Diskette aus dem überstürzt geöffneten Safe nehmen. Nicht wahr, Oberst?«

»Was meinen sie damit?«, schrie der Offizier auf und ließ die Zigarette fallen. »Ich wurde wie alle anderen durchsucht! Wo hätte ich diese verdammte Diskette denn verstecken können?«

»Eben das störte mich, denn den Namen des Verbrechers kannte ich von Anfang an…«

In diesem Augenblick vernahm ich unten Schritte. Kurz darauf war Lärm zu hören… Wurde die Eingangstür geöffnet?

Ich sprang auf und schlug das Buch zu, ohne zu erfahren, wer die Diskette gestohlen hatte — der Oberst Howard, die Nonne Anastasia, der Hacker Owen oder einer der Musikanten des Sinfonieorchesters. Ich schloss die Tür und lief durchs Zimmer, ohne mich entscheiden zu können, ob ich das Buch an seinen Platz legen oder mit mir nehmen sollte. Ich beschloss es zurückzulegen, öffnete das Buch beim Hineinlegen ins Nachtschränkchen aber schnell auf der letzten Seite:

»Ja, genau so, mein Freund. Und das ist das Ende der steilen Karriere der zweiten Posaune.«

Sieh an! Der zweite Posaunist, der in die Dirigentin verliebt war! Das hätte ich nicht gedacht!

Schnell schaute ich mich im Zimmer um, ob alles in Ordnung war und stürzte ins Bad. Ich stellte mich rechts hinter die Tür neben die Wanne. Die Zeit der gelesenen Abenteuer, erregend und lustig, war zu Ende. Jetzt begannen die realen, die entsetzlichen und widerlichen Abenteuer.

Alexandra Bermann betrat das Zimmer fünf Minuten später. Die ganze Zeit über stand ich im Bad in der Dunkelheit und die Schlange umschlang fest meinen rechten Arm. Sie war bereit zu töten. Ich — nicht, sie — schon. Sie hatte es einfacher, sie war dafür geschaffen worden.

Die Zimmertür schlug zu und ganz in der Nähe ertönten Schritte. Etwas fiel auf den Fußboden. So zu stehen und zu warten war unerträglich, ich wollte beobachten, was passierte, ich hielt das Warten nicht aus. Die Tür zum Bad war nicht eingeklinkt, es gab einen schmalen Spalt, durch den ich vorsichtig blickte.

Das Mädchen stand am Fenster und sah nach unten. Von hinten schien sie noch jünger als ich zu sein. Mit hellen, lockigen Haaren in einem Schottenrock und einer sumpfbraunen Bluse. In den Ohren blitzten winzige Ohrringe.

Verdammt, wie ungünstig. Sähe sie wenigstens aus wie ein fetter Kloß, wäre es um sie nicht schade, und mir fiele es leichter, sie zu töten…

Das Mädchen nahm ihre Hände an die Brust. Mir war nicht gleich klar, was sie machte — bis Alexandra Bermann ihre Bluse von sich warf und nachlässig auf den Boden fallen ließ.

Mist!

Da riss ich mich von dem Spalt los. Meine Ohren fingen an zu brennen. Das war einfach widerlich! Nicht nur, dass ich in ihren Sachen gewühlt hatte und sie gleich töten würde, ich beobachtete sie auch noch dabei, wie sie sich umzog!

Als ich wieder hinschaute, zog Alexandra schon den Rock aus und stand nur noch in Höschen und Büstenhalter da. Der BH war übrigens rein symbolisch…

»Wie ich diese Klamotten hasse!«, rief Alexandra plötzlich laut und leidenschaftlich aus. Sie hatte den singenden Akzent des Edem, und deshalb schien es, als ob sie nicht fluchen, sondern ein Gedicht vortragen würde. Alexandra führte ihre Hände auf den Rücken und öffnete den Verschluss des BH. Sofort trieb es mich von der Tür weg, ich trat zurück, bis meine Knie an das Bidet stießen. Ich hielt inne und stützte mich mit der rechten Hand vorn ab.

Es sah ganz so aus, als ob Alexandra duschen wollte und sich deshalb auszog.

Das hieß, ich würde, gleich wenn sie hereinkäme, zuschlagen. Damit sie nicht erschrak und sich schämte…

Warum, warum nur traf es gerade mich, sie zu töten?

Die barfüßigen Schritte auf dem Teppich waren kaum zu hören, aber ich konnte sie spüren. Gleichzeitig federte das Schlangenschwert auf meiner Hand, spannte sich an und vibrierte leicht, um das Plasmageschoss aufzuladen.

Hauptsache, ich erschrak nicht…

Das Licht ging an und gleichzeitig wurde die Tür geöffnet.

Es war das Licht, das mich zurückhielt. Es ließ mich den Bruchteil einer Sekunde zögern und nicht sofort schießen, gleich als die Tür geöffnet wurde.

Ich stand da und hatte den Arm mit dem zum Schuss bereiten Schlangenschwert ausgestreckt.

Und vor mir in der Türöffnung stand ein nackter Junge.

Ein Junge!

Was sollte das denn, führte Bermann etwa alle an der Nase herum, hatte er womöglich gar keine Tochter, sondern einen Sohn?

»Wenn ich dich bei etwas gestört habe, komme ich später wieder«, sagte derjenige kaltblütig, den man für die Tochter Bermanns hielt. »Aber normalerweise schließt man ab.«

Sein singender Akzent war verschwunden. Jetzt sprach er schärfer, so wie auf dem Avalon. Und die Stimme kam mir bekannt vor. Das Gesicht ebenfalls… wenn man sich diese lächerlichen Locken wegdachte…

Ich entfernte mich vom Bidet, zielte aber trotzdem mit dem Schlangenschwert auf das falsche Mädchen. Woher kenne ich sie… ihn nur?, dachte ich.

»Was, zum Teufel, machst du hier, Tikkirej?«, fragte der Junge.

»Wer bist du?«, rief ich aus.

»Der Kerl im Mantel! Planet Avalon, Stadt Camelot, Institut für experimentelle Soziologie, sechster Fahrstuhl, Stockwerk zweieinhalb. Was machst du hier, du Unglücksrabe?«

Ich senkte meinen Arm und die Schlange zog sich in den Ärmel zurück. Ich hatte den kleinen Phagen erkannt, der Lion und mir geraten hatte, nicht nach Neu-Kuweit zu fliegen.

»Was bedeutet das…«, flüsterte ich. »Und wo ist Alexandra Bermann?«

»Unter Hausarrest, zusammen mit ihrem Papachen. Wenn du es dir mit dem Schießen überlegt hast, ziehe ich mich erst einmal an.«

85
{"b":"123221","o":1}