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Es war schlimm heute, dachte Allday, schlimmer als seit langer Zeit. Der Schmerz war noch da, in Deckung wie ein wildes Tier, aber bereit, hervorzubrechen und ihn zu vernichten.

Er folgte Bolitho an die kalte Luft, beobachtete, wie er den beiden Dänen die Hände schüttelte, bevor er sie zum Fallreep begleitete und zusah, wie sie in ihr Boot kletterten. Dann ein Lächeln zu Neale und noch ein Handschlag mit dem dänischen Lotsen, der dem Master auf ihrem letzten Stück des Wegs beistehen sollte.

Pascoe ging mit einigen Seeleuten vorbei, um das Beiboot der Fregatte zum Aussetzen klarzumachen, falls es verlangt wurde.

Wieder sah Allday ihren kurzen Austausch von Blicken, wie zwischen Brüdern. Worte waren dabei überflüssig.

Aber diesmal wäre Allday gern ohne das Privileg ausgekommen, diese Beziehung zu kennen und zu teilen. Er kannte Bolitho zu gut, als daß er sich durch seine äußerliche Ruhe täuschen ließ. Es war kein leichtes Geheimnis, daß er für sich behalten mußte.

In einer schönen Stadt wie Kopenhagen an Land zu gehen, war ein besonderes Erlebnis für Bolitho. Er wäre gern auf den Plätzen herumgestreift, die von eindrucksvollen Bauten und hohen, mit grüner Patina bedeckten Türmen gesäumt waren und aussahen, als ob sie schon seit Ewigkeiten stünden. Dazwischen gab es einladende kleine Gassen, die Bolitho nur kurz aus dem Fenster des Wagens sah, den Inskip ihm zum Hafen geschickt hatte.

Genau wie die dänischen Behörden wollte Inskip zu jeder Tageszeit wissen, wo sich ein britischer Admiral, der die Stadt besuchte, aufhielt. Bolitho fragte sich, was der Kutscher wohl getan hätte, wenn er ihm befahl, einen anderen Weg einzuschlagen.

Als er sich an Bord für seinen Besuch in Inskips Büro vorbereitet hatte, waren Neale und seine Offiziere gerade dabeigewesen, den Hafen und nicht zuletzt die französische Fregatte, die so weit entfernt wie überhaupt möglich ankerte, eingehend zu studieren. Der Ankerplatz war voll dänischer Kriegsschiffe, aber trotz ihrer eindrucksvollen Größe und Zahl konzentrierte sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf diese beiden Fregatten. Sie versinnbildlichten — lediglich getrennt durch einen Streifen Wasser und ein aufmerksames Wachboot — den Krieg und alles, was damit zusammenhing; den Krieg, der — wenn es nach den Russen ging — auch die Dänen mit verschlingen würde.

Die französische Fregatte hieß Ajax und war ein mächtiges Schiff mit achtunddreißig Kanonen. Genau wie auf Neales Schiff gingen die Seeleute drüben ihrer täglichen Arbeit nach und schienen von ihrem Feind und seinen Absichten keine Notiz zu nehmen.

Die Wagenräder rumpelten geräuschvoll über das Kopfsteinpflaster. Bolitho bemerkte, daß viele Leute trotz der Kälte stehenblieben und ihm nachschauten. Gut aussehendes Volk, dachte er. Vielleicht weil sein Land so lange von Krieg und Not verschont geblieben war.

Browne, der das an ihnen vorbeiziehende Panorama entzückt beobachtet hatte, sagte auf einmal:»Wir sind da, Sir!»

Der Wagen rasselte durch einen niedrigen Torweg in einen schmuk-ken Privathof. Die Gebäude ringsum sahen irgendwie amtlich aus. Zwei Lakaien eilten einige Stufen herab, um Bolitho zu empfangen.

Es war kälter geworden, Neales Master hatte Schnee vorausgesagt. Erst Nebel, danach Schnee — es war, als höre er den alten Grubb.

Inskip erwartete ihn vor einem prasselnden Kaminfeuer. Er trug eine Perücke, aber sie machte ihn älter statt jünger, was erstaunlich war.

Er sagte:»Gut, daß Sie so schnell gekommen sind. Ich habe weitere Informationen über den Franzosen eingeholt. Es heißt offiziell, er liege hier, um Sturmschäden auszubessern. Dänemark will Frankreich nicht provozieren, indem es der Ajax die Erlaubnis dazu verweigert. Ich nehme an, sie wartet auf den Brief oder sonstige wichtige Nachrichten über Malta. Ihr plötzliches Auftauchen hat sie völlig verwirrt. «Er zwinkerte ihm zu.

Bolitho sagte:»Wenn die Ajax ausläuft, wird Kapitän Neale sie mit Freuden zum Kampf stellen.»

Inskip schüttelte entschlossen den Kopf. »Ajax ist als erste gekommen und in Frieden. Man muß ihr einen Tag Vorsprung geben, bevor Sie ihr folgen.»

Browne hüstelte taktvoll.» Das ist ein ungeschriebenes Gesetz, Sir.»

«Ich verstehe. «Bolitho schaute ins Feuer.»Dann kann ich nichts anderes tun als warten und müßig herumsitzen, während der Franzmann bestimmt? Jeden Tag, jeden Augenblick kann ein anderer Kurier ankommen. Können Sie nicht einen schnellen Boten zu meinem Geschwader senden? Wenn draußen eine andere britische Fregatte läge, könnten die Pläne des französischen Kommandanten ein schnelles Ende finden.»

Inskip lächelte.»Sie sind wirklich ein Mann der Tat. Aber ich fürchte, die Dänen würden das als Mißbrauch der Gastfreundschaft ansehen und Ihr Schiff als Gegenmaßnahme beschlagnahmen.»

Bolitho erinnerte sich an Brownes Bemerkung auf der Benbow: >Ich sehe Sie als kämpfenden Seemann, nicht als Diplomaten!< In seinem Unvermögen, ruhig dazusitzen und zu warten, wie sich die Dinge ohne sein Zutun entwickelten, hatte er Brownes Meinung schon bestätigt.

«Das sollten die erst mal versuchen!»

«Machen Sie keinen Fehler. Die Dänen könnten und würden es tun. Ich habe aus meinen eigenen Informationsquellen gehört, daß es Pläne gibt, notfalls den Hafen zu sperren und alle Bojen und Seezeichen, die den Weg hineinweisen, zu entfernen. Die Dänen haben hier eine ansehnliche Flotte zusammengezogen und werden sie einzusetzen wissen. «Er hämmerte mit der Faust in die andere Handfläche.»Wenn die Franzosen bloß nicht Malta aufgegeben hätten, oder — genauer gesagt — wenn doch unsere Flotte diesmal etwas weniger erfolgreich gewesen wäre!»

Browne sagte ruhig:»Dann hätten sie anderen Zündstoff für ihr Feuer gefunden, Sir. Mit Beschwichtigungen kann man sich Zeit erkaufen, aber nicht mehr.»

Inskip hob die Augenbrauen.»Ihr Adjutant ist sehr scharfsinnig,

Bolitho. Ein Jammer, daß er des Königs Rock trägt. Ich könnte ihm einen Posten in Whitehall verschaffen.»

Bolitho seufzte.»Was raten Sie mir also, Sir?»

Inskip antwortete überzeugt:»Abwarten. Ich treffe übermorgen den dänischen Minister und werde versuchen, seine Stimmung zu ergründen. Mag sein, daß ich Sie dabei benötige, daher schlage ich vor, daß Sie heute in diesem Hause übernachten. Es erspart uns Zeit und erregt weniger Verdacht. Wenn der französische Kommandant sich entschließt, abzusegeln, wird er wahrscheinlich mit Ihrem Geschwader zusammenstoßen, sobald er Skagen gerundet hat. Wenn er aber in die Ostsee einläuft, wird er sich mit den Schweden oder vielleicht sogar mit der russischen Flotte treffen wollen, falls das Eis ihm nicht zu gefährlich ist.»

Ein Lakai mit Perücke trat leise durch eine reich verzierte Flügeltür ein.

«Verzeihung, Sir, aber da unten sind zwei, hm, Personen, die verlangen, vor den Admiral geführt zu werden. «Inskip fragte sanft:»Wer sind sie?»

Im gleichen zurückhaltenden Ton erwiderte der Lakai:»Seeleute, glaube ich, Sir. Der eine sagte, er sei ein Bootssteurer, der andere ist so etwas wie ein Diener.»

Bolitho grinste: Allday und Ozzard.

«Gut, daß Sie nicht versucht haben, meinen Bootssteurer wegzuschicken. Das hätte schlimmer ausgehen können als ein Zusammentreffen mit den Franzosen.»

Inskip befahl dem Lakai, Allday und seinen Gefährten in einen geheizten Raum zu führen. Dann sagte er:»Die Angelegenheit brachte wenigstens ein Lächeln auf Ihr Gesicht, Bolitho. Das steht Ihnen besser.»

Bolitho wandte sich an Browne.»Sie kehren zum Schiff zurück und berichten Kapitän Neale. Sagen Sie ihm, er soll auf jedes Boot achten, das längsseits der Ajax geht, und auf alles, was nach ungewöhnlichen Vorbereitungen aussieht.»

Doch war es unwahrscheinlich, daß Neale diesen Hinweis brauchte.

Als Bolitho mit Inskip allein war, fragte er:»Nehmen wir an, der Zar erfährt vom Schicksal Maltas, bevor Sie eine feste Neutralitätserklärung der Dänen in der Tasche haben, was dann?»

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