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Es war unfair, Inch einer solchen Gefahr auszusetzen, aber er mußte noch etwas abwarten. Vielleicht hätte er doch Befehl geben sollen, daß die Marine-Infanterie über Land marschierte, ohne Rücksicht auf Verluste. Aber er wußte, das war alles nur Pessimismus. Er hatte recht, er mußte recht behalten. Selbst wenn alle verfügbaren Seesoldaten die Bucht erreicht hatten, konnten die Schebecken immer noch entwischen; die kleinkalibrigen Musketen hätten sie nicht daran hindern können.

Er sah sich um, denn Calvert sagte:»Hören Sie?«Alle starrten ihn an, und er schlug die Augen nieder, faßte sich jedoch und sprach schnell weiter:»Bestimmt habe ich etwas gehört. «Es war beinahe das erstemal, daß Calvert etwas sagte, seit er an Bord war.

Dann hörte auch Bolitho es und verspürte das gleiche Kältegefühl wie an Bord der Navarra: der regelmäßige, hallende Takt der Trommeln; leicht konnte er sich die schlanken Schebecken mit den kraftvollen Ruderreihen vorstellen, wie sie elegant und mit latenter Grausamkeit zum Angriff fuhren.

Er konnte Inchs Beunruhigung durchaus verstehen.»Achtung! Sie kommen heran!«stieß er hervor.

Eine Welle der Erregung lief über das Deck; die Geschützführer holten sich ihre Männer vom Schanzkleid weg und brachen die lautlose Spannung durch Drohungen und Flüche.

«Jetzt haben wir sie, Sir«, murmelte Inch.»Sie können uns nicht den Windvorteil wegnehmen.»

Bolitho, die Hand am Degengriff, ging zu ihm hinüber.»Die brauchen keinen Windvorteil. Sie fahren aus eigener Kraft.»

Aufgeregte Rufe erklangen, als die erste Schebecke aus dem Schatten schoß; Gischtstreifen flogen von ihrem langen schlanken Bug, als sie über die niedrigen Brecher ritt.

Die Trommeln erklangen jetzt deutlicher, denn eine Schebecke nach der anderen löste sich vom Land; Bolitho hörte Inch laut zählen vielleicht wurde ihm erst jetzt klar, mit was für einem Gegner sie es zu tun hatten.

Gelassen bemerkte Allday:»Das sind viel mehr als neulich, Cap-tain. «Er leckte sich die Lippen.»Zwanzig, vielleicht auch zweiundzwanzig.»

Bolitho beobachtete sie genau; sein Gesicht war wie eine Maske, die wachsende Betroffenheit verbarg. Sobald sie von den Klippen klargekommen waren, schwärmten die Schebecken zu einem riesigen Fächer aus; die eintauchenden Riemen und die Bugwellen wühlten die weite Wasserfläche auf wie eine Bö.

An Deck der Hekla blieb alles totenstill. Wie Statuen standen die Geschützbedienungen da und starrten auf die näher kommenden Fahrzeuge. Es war eine richtige Flotte. Niemand hatte je etwas dergleichen gesehen; wenn es ihnen nicht gelang, diese Flotte in den Grund zu bohren, würde keiner am Leben bleiben, um später davon zu erzählen.

Bolitho trat an die Reling. Deutlich spürte er, daß die Männer, die bis vor kurzem noch erwartungsvoll und erregt gewesen waren, jetzt auf einmal Angst bekamen.

«Vergeßt eins nicht«, rief er mit fester Stimme, und alle Gesichter wandten sich ihm zu,»so etwas wie eure Hekla haben die bisher genausowenig gesehen wie ihr so einen Haufen Schebecken. Und auch einer Karronade haben sie wahrscheinlich noch nicht ins Maul geblickt. Also an die Geschütze und klar zum Feuern!«Sie sahen einander unschlüssig an, und er befahl kurz:»Jeder Geschützführer sucht sich sein Ziel aus. Und dann schießt wie noch nie, Jungs! Auch ihr an den Drehbassen und mit den Musketen — schießt, schießt und hört nicht auf, ganz egal, was kommt! Wenn sie uns entern, sind wir verloren!«Er zwang sich zu einem Lächeln.»Also sorgt dafür, daß jeder Schuß trifft!»

Er hörte metallisches Klirren: Inch hatte seinen krummen Säbel gezogen und befestigte ihn eben mit einer golddurchwirkten Kordel an seinem Handgelenk. Mit einem Blick auf Bolitho erläuterte er verschämt grinsend:»Ein Geschenk, Sir.»

Ein dumpfer Krach hallte von der Küste wider, und eine Kugel flog jaulend dicht übers Deck. Ein Geschützführer trat erschrocken von seiner Karronade zurück, aber Bolitho brüllte:»Näher kommen lassen! Noch nicht feuern!«Das Buggeschütz einer Schebecke spie Feuer und Rauch, eine Kugel traf den Rumpf der Hekla hart an der Wasserlinie. Die feindliche Flotte war inzwischen noch weiter ausgefächert, so daß die Hekla fast von ihr umzingelt war — die vordersten Boote glichen den Spitzen des Halbmondes, den sie in ihren Flaggen über den Lateinersegeln führten.

Immer schneller schlugen die Trommeln, immer näher trieben die langen Ruder die Fahrzeuge an die langsame Hekla heran; es war wie eine Kavallerieattacke auf ein Karree Fußsoldaten.

Er riß seinen Degen heraus und hielt ihn hoch.»Immer mit der Ruhe, Jungs!«Ein paar Matrosen, die dicht bei ihm standen, schwitzten trotz des kühlen Windes. Für sie mußte es so aussehen, als wollten die Schebecken direkt durch ihr Schiff fahren.

Das spärliche Sonnenlicht blitzte auf der Klinge — er hieb den Degen nieder und kommandierte:»Karronaden — Feuer!»

Unter der Reling detonierte das ihm nächste Geschütz mit ohrenbetäubendem Brüllen, polternd glitt das kurze stumpfe Rohr auf seinem Schlitten binnenbords, und die Bedienung stürzte bereits wieder mit Schwabber und Ladestock herzu. Bolitho fühlte die Detonation in seinem Kopf wie einen furchtbaren Schmerz und sah, wie die große Achtundsechzig-Pfund-Kugel mit blendendem, gelbrotem Blitz in eine Ruderbank schmetterte, dort zerbarst, und wie die Schrapnells alles niedermähten; wie die Riemen brachen und Splitter in alle Richtungen flogen, und wie die Schebecke herum und gegen das Nachbarfahrzeug geworfen wurde. Wieder spuckte eine Karronade Feuer und Rauch, und dann eine dritte auf der Gegenseite — eine Schebecke war zu nahe an den Steuerbordbug der Hekla herangekommen und bekam die schwere Kugel voll ins Vorschiff. Kreischende Berber, der abgebrochene Fockmast und das noch nicht in Aktion getretene Geschütz der Schebecke verschwanden in einem Schwall erstickenden braunen Rauches. Als er sich verzog, war das Fahrzeug bereits gekentert und versank in den wirbelnden Wellen.

Drehbassen knallten und krachten vorn und achtern, jaulend flog das gehackte Blei in die weißgewandeten Gestalten, die sich immer noch, Skimitars schwingend, Musketen abfeuernd, Kampfrufe brüllend, auf den Decksgängen der Schebecken drängten.

Wieder erzitterte der Schiffsrumpf, eine Kugel schmetterte in das

Schanzkleid, riß die dort stehenden Matrosen um und hinterließ eine Spur von Blut und zerfetztem Fleisch.

Eine Schebecke rammte die Hekla krachend unterhalb der Heckreling; ihr Steuermann mußte wohl tot oder so benommen sein, daß er sich in der Entfernung verschätzt hatte. Beim Anprall bestachen die Drehbassen ihr Deck vom Bug bis zum Heck, und als sie abfiel, bekam sie noch zwei Treffer von den Backbordkarronaden, so daß sie auseinanderbrach und sank.

Aber zwei andere Schebecken kamen längsseit, und als die Matrosen zur Abwehr herbeirannten, kletterten schon die ersten der brüllenden Piraten die Enternetze hoch, die Inch vor Sonnenaufgang hatte ausbringen lassen.

«Drauf, Leute!«schrie Bolitho durch die hohlen Hände. Aus dem Luk strömten die anderen Matrosen, darunter viele seiner eigenen Besatzung, die bereits im Kampf um Djafou dem Tod ins Auge gesehen hatten.

Unter gellendem Hurrageschrei stürmten sie vorwärts, stießen ihre Piken, hieben ihre Säbel in die enternden Seeräuber, die, von dem rasiermesserscharfen Stahl aufgespießt, zuckend in den Netzen hängenblieben.

Doch da hörte er warnende Rufe durch den Rauch: im Vorschiff mußten zum mindesten einige Piraten die Netze zerschnitten haben und an Bord gekommen sein.»Inch, bleiben Sie hier«, rief er.»Und Sie, Allday, kommen mit mir! Wir müssen dafür sorgen, daß die Karronaden weiterfeuern, sonst sind wir alle verloren!»

Am Gangspill sprühten Funken, und oben sauste Eisen durch die Luft. Ein paar Kugeln trafen den Schiffsrumpf, wobei die Kanoniere der Schebecken wahrscheinlich auch ihre eigenen Leute umbrachten, denn sie feuerten mit ihren langen Geschützen blind in den dicken Rauch.

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