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Ferguson ergriff seine Hand und murmelte:»Gott segne Sie, Sir. Schön, daß wir Sie wieder mal zu Hause haben.»

Bolitho lächelte.»Nicht für lange. Aber ich danke Ihnen.»

Da kam auch Fergusons Frau herbeigeeilt, rundlich, rosig, mit weißem Häubchen und makelloser Schürze, und in ihren Zügen kämpften

Freude und Tränen miteinander, als sie ihn begrüßte.»Wir hatten ja keine Ahnung, Sir. Wenn nicht Jack, der Zollwächter, gewesen wäre, hätten wir gar nicht gewußt, daß Sie wieder da sind! Er hat Ihre Obersegel gesehen, als der Nebel hochging, und ist extra hergeritten, um uns Bescheid zu sagen!»

«Vieles ist jetzt anders geworden. «Bolitho nahm den Hut ab und ging durch das hohe Entree. Da war es wieder: der kühle Stein, das alterslose Eichenpaneel, das matt im einfallenden Sonnenlicht glänzte.»Früher konnten die jungen Männer von Falmouth ein Schiff des Königs schon riechen, wenn seine Masten noch gar nicht über der Kimm standen!»

Ferguson wandte den Blick ab.»Sind nicht mehr viele junge Männer hier, Sir. Die keine feste Stellung haben, sind alle gepreßt worden oder haben sich freiwillig gemeldet. «Er folgte Bolitho in die große Halle mit dem leeren Kamin und den hochlehnigen, lederbezogenen Stühlen. Auch hier war es ruhig — es war überhaupt, als hielte das ganze Haus den Atem an.

«Ich hole Ihnen ein Glas Wein, Sir«, sagte Ferguson, und hinter Bo-lithos Rücken winkte er seiner Frau und den Mägden, hinauszugehen.»Sie werden in der ersten Stunde ein bißchen allein sein wollen. »

Bolitho drehte sich um.»Danke. «Er hörte, wie sich die Tür hinter ihm schloß, und trat an den Fuß der Treppe, wo die Bilder all derer hingen, die hier vor ihm gelebt hatten. So vertraut… Nichts war verändert worden, und doch…

Langsam stieg er die knarrenden Stufen hinan, an den Porträts vorbei, die ihn anblickten: Kapitän Daniel Bolitho, sein Ururgroßvater, der in der Bantry Bay gegen die Franzosen gekämpft hatte. Kapitän David Bolitho, sein Urgroßvater, hier an Deck seines brennenden Schiffes dargestellt, gefallen vor der afrikanischen Küste im Kampf gegen Piraten. Wo die Treppe einen Bogen nach rechts machte, wartete der alte Denziel Bolitho, sein Großvater — der einzige der Familie, der es bis zum Konteradmiral gebracht hatte — , auf ihn. Bolitho konnte sich noch erinnern, oder glaubte es wenigstens, daß er als kleines Kind auf seinen Knien gesessen hatte. Aber vielleicht waren es auch nur die Erzählungen seines Vaters und das vertraute Bild, woran er sich erinnerte. Vor dem letzten Porträt blieb er stehen.

Sein Vater, Kapitän James Bolitho, war jünger als die anderen gewesen, als es gemalt wurde. Hoch aufgerichtet, gelassen blickend, den leeren Ärmel quer am Rock festgesteckt — das hatte der Maler nachträglich geändert, nachdem er den Arm in Indien verloren hatte. Es war schwer, sich daran zu erinnern, wie er bei ihrem letzten Zusam-mensern vor vielen Jahren ausgesehen hatte, damals, als er Bolitho von der Schande seines älteren Bruders berichtet hatte. Hugh, sein Augapfel, der einen Offizierskameraden im Duell getötet hatte, war nach Amerika geflohen und hatte bei der Revolution gegen sein eigenes Vaterland gekämpft.

Tief seufzte Bolitho auf. Sie waren alle tot, auch Hugh, der seine Missetaten vor Bolithos eigenen Augen mit dem Leben gebüßt hatte. Dieser Tod war immer noch ein Geheimnis, das er mit niemandem teilen konnte. Hughs Leben, ein Leben voller Mißerfolg und Betrug, würde ein Geheimnis bleiben; was ihn, Richard Bolitho, anging, so mochte Hugh im Frieden der Vergessenheit ruhen.

Ferguson rief vom Fuß der Treppe:»Das Glas steht hier beim Fenster, Sir. Rotwein. «Er zögerte, ehe er weitersprach:»Da ist etwas im Schlafzimmer, Sir. «Anscheinend traute er sich kaum, es zu sagen.»Es sollte eine Überraschung sein, aber sie waren noch nicht fertig, als Sie das letzte Mal hier waren. «Seine Stimme verklang; Bolitho schritt rasch zur Tür am Ende des Treppenabsatzes und stieß sie auf.

Im ersten Moment fiel ihm nichts Besonderes auf: da war das Himmelbett in einem breiten Strahl fleckigen Sonnenlichts, das durch das Fenster kam — und der hohe Spiegel, vor dem sie gesessen und ihr Haar gekämmt haben mußte, wenn er weg war… Aber die Kehle wurde ihm trocken, als er sich umwandte und die beiden neuen Bilder an der Rückwand sah. Als ob sie wieder lebte, hier in diesem Zimmer, wo sie vergeblich auf ihn gewartet hatte. Er wollte näher herantreten, aber er hatte Angst — Angst, daß der Zauber weichen würde. Der Maler hatte sogar das Seegrün ihrer Augen getroffen und das herrliche Kastanienbraun ihres langen Haares. Und ihr Lächeln. Langsam trat er einen Schritt näher. Das Lächeln war wunderbar. Freundlich, etwas belustigt, so wie sie ihn immer lächelnd angesehen hatte, wenn sie beieinander waren.

Unter der Tür hörte er einen Schritt und dann Fergusons leise Stimme:»Sie wollte, daß sie nebeneinander hängen, Sir.»

Jetzt erst warf Bolitho einen Blick auf das andere Bild. Er war in seinem alten Galarock gemalt, dem mit den breiten weißen Aufschlägen, den Cheney so gern gehabt hatte.

«Danke«, sagte er heiser.»Schön, daß Sie ihren Wunsch erfüllt haben.»

Damit trat er rasch ans Fenster und lehnte sich über das warme Sims. Dort, gerade hinter jenem Hügel, konnte er die glitzernde Linie des Horizonts sehen. Es war dieselbe Landschaft, die Cheney von diesem Fenster aus gesehen hatte. Er hätte vielleicht zornig oder traurig sein können, weil Ferguson die Bilder hier aufgehängt, Erinnerungen an sie und seinen Verlust heraufbeschworen hatte. Aber das wäre falsch gewesen; jetzt, als er hier stand, die Hände auf das Sims gestützt, hatte er zum erstenmal seit langer Zeit ein seltsam friedvolles

Gefühl.

Ein alter Gärtner unten spähte herauf und schwenkte seinen verbeulten Hut, aber Bolitho sah ihn nicht.

Er trat ins Zimmer zurück und wandte sich erneut den Bildern zu. Hier waren sie wieder beieinander. Cheney hatte dafür gesorgt, und nichts konnte sie jetzt mehr trennen. Wenn er wieder auf See war, vielleicht auf der anderen Seite der Erdkugel, dann konnte er an dieses Zimmer denken. An die beiden Porträts nebeneinander, die zusammen auf den Horizont hinaussahen.

«Ich komme gleich hinunter«, sagte er.»Der We in ist sicher schon warm.»

Später, als er an seinem großen Schreibtisch saß und Briefe an Hafenbeamte und Schiffsausrüster schrieb, dachte er darüber nach, was dieses Haus alles erlebt hatte. Was würde damit geschehen, wenn er starb? Der einzige, der Anspruch auf das Erbe der Bolithos hatte, war sein junger Neffe, Adam Pascoe, Hughs illegitimer Sohn. Er tat zur Zeit unter Kapitän Thomas Herrick Dienst; aber Bolitho war entschlossen, dem Jungen so bald wie möglich die Besitzrechte an dem Haus zu sichern. Er biß die Zähne zusammen. Sosehr er seine Schwester Nancy liebte, aber es kam gar nicht in Frage, daß ihr Mann, Ratsherr in Falmouth und einer der größten Grundbesitzer der Grafschaft, das Haus in die Hände bekam.

Ferguson trat ins Zimmer.»Entschuldigung, Sir«, sagte er stirnrunzelnd,»aber da ist ein Mann, der Sie unbedingt sprechen will. Er ist außerordentlich hartnäckig.»

«Wer ist's?»

«Ich habe den Kerl noch nie gesehen. Ein Seemann, keine Frage, aber weder Offizier noch Gentleman, auch das ist keine Frage.»

Bolitho lächelte. Es war schwierig, sich Ferguson als den Mann vorzustellen, den einst ein Preßkommando an Bord der Phalarope gebracht hatte, zusammen mit Allday übrigens. Zwei grundverschiedene Charaktere, wie es damals den Anschein hatte. Jedoch waren die beiden sehr gute Freunde geworden; und selbst als Ferguson seinen Arm verloren hatte, wollte er in Bolithos Diensten bleiben. So war er hier Verwalter geworden. Ebenso wie Allday ging er sofort in Abwehrstellung, wenn irgend etwas Unerwartetes oder Ungewöhnliches auf Bo-litho zukam.

«Lassen Sie ihn ein, Ferguson«, sagte er.»Er wird ja wohl nicht allzu gefährlich sein.»

Ferguson führte den Besucher herein und schloß die Tür mit offensichtlichem Mißbehagen hinter ihm. Bestimmt wartet er direkt davor für alle Fälle, dachte Bolitho.

7
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