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Wütend sagte Meheux:»Wenn ich diese Saufbolde jemals in die Finger bekomme, dann lasse ich sie in Fetzen peitschen, die unnützen Lausekerle!»

«Das mit dem Brandy«, erwiderte Bolitho,»war eine sehr schlaue List Witrands. Ich hätte eine gründlichere Durchsuchung veranstalten müssen«, schloß er bitter.

Bekümmert sagte Grindle:»Sie hatten zu viel zu tun, um denen das Leben zu retten, Sir. Hat keinen Sinn, daß Sie sich Vorwürfe machen.»

«Ganz meine Meinung«, warf Allday böse ein.»Man hätte sie alle verrecken lassen sollen.»

«Fühlen Sie sich besser, Mr. Ashton?«rief Bolitho hinüber. Er machte sich Sorgen um den Midshipman. Als man sie in den Stauraum zerrte, hatte er den blutigen Verband um seinen Kopf gesehen und sein totenbleiches Gesicht. Anscheinend hatte Ashton auf eigene Hand versucht, die Angreifer aufzuhalten, da seine Männer, was er aber nicht wußte, zu betrunken waren, um ihm auf sein Rufen zu Hilfe zu kommen. Jemand hatte ihm eine Muskete über den Schädel gehauen, und er hatte seither kaum gesprochen.

Aber jetzt antwortete er sofort:»Ich bin wieder in Ordnung, Sir. Es wird bald vorbeigehen.»

«Sie haben sich gut gehalten.»

Wahrscheinlich dachte Ashton ebenfalls über seine Zukunft nach. Er war erst siebzehn, hatte sich aber als vielversprechend und recht fähig erwiesen. Doch jetzt waren seine Aussichten trübe: Gefängnis oder sogar Tod durch Fieber in irgendeiner gottvergessenen feindlichen Garnison. Er war von zu niederem Rang, zu unwichtig, um für einen Austausch in Frage zu kommen, selbst wenn man höherenorts an dergleichen dachte.

Bolitho versuchte, sich sein Schiff vorzustellen — wo es jetzt wohl war und was Broughton tun mochte? Der Admiral hatte sie wahrscheinlich allesamt abgeschrieben. Nach diesem Sturm mußte er annehmen, daß die schwer havarierte Navarra gesunken sei; Bolitho und seine Männer würden binnen kurzem nur noch Erinnerung für ihn sein — weiter nichts.

Er versuchte, sich etwas anders hinzusetzen, und ärgerte sich dabei über seine Fußfessel. Er war schon früher in Gefangenschaft gewesen, aber der Gedanke daran tröstete ihn wenig. Denn damals hatte er eine wenn auch geringe Chance gehabt, zu entkommen und den Spieß umzudrehen. Und die Hoffnung, daß ihm britische Schiffe zu Hilfe kamen. Eine geringe Hoffnung, aber immerhin. Doch hier gab es nichts dergleichen. Die Euryalus würde nicht zurückkommen und nach ihm suchen. Wie konnte sie auch, wenn die Mission, zu der sie hier war, noch nicht einmal in Angriff genommen war?

Sein Magen zog sich zusammen, und er merkte, daß er seit dem Vortag nichts gegessen hatte. Es kam ihm vor, als sei es eine Woche her — die geordnete Welt seines eigenen Schiffes, das Gefühl, dazu zu gehören.

Er stellte sich vor, daß Parejas Frau jetzt vermutlich Witrand berichtete, wie leicht sie hatte verhindern können, daß Bolitho ihn unter den Passagieren herausfand. Oder vielleicht sah sie auch tränenüberströmt an Deck zu, wie ihr ältlicher Gatte an einem Strick von der Großrah hing und sein Leben verzappelte. Wo kam sie her? Wie geriet eine solche Frau in diesen Teil der Welt? Noch ein Rätsel und eins, das jetzt ungelöst bleiben würde.

Füßescharren vor der Tür.»Kommen uns wohl beglotzen, diese Bastarde!«knurrte Allday hitzig. Der Riegel wurde zurückgeschoben, und Witrand, zwei Bewaffnete hinter sich, schaute herein.»Ich möchte gern, daß Sie an Deck kommen, capitaine«, sagte der Franzose.

Seine Stimme klang ziemlich ruhig, aber es war etwas an ihm, das Bolitho vor Aufmerksamkeit erstarren ließ. Vielleicht frischte der Wind endlich wieder auf, und Witrand hatte doch nicht so viel Vertrauen zur Mannschaft, wie er vorgegeben hatte. Aber das Schiff dümpelte immer noch so träge, die Pumpen jankten immer noch so trübselig und gleichmäßig vor sich hin.

Kalt entgegnete er:»Was soll ich oben? Ich befinde mich hier ganz wohl.»

Witrand gab einem der Männer einen Wink, und dieser kam vorsichtig herein, den Schlüssel zu den Fußeisen in der Hand.»Als Gefangener haben Sie zu tun, was ich befehle«, sagte der Franzose ärgerlich.

Während der Matrose mit aller Vorsicht die Fußeisen aufschloß, versuchte Bolitho krampfhaft, einen Grund für das plötzlich veränderte Benehmen Witrands zu finden. Der Mann schien tatsächlich äußerst besorgt.

Meheux half ihm auf und murmelte:»Seien Sie vorsichtig, Sir!«Er sprach ein ganz klein bißchen zu leichthin, fand Bolitho; vielleicht dachte er, sein Kommandant sollte eingehend befragt werden oder etwas noch Schlimmeres.

Bolitho ging hinter Witrand den Gang hinauf — alles war so merkwürdig still! Nur die Pumpen und das leise Knarren von Holz an Holz — überhaupt keine Stimmen. Und das in einem mit aufgeregten Passagieren vollgestopften Schiff!

Es war später Nachmittag, an Deck brannte die Sonne blendend hell herunter, der Teer in den Fugen klebte an Bolithos Sohlen, als er hinter Witrand die Leiter zur Kampanje hinaufstieg. Das Glitzern der blauen See war so intensiv, daß er über eine zersplitterte Planke gestürzt wäre und Witrand ihn stützen mußte.

«Nun, was ist?«Bolitho beschattete die Augen mit der Hand und musterte den Franzosen.»Ich habe es mir nicht anders überlegt. In keiner Hinsicht.»

Witrand schien das gar nicht zu hören. Er faßte Bolitho beim Arm und drehte ihn zur Reling herum. Seine Stimme klang sehr eindringlich.»Sehen Sie, dort. Was halten Sie von denen?»

Jetzt erst wurde Bolitho gewahr, daß das ganze Deck voll lautlos gespannter Menschen war. Ein paar waren sogar in die Wanten geklettert, lehnten sich gegen die schlaffen Segel und Masten und starrten zur Kimm.

Witrand hielt ihm ein Teleskop hin.»Bitte, capitaine. Sagen Sie es mir!»

Bolitho stützte das Glas auf den Unterarm und stellte es ein. Die Menschen an Deck hatten sich ihm zugewandt; auch Witrand beobachtete ihn gespannt, beinahe ängstlich, von der Seite.

Sehr langsam fuhr Bolitho mit dem Glas die Kimm ab und hielt den Atem an, als die kleinen bunten Lateinersegel zögernd in die Linse schwammen. Drei, vier, vielleicht fünf standen über ihrem hellen Widerschein im Meer — wie die Flügel munterer Schmetterlinge sahen sie aus.

Dann setzte er das Glas ab und sah Witrand an.»Das sind Sche-becken. «Die Besorgnis Witrands war unverkennbar.»Fünf vielleicht.»

Witrand starrte ihn an und deutete dann auf die leblosen Segel der Navarra. »Aber sie bewegen sich doch, sie kommen schnell näher. Wie kann das sein?»

«Sie können genausogut gerudert wie gesegelt werden, m'sieur. Meiner Überzeugung nach sind das Berberpiraten«, erwiderte er gelassen.

Witrand fuhr zurück.»Mon dieu, le corsaire!«Er riß Bolitho das Glas aus der Hand und richtete es sekundenlang auf die winzigen Segel. Dann, etwas gefaßter:»Das ist unangenehm. Was wissen Sie von diesen Leuten?»

Bolitho wandte den Blick ab.»Es sind wilde, barbarische Krieger. Wenn sie an Bord gelangen, töten sie alle bis zum letzten Mann und schleppen dann die Ladung weg. «Er hielt inne.»Und die Frauen.»

Witrand atmete mühsam.»Aber unsere Geschütze sind doch gut, oui? Sie haben sich doch, mon dieu, gegen Ihr Schiff ganz ordentlich gehalten. Wir können doch sicher diese kleinen Boote zerschmettern, ehe sie da sind?»

Bolitho sah ihm ernst in die Augen.»Sie begreifen noch nicht. Schebecken manövrieren sehr schnell, und wir liegen in der Flaute. Deswegen haben sich diese Piraten auch so lange gehalten und mit solchem Erfolg. Wenn sie nahe genug sind, manövrieren sie sich mit ihren langen Riemen schnell unter unser Heck. Dann schießen sie uns zusammen. Zweifellos hat jedes Boot eine schwere Kanone im Bug. So machen sie es immer. «Er ließ seine Worte ein paar Sekunden wirken.»Das hat sich als sehr erfolgreich erwiesen. Ich habe von Kriegsschiffen gehört, die hilflos bekalmt lagen und weiter nichts tun konnten, als zusehen, wie diese Galeeren einen Kauffahrer nach dem anderen mitten im Geleit überfielen.»

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