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»Patient Hewlitt«, unterbrach ihn Medalont. »Soweit Sie es damals einschätzen konnten, standen also die Übelkeit, der leichte Hautausschlag und all die anderen Symptome nicht im direkten Zusammenhang mit irgendwelchen Impfungen, richtig? Könnte es sein, daß diese Erscheinungen durch die Verabreichung anderer Medikamente ausgelöst wurden? Vielleicht durch leichte Palliative gegen Kopfschmerzen oder ein Schmerzmittel, das Ihnen nach einer Sportverletzung verabreicht wurde, und woran Sie sich aufgrund der damaligen Aufregung nicht mehr erinnern können? Oder haben Sie etwas gegessen, das Sie nicht vertragen haben, wie zum Beispiel rohe oder unreife Früchte oder Pflanzen?«»Nein«, widersprach Hewlitt. »Wenn mir damals jemand während eines Spiels in die Knochen getreten oder ich mich sonstwie verletzt hätte, würde ich mich noch heute daran erinnern. Und wenn ich etwas gegessen hätte, wovon mir schlecht geworden wäre, würde ich mich ebenfalls noch daran erinnern und hätte es mit Sicherheit nie wieder angefaßt. Ich bin doch nicht dumm, und das bin ich übrigens auch schon damals nicht gewesen.«

»Das glaube ich Ihnen gern«, besänftigte ihn der Arzt. »Aber bitte erzählen Sie weiter.«

Ungeduldig und leicht verärgert fuhr Hewlitt mit seiner Krankheitsgeschichte fort, die er schon so oft in der Vergangenheit etlichen Medizinern erzählt hatte, von denen die meisten nur halbherzig versucht hatten, beim Zuhören ihre Ungeduld zu verbergen. Er beschrieb den plötzlichen Ausbruch einer Vielzahl von Symptomen, für die es scheinbar keine Ursache gegeben hatte, und obwohl sie ihm lästig und manchmal auch peinlich gewesen waren, war er durch sie doch nie so stark beeinträchtigt worden, daß er durch sie ans Bett gefesselt gewesen wäre. Mit neun Jahren, also fünf Jahre nach seiner Rückkehr zur Erde, war er von seiner Tante zum Hausarzt der Familie gebracht worden. Dieser schon etwas ältere Arzt faßte damals den ersten richtigen - oder vielleicht auch völlig falschen – Beschluß, Hewlitt keine Medikamente mehr zu verabreichen, wann immer diese unerklärlichen und relativ schmerzfreien Symptome bei ihm auftraten. Er vertrat nämlich die Auffassung, daß die Anzahl und die Vielfalt der Symptome im direkten Zusammenhang mit der medikamentösen Behandlung stehen könnten, so daß es am vernünftigsten sei, nichts zu verschreiben und das Ergebnis abzuwarten. Zwar konnte er den Arzt jederzeit aufsuchen, wenn die Symptome wieder auftraten, doch von da an pflegten sie sich lediglich darüber zu unterhalten.

Man hatte ihn sogar zu einem Psychiater geschickt, der ihm über einige Wochen aufmerksam und mit viel Mitgefühl zugehört hatte, um dann seiner Großmutter mitzuteilen, daß Hewlitt ein völlig gesunder, hochintelligenter und sehr phantasievoller Junge sei, der mit Erreichen der Geschlechtsreife seine Probleme überwinden würde.»… später wurde mir klar«, fuhr Hewlitt fort, »daß mich niemand von denen wirklich für krank gehalten hat. Der Psychiater drückte das zwar nicht direkt so aus, aber unser Hausarzt tat das einzig Richtige, indem er gar nichts unternahm. Nach drei Jahren seiner ›Nichtbehandlung‹ traten die Krankheitssymptome nämlich seltener und weniger heftig auf, so daß ich sie niemandem gegenüber mehr erwähnte, es sei denn, ich bekam einen Ausschlag oder etwas Ähnliches auf einem sichtbaren Körperteil. Als ich dann in die Pubertät kam, ging der Ärger allerdings alle paar Wochen wieder von vorn los, und einige der Symptome waren ausgesprochen unangenehm. Dennoch blieb der Hausarzt bei seiner Methode und verabreichte mir keine Medikamente, und später brach die Krankheit auch tatsächlich wieder seltener aus. Von meinem vierzehnten bis zum zwanzigsten Lebensjahr wurde ich nur insgesamt dreimal richtig krank, wenngleich die Symptome und einige der Dinge, die dazwischen geschahen, sehr bedrückend und auch sehr peinlich waren… «

»Jetzt verstehe ich auch, warum in Ihrer Krankenakte davon abgeraten wird, Medikamente zu verschreiben, ohne sich vorher mit Ihnen unterhalten zu haben«, meinte Medalont. »Ihr ehemaliger Hausarzt hat viel gesunden Verstand bewiesen, an dem es einigen von uns jüngeren und übertrieben leidenschaftlich handelnden Medizinern manchmal mangelt, indem er sich dafür entschied, bei solch einer Ungewissen und nicht lebensbedrohlichen Krankheit lieber nichts zu unternehmen. Aber jetzt, wo die Symptome mehr Anlaß zur Besorgnis geben, sollten Sie uns vertrauen, denn wir werden nicht damit fortfahren, einfach weiterhin abzuwarten, sondern dafür sorgen, Sie zuheilen.«

»Das weiß ich«, pflichtete ihm Hewlitt bei. »Soll ich weitererzählen?«

»Später«, schlug der Arzt vor. »Die Hauptmahlzeit ist nämlich gleich fällig, und Leethveeschi schimpft mit mir, wenn ich einen Patienten absichtlich hungern lasse. Lassen Sie uns bitte das weitere Vorgehen besprechen, Schwester.«

Die beiden Wesen streckten eine Zange beziehungsweise einen mit einem Fingerbüschel besetzten Tentakel aus und drückten damit kurz auf ihrejeweiligen Translatoren. Danach war das Gespräch zwischen dem Arzt und der Schwester für Hewlitt nicht mehr zu verstehen. Zwar riß er sich solange wie möglich zusammen, doch nach drei Minuten gewannen Wut und Enttäuschung die Oberhand.

»He, was reden Sie da über mich?« fuhr er dazwischen. »Sprechen Sie gefälligst so, daß ich Sie verstehen kann, verdammt noch mal! Sie sind genau wie alle anderen. Bestimmt denken Sie auch, daß ich mir das alles nur einbilde und bis auf eine lebhafte Phantasie nichts habe, stimmt's?«

Erneut drückten der Arzt und die Schwester auf die Translatoren, und Medalont antwortete: »Wenn Sie wollen, können Sie uns gern zuhören, Patient Hewlitt. Mit Ausnahme unserer eigenen Verwirrung bezüglich Ihrer Krankheit haben wir nichts vor Ihnen zu verbergen. Ist es Ihnen denn wichtig zu wissen, was andere über Sie denken?«

»Ich habe etwas gegen Leute, die mich für einen Lügner halten oder die meinen, daß mir nichts fehlt«, klärte Hewlitt den Arzt mit etwas ruhigerer Stimme auf.

Medalont schwieg eine Weile, dann antwortete er: »Während der nächsten Tage oder vielleicht auch Wochen werden sich eine Menge fremder Wesen mit Ihnen unterhalten und in der ihnen eigenen fremden Art und Weise über Sie nachdenken, um eine Lösung für Ihr Problem zu finden. Aber eins werden sie mit Sicherheit nicht denken, nämlich daß Sie ein Lügner sind. Wenn Ihnen nichts fehlen würde, dann wären Sie nicht hier.

Es besteht wohl kaum ein Zweifel«, fuhr er fort und richtete die beiden großen, hervorstehenden Augen auf die Schwester, »daß bei dem Problem des Patienten eine psychologische Komponente eine gewisse Rolle spielt. Wenn wir mit der klinischen Arbeit beginnen, werden wir gleichzeitig eine Untersuchung durch die psychologische Abteilung durchführen lassen. In Anbetracht der Tatsache, daß die Symptome ein gewisses Maß an Xenophobie aufweisen, würde einer der Terrestrier, O'Mara oder Braithwaite, am geeignetsten dafür sein… «

»Bei allem Respekt, Doktor, aber O'Mara würde ich für diese Behandlung lieber nicht heranziehen«, wandte die Schwester ein.»Wahrscheinlich haben Sie recht«, pflichtete ihr Medalont bei. »O'Mara gehört zwar zur selben Spezies und ist ein fähiger Psychologe, aber er ist wahrhaftig nicht gerade das einfühlsamste Wesen. Eine etwas weniger aggressive Persönlichkeit wäre sicher besser geeignet. Dann also Lieutenant Braithwaite.

Vorläufig werden wir es dabei belassen, keine Medikamente einzusetzen, mit Ausnahme leichter Beruhigungsmittel, Ms es der Patient wünscht«, fuhr er fort. »Der Patient hat noch nie zuvor ein Zimmer mit Aliens geteilt und benötigt vielleicht ein Schlafmittel. Aber achten Sie unbedingt darauf, ob das Beruhigungsmittel womöglich die Krankheit erneut zum Ausbruch bringt. Die Symptome können nämlich sehr plötzlich und unverhältnismäßig heftig auftreten. Deshalb möchte ich, daß er neben der visuellen Überwachung auch ein eigenes Sensorenmeßgerät bekommt, das er ständig bei sich trägt, so daß die Daten rund um die Uhr auf dem Stationsmonitor kontrolliert werden können. Der Patient kann, wenn er möchte, jederzeit das Bett verlassen und auf der Station herumlaufen, um seine Neugier zu befriedigen oder um sich mit den anderen Patienten zu unterhalten – natürlich nur, solange seine Anwesenheit an einem anderen Bett medizinisch unbedenklich ist. Bezüglich der Ernährung bedarf es keinerlei Einschränkung, aber vorläufig sollte er seine Mahlzeiten lieber allein im oder am Bett zu sich nehmen.«

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