»Das tut mein Mann«, sagt die Frau.
»Da bin ich doch wirklich neugierig -«
»Wollen Sie den Doppelsarg machen?«fragt die Frau.
»Machen schon, aber ich sage Ihnen -«
»Was kostet er?«fragt die Frau.
Wilke kratzt sich den Schädel.»Wann muß er fertig sein?«
»So bald wie möglich.«
»Dann muß ich die Nacht durcharbeiten. Überstunden. Er muß extra angefertigt werden.«
»Was kostet er?«fragt die Frau.
»Ich werde es Ihnen bei der Ablieferung sagen. Ich mache es billig, der Wissenschaft wegen. Ich kann ihn nur nicht zurücknehmen, wenn er Ihnen verboten wird.«
»Er wird nicht verboten.«
Wilke sieht die Frau erstaunt an.»Woher wissen Sie das?«
»Wenn die Priester sie so nicht einsegnen wollen, beerdigen wir sie ohne Priester«, sagt die Frau hart.»Sie waren immer zusammen, und sie sollen zusammen bleiben.«
Wilke nickt.»Abgemacht, also – der Sarg wird fest geliefert. Zurücknehmen kann ich ihn nicht.«
Die Frau zieht ein schwarzes Lederportemonnaie mit einem Nickelschnapper aus ihrer Handtasche.»Wollen Sie eine Anzahlung?«
»Es ist üblich. Für das Holz.«
Die Frau sieht Wilke an.»Eine Million«, sagt er etwas verlegen.
Die Frau gibt ihm die Scheine. Sie sind klein zusammengefaltet.»Die Adresse«, sagt sie.
»Ich gehe mit«, erklärt Wilke.»Ich nehme Maß. Sie sollen einen guten Sarg bekommen.«
Die Frau nickt und sieht mich an.»Und der Stein? Wann liefern Sie ihn?«
»Wann Sie wollen. Im allgemeinen wartet man damit bis ein paar Monate nach der Beerdigung.«
»Können wir ihn nicht gleich haben?«
»Das schon. Aber es ist besser, zu warten. Das Grab senkt sich nach einiger Zeit. Es ist zweckmäßiger, erst dann den Stein aufzustellen, sonst muß er noch einmal gesetzt werden.«
»Ach so«, sagt die Frau. Ihre Pupillen scheinen einen Augenblick zu zittern.»Wir möchten den Stein trotzdem gleich haben. Kann man ihn nicht – kann man ihn nicht so setzen, daß er nicht einsinkt?«
»Wir müssen dann ein Extra-Fundament machen. Eins für den Stein, vor der Beerdigung. Wollen Sie das?«
Die Frau nickt.»Sie sollen ihre Namen drauf haben«, sagt sie.»Sie sollen nicht einfach so daliegen. Es ist besser, wenn sie ihre Namen gleich darauf haben.«
Sie gibt mir die Nummer der Grabstelle.»Ich möchte das sofort bezahlen«, sagt sie.»Wieviel macht es?«
Sie öffnet das schwarze Lederportemonnaie wieder. Ich sage ihr, verlegen wie Wilke, den Preis.»Heute ist gleich alles in Millionen und Milliarden«, füge ich hinzu.
Es ist sonderbar, wie man manchmal schon an der Art, wie sie Geld zusammenfalten, sehen kann, ob Leute ordentlich und ehrlich sind oder nicht. Die Frau öffnet einen Schein nach dem anderen und legt ihn auf den Tisch neben die Granit- und Kalksteinmuster.»Wir hatten das Geld beiseitegelegt für die Schule«, sagt sie.»Es hätte jetzt längst nicht mehr gereicht – hierfür reicht es gerade noch -«
»Ausgeschlossen!«sagt Riesenfeld.»Haben Sie denn überhaupt eine Ahnung, was schwarzer schwedischer Granit kostet? Der kommt von Schweden, junger Mann, und kann nicht mit Wechseln auf deutsche Mark bezahlt werden! Der kostet Devisen! Schwedische Kronen! Wir haben nur noch ein paar Blöcke, für Freunde! Die letzten! Sie sind wie blau weiße Diamanten. Ich gebe euch einen für den Abend mit Madame Watzek – aber zwei! Sind Sie verrückt geworden? Ebenso könnte ich von Hindenburg verlangen, daß er Kommunist würde.«
»Welch ein Gedanke!«
»Na also! Nehmen Sie die Rarität und versuchen Sie nicht, mehr aus mir herauszuholen als Ihr Chef. Da Sie Laufjunge und Bürodirektor in einem sind, brauchen Sie sich ja nicht ums Avancement zu kümmern.«
»Das sicher nicht. Ich tue es aus reiner Liebe zum Granit. Aus platonischer Liebe sogar. Ich will ihn nicht einmal selbst verkaufen.«
»Nein?«fragt Riesenfeld und schenkt sich ein Glas Schnaps ein.
»Nein«, erwidere.ich.»Ich will nämlich meinen Beruf wechseln.«
»Schon wieder?«Riesenfeld schiebt seinen Sessel so, daß er Lisas Fenster vor sich hat.
»Dieses Mal wirklich.«
»Zurück zur Schulmeisterei?«
»Nein«, sage ich,»soviel Einfalt habe ich nicht mehr. Soviel Einbildung auch nicht. Wissen Sie nichts für mich? Sie kommen doch viel herum.«
»Was?«fragt Riesenfeld uninteressiert.
»Irgend etwas in einer großen Stadt. Laufjunge bei einer Zeitung meinetwegen.«
»Bleiben Sie hier«, sagt Riesenfeld.»Hier passen Sie her. Ich würde Sie vermissen. Warum wollen Sie weg?«
»Das kann ich Ihnen nicht genau erklären. Wenn ich es könnte, wäre es nicht so notwendig. Ich weiß es auch nicht immer; nur ab und zu. Dann aber weiß ich es verdammt klar.«
»Und jetzt wissen Sie es?«
»Jetzt weiß ich es.«
»Mein Gott!«sagt Riesenfeld.»Sie werden sich nochmal hierher zurücksehnen!«
»Bestimmt. Deshalb will ich fort.«
Riesenfeld zuckt plötzlich zusammen, als hätte er einen elektrischen Kontakt mit nassen Pfoten angefaßt. Lisa hat in ihrem Zimmer Licht gemacht und ist ans Fenster getreten. Sie scheint uns in unserm halbdunklen Büro nicht zu sehen und zieht sich gemächlich die Bluse aus. Unter der Bluse trägt sie nichts.
Riesenfeld schnauft laut.»Himmel, Donnerschlag, was für Brüste! Darauf kann man ja glatt ein Halblitermaß Bier stellen, und das Glas würde nicht ’runterfallen!«
»Auch ein Gedanke!«sage ich.
Riesenfelds Augen funkeln.»Macht Frau Watzek so was dauernd?«
»Sie ist ziemlich unbekümmert. Niemand kann sie sehen – außer uns hier, natürlich.«
»Mensch!«sagt Riesenfeld.»Und so eine Position wollen Sie aufgeben, Sie Riesenroß?«
»Ja«, sage ich und schweige, während Riesenfeld wie ein württembergischer Indianer zum Fenster schleicht, sein Glas in einer, die Flasche Korn in der andern Hand.
Lisa kämmt ihre Haare.»Ich wollte mal Bildhauer werden«, sagt Riesenfeld, ohne einen Blick von ihr zu lassen.»Bei so was hätte es sich gelohnt! Verflucht, was man alles versäumt hat!«
»Wollten Sie Bildhauer in Granit werden?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Bei Granit werden die Modelle schneller älter, als die Kunstwerke fertig«, sage ich.»Er ist so hart. Bei Ihrem Temperament hätten Sie höchstens in Ton arbeiten können. Sonst hätten Sie nur unvollendete Werke hinterlassen.«
Riesenfeld stöhnt. Lisa hat den Rock ausgezogen, aber gleich darauf das Licht ausgedreht, um in ein anderes Zimmer zu gehen. Der Chef der Odenwald-Werke klebt noch eine Weile am Fenster, dann dreht er sich um.»Sie haben es leicht!«knurrt er.»Ihnen sitzt kein Dämon im Nacken. Höchstens ein Milchschaf.«
»Merci«, sage ich.»Bei Ihnen ist es auch kein Dämon, sondern ein Bock. Sonst noch was?«
»Ein Brief«, erklärt Riesenfeld.»Wollen Sie einen Brief von mir überbringen?«
»Wem?«
»Frau Watzek! Wem sonst?«- Ich schweige.
»Ich werde mich auch nach einer Position für Sie umsehen«, sagt Riesenfeld.
Ich schweige weiter und sehe den leicht schwitzenden verhinderten Bildhauer an. Ich halte Georg die Nibelungentreue, auch wenn es mich meine Zukunft kostet.
»Ich hätte das ohnehin getan«, erklärt Riesenfeld heuchlerisch.
»Das weiß ich«, sage ich.»Aber wozu wollen Sie schreiben? Schreiben hilft nie. Außerdem fahren Sie doch heute abend weg. Verschieben Sie die Sache, bis Sie zurückkommen.«
Riesenfeld trinkt seinen Korn aus.»Es mag Ihnen komisch vorkommen – aber Sachen solcher Art verschiebt man höchst ungern.«
In diesem Augenblick tritt Lisa aus ihrer Haustür. Sie trägt ein enganliegendes schwarzes Kostüm und Schuhe mit den höchsten Absätzen, die ich je gesehen habe. Riesenfeld erspäht sie zur gleichen Zeit wie ich. Er reißt seinen Hut vom Tisch und stürmt hinaus.»Dies ist der Augenblick!«
Ich sehe ihn die Straße hinunterschießen. Den Hut in der Hand, wandert er respektvoll neben Lisa her, die sich zweimal umsieht. Dann verschwinden beide um die Ecke. Ich wundere mich, wie das ausgehen wird. Georg Kroll wird es mir sicher berichten. Möglich, daß der Glückspilz dabei noch ein zweites Denkmal in schwedischem Granit herausholt.