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Knopf horcht, den Kopf etwas seitlich hochgereckt, wie ein mondsüchtiger Hund.»Der Kaiser?«flüstert er.

»Knöpfe deine Hose zu und verschwinde!«flüstere ich hohl zurück.»Und merke dir: Riskiere deine Sauerei noch einmal, und du wirst degradiert und kastriert! Kastriert auch! Und nun fort, du liederlicher Zivilist, marsch-marsch!«

Knopf stolpert benommen auf seine Haustür los. Gleich darauf bricht das Liebespaar wie zwei aufgescheuchte Rehe aus dem Garten und saust auf die Straße hinaus. Das hatte ich natürlich nicht gewollt.

XIV

Der Dichterklub ist bei Eduard versammelt. Der Ausflug zum Bordell ist beschlossen. Otto Bambuss erhofft davon eine Durchblutung seiner Lyrik; Hans Hungermann will sich Anregungen holen für seinen»Casanova«und einen Zyklus in freien Rhythmen:»Dämon Weib«, und selbst Matthias Grund, der Dichter des Buches vom Tode, glaubt für das letzte Delirium eines Paranoikers ein paar flotte Details erhaschen zu können.»Warum kommst du nicht mit, Eduard?«frage ich.

»Kein Bedürfnis«, erklärt er überlegen.»Habe alles, was ich brauche.«

»So? Hast du?«Ich weiß, was er vorspiegeln will, und ich weiß auch, daß er lügt.

»Er schläft mit allen Zimmermädchen seines Hotels«, erklärt Hans Hungermann.»Wenn sie sich weigern, entläßt er sie. Er ist ein wahrhafter Volksfreund.«

»Zimmermädchen! Das würdest du tun! Freie Rhythmen, freie Liebe! Ich nicht! Nie etwas im eigenen Hause! Alter Wahlspruch.«

»Mit Gästen auch nicht?«

»Gäste.«Eduard richtet die Augen zum Himmel.»Da kann man sich natürlich oft nicht helfen. Die Herzogin von Bell-Armin zum Beispiel -«

»Was zum Beispiel?«frage ich, als er schweigt.

Eduard ziert sich.»Ein Kavalier ist diskret.«

Hungermann bekommt einen Hustenanfall.»Schöne Diskretion! Wie alt war sie? Achtzig?«

Eduard lächelt verächtlich – aber im nächsten Moment fällt das Lächeln von ihm ab wie eine Maske, deren Knoten gerissen ist; Valentin Busch ist eingetreten. Er ist zwar kein literarischer Mann, aber er hat trotzdem beschlossen, mitzumachen. Er will dabeisein, wenn Otto Bambuss seine Jungfernschaft verliert.»Wie geht es, Eduard?«fragt er.»Schön, daß du noch am Leben bist, was? Das mit der Herzogin hättest du sonst nicht genießen können.«

»Woher weißt du, daß es wahr ist?«frage ich völlig überrascht.

»Habe es nur draußen im Gang gehört. Ihr redet ziemlich laut. Habt wohl schon allerlei getrunken. Immerhin, ich gönne Eduard die Herzogin von Herzen. Freue mich, daß ich es war, der ihn dafür retten konnte.«

»Es war lange vor dem Kriege«, erklärt Eduard eilig. Er wittert einen neuen Anschlag auf seinen Weinkeller.

»Gut, gut«, erwidert Valentin nachgiebig.»Nach dem Kriege wirst du auch schon deinen Mann gestanden und Schönes erlebt haben.«

»In diesen Zeiten?«

»Gerade in diesen Zeiten! Wenn der Mensch verzweifelt ist, ist er leichter dem Abenteuer zugänglich. Und gerade Herzoginnen, Prinzessinnen und Gräfinnen sind in diesen Jahren sehr verzweifelt. Inflation, Republik, keine kaiserliche Armee mehr, das kann ein Aristokratenherz schon brechen! Wie ist es mit einer guten Flasche, Eduard?«

»Ich habe jetzt keine Zeit«, erwidert Eduard geistesgegenwärtig.»Tut mir leid, Valentin, aber heute geht es nicht. Wir machen mit dem Klub einen Ausflug.«

»Gehst du denn mit?«frage ich.

»Natürlich! Als Schatzmeister! Muß ich doch! Dachte vorhin nicht daran! Pflicht ist Pflicht.«

Ich lache. Valentin zwinkert mir zu und sagt nicht, daß auch er mitkommt. Eduard lächelt, weil er glaubt, eine Flasche gespart zu haben. Alles ist damit in schönster Harmonie.

Wir brechen auf. Es ist ein herrlicher Abend. Wir gehen zur Bahnstraße 12. Die Stadt hat zwei Puffs, aber das an der Bahnstraße ist das elegantere. Es liegt außerhalb der Stadt und ist ein kleines Haus, das von Pappeln umgeben ist. Ich kenne es gut; ich habe dort einen Teil meiner Jugend verbracht, ohne zu wissen, was dort los war. An den schulfreien Nachmittagen pflegten wir in den Bächen und Teichen vor der Stadt Molche und Fische zu fangen und auf den Wiesen Schmetterlinge und Käfer. An einem besonders heißen Tage gerieten wir auf der Suche nach einem Gasthaus, um Limonade zu trinken, in die Bahnstraße 12. Die große Gaststube im Parterre sah aus wie andere Gaststuben auch. Sie war kühl, und als wir nach Selterswasser fragten, bekamen wir es vorgesetzt. Nach einer Weile kamen ein paar Frauen in Morgenröcken und blumigen Kleidern dazu. Sie fragten uns, was wir machten und in welcher Schulklasse wir wären. Wir bezahlten unsere Selters und kamen am nächsten heißen Tage wieder, diesmal mit unseren Büchern, die wir mitgebracht hatten, um im Freien am Bach unsere Aufgaben zu lernen. Die freundlichen Frauen waren wieder da und interessierten sich mütterlich für uns. Wir fanden es kühl und behaglich, und da nachmittags niemand außer uns kam, blieben wir sitzen und begannen unsere Schularbeiten zu machen. Die Frauen sahen uns über die Schultern und halfen uns, als wären sie unsere Lehrer. Sie achteten darauf, daß wir unsere schriftlichen Arbeiten machten, sie kontrollierten unsere Zensuren, sie hörten uns ab, was wir auswendig lernen mußten, und gaben uns Schokolade, wenn wir gut waren, oder gelegentlich auch eine mittlere Ohrfeige, wenn wir faul waren. Wir dachten uns nichts dabei; wir waren noch in dem glücklichen Alter, wo Frauen einem nichts bedeuten. Nach kurzer Zeit nahmen die nach Veilchen und Rosen duftenden Damen Mutter- und Erzieherstellen bei uns ein; sie waren voll bei der Sache, und wenn wir nur in der Tür erschienen, kam es schon vor, daß ein paar Göttinnen in Seide und Lackschuhen uns aufgeregt fragten:»Was war mit der Klassenarbeit in Geographie? Gut oder schlecht?«Meine Mutter lag damals schon sehr viel im Krankenhaus, und so geschah es, daß ich einen Teil meiner Erziehung im Puff von Werdenbrück erhielt, und ich kann nur sagen, daß sie strenger war, als wenn ich sie zu Hause gehabt hätte. Wir kamen für zwei Sommer, dann begannen wir zu wandern und hatten weniger Zeit, und meine Familie zog in einen anderen Teil der Stadt. Ich bin dann noch einmal im Kriege in der Bahnstraße gewesen. Das war am Tage, bevor wir ins Feld mußten. Wir waren knapp achtzehn Jahre alt, einige noch unter achtzehn, und die meisten von uns hatten noch nie mit einer Frau etwas gehabt. Wir wollten aber nicht erschossen werden, ohne etwas davon zu kennen, und deshalb gingen wir zu fünft in die Bahnstraße, die wir ja noch von früher kannten. Es war großer Betrieb, und wir bekamen unseren Schnaps und unser Bier. Nachdem wir uns genügend Mut angetrunken hatten, wollten wir unser Heil versuchen. Willy, der frechste von uns, war der erste. Er hielt Fritzi, die verführerischste von allen anwesenden Damen, an.»Schatz, wie wäre es denn?«

»Klar«, erwiderte Fritzi durch den Lärm und Rauch, ohne ihn richtig anzusehen.»Hast du Geld?«

»Mehr als genug.«Willi zeigte seine Löhnung und das Geld vor, das ihm seine Mutter gegeben hatte, damit er dafür eine Messe für eine glückliche Rettung aus dem Kriege lesen lassen sollte.

»Na, also! Hoch das Vaterland!«sagte Fritzi ziemlich geistesabwesend und sah in die Richtung des Bierausschanks.»Komm nach oben!«

Willy stand auf und legte seine Mütze ab. Fritzi stutzte und starrte auf sein brandrotes Haar. Es war von einzigartiger Leuchtkraft, und sie kannte es natürlich, selbst nach sieben Jahren, sofort wieder.»Einen Augenblick«, sagte sie.»Heißen Sie nicht Willy?«

»Absolut!«erklärte Willy strahlend.

»Und hast du nicht einmal hier deine Schularbeiten gemacht?«

»Richtig!«

»So – und du willst jetzt mit mir aufs Zimmer gehen?«

»Natürlich! Wir kennen uns ja doch schon.«

Willy grinste über das ganze Gesicht. Im nächsten Augenblick hatte er eine Ohrfeige kleben.»Du Ferkel!«sagte Fritzi.»Du willst mit mir ins Bett? Das ist doch das Letzte an Frechheit!«

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