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Sie nickt.»Frauen werden nicht deinetwegen mit einem anderen schlafen und dir das Geld dafür bringen. Aber mach dir nichts daraus; die Hauptsache ist, daß sie mit dir schlafen.«

Ich will es vorsichtig dabei bewenden lassen, frage aber doch:»Und Eduard?«

»Was geht dich Eduard an? Ich habe dir das doch gerade erklärt.«

»Was?«

»Daß er ein Freier ist. Ein Mann mit Geld. Du hast keins. Ich aber brauche welches. Verstanden?«

»Nein.«

»Das brauchst du auch nicht, Schäfchen. Und beruhige dich – noch ist nichts los, und es wird auch noch lange nichts los sein. Ich sage es dir schon zur Zeit. Und nun mach kein Drama draus. Das Leben ist anders, als du denkst. Merk dir nur eins: Recht hat immer der, der mit der Frau im Bett liegt. Weißt du, was ich jetzt möchte?«

»Was?«

»Noch eine Stunde schlafen – und dann ein Hammelragout mit Knoblauch für uns kochen, mit viel Knoblauch -«

»Kannst du das hier?«

Gerda zeigt auf einen alten Gasherd, der auf der Kommode steht.»Ich koche dir darauf ein Diner für sechs Personen, wenn’s sein muß. Tschechisch! Du wirst staunen! Dazu holen wir uns Bier vom Faß aus der Kneipe unten. Geht das mit deiner Illusion über die Liebe zusammen? Oder zerbricht der Gedanke an Knoblauch etwas Wertvolles in dir?«

»Nichts«, erwidere ich und fühle mich korrumpiert, aber auch so leicht wie lange nicht.

XVI

So eine Überraschung!«sage ich.»Und das am frühen Sonntagmorgen!«

Ich habe geglaubt, einen Räuber in der Dämmerung herumrumoren zu hören; aber als ich herunterkomme, sitzt da, um fünf Uhr früh, Riesenfeld von den Odenwälder Granitwerken.»Sie müssen sich geirrt haben«, erkläre ich.»Heute ist der Tag des Herrn. Da arbeitet selbst die Börse nicht. Noch weniger wir schlichten Gottesleugner. Wo brennt es? Brauchen Sie Geld für die Rote Mühle?«

Riesenfeld schüttelt den Kopf.»Einfacher Freundschaftsbesuch. Habe einen Tag zwischen Löhne und Hannover. Bin gerade angekommen. Wozu jetzt noch ins Hotel gehen? Kaffee gibt es ja bei Ihnen auch. Was macht die scharmante Dame von drüben? Steht sie früh auf?«

»Aha!«sage ich.»Die Brunst hat Sie also hergetrieben! Gratuliere zu soviel Jugend. Aber Sie haben Pech. Sonntags ist der Ehemann zu Hause. Ein Athlet und Messerwerfer.«

»Ich bin Weltchampion im Messerwerfen«, erwidert Riesenfeld ungerührt.»Besonders, wenn ich zum Kaffee etwas Bauernspeck und einen Korn gehabt habe.«

»Kommen Sie mit nach oben. Meine Bude sieht zwar noch wüst aus, aber ich kann Ihnen dort Kaffee machen. Wenn Sie wollen, können Sie auch Klavier spielen, bis das Wasser kocht.«

Riesenfeld wehrt ab.»Ich bleibe hier. Die Mischung von Hochsommer, Morgenfrühe und Denkmälern gefällt mir. Macht hungrig und lebenslustig. Außerdem steht hier der Schnaps.«

»Ich habe viel besseren oben.«

»Mir genügt dieser.«

»Gut, Herr Riesenfeld, wie Sie wollen!«

»Was schreien Sie so?«fragt Riesenfeld.»Ich bin inzwischen nicht taub geworden.«

»Es ist die Freude, Sie zu sehen, Herr Riesenfeld«, erwidere ich noch lauter und lache scheppernd.

Ich kann ihm nicht gut erklären, daß ich hoffe, Georg mit meinem Geschrei zu wecken und ihn darüber zu orientieren, was los ist. Soviel ich weiß, ist der Schlächter Watzek gestern abend zu irgendeiner Tagung der Nationalsozialisten gefahren, und Lisa hat die Gelegenheit benutzt, herüberzukommen, um einmal durchzuschlafen im Arm ihres Geliebten. Riesenfeld sitzt, ohne daß er es weiß, als Wächter vor der Tür zum Schlafzimmer. Lisa kann nur noch durchs Fenster raus.

»Gut, dann hole ich den Kaffee herunter«, sage ich, laufe die Treppe hinauf, nehme die»Kritik der reinen Vernunft«, schlinge einen Bindfaden darum, lasse sie aus meinem Fenster heraus und pendele damit vor Georgs Fenster. Inzwischen schreibe ich mit Buntstift auf ein Blatt die Warnung:»Riesenfeld im Büro«, mache ein Loch in den Zettel und lasse ihn über den Bindfaden auf den Band Kant hinunterflattern. Kant klopft ein paarmal, dann sehe ich von oben Georgs kahlen Kopf. Er macht mir Zeichen. Wir vollführen eine kurze Pantomime. Ich mache ihm mit den Händen klar, daß ich Riesenfeld nicht loswerden kann. Rauswerfen kann ich ihn nicht; dazu ist er zu wichtig für unser tägliches Brot.

Ich ziehe die»Kritik der reinen Vernunft«wieder hoch und lasse meine Flasche Schnaps hinab. Ein schöner, gerundeter Arm greift danach, bevor Georg sie fassen kann, und zieht sie hinein. Wer weiß, wann Riesenfeld verschwindet? Die Liebenden sind inzwischen dem scharfen Morgenhunger nach durchwachter Nacht ausgesetzt. Ich lasse deshalb meine Butter, mein Brot und ein Stück Leberwurst hinunter. Der Bindfaden kommt, mit Lippenstift rot am Ende verschmiert, wieder hoch. Ich höre den seufzenden Laut, mit dem der Kork die Flasche freigibt. Romeo und Julia sind für den Augenblick gerettet.

Als ich Riesenfeld seinen Kaffee präsentiere, sehe ich Heinrich Kroll über den Hof kommen. Der nationale Geschäftsmann hat neben seinen übrigen verwerflichen Eigenschaften auch noch die, früh aufzustehen. Er nennt das: die Brust Gottes freier Natur darzubieten. Unter»Gott«versteht er selbstverständlich nicht ein gütiges Fabelwesen mit einem langen Bart, sondern einen preußischen Feldmarschall.

Bieder schüttelt er Riesenfeld die Hand. Riesenfeld ist nicht übermäßig erfreut.»Lassen Sie sich durch mich von nichts abhalten«, erklärt er.»Ich trinke hier nur meinen Kaffee und döse dann ein bißchen, bis es Zeit für mich wird.«

»Aber das wäre doch! Ein so seltener und lieber Gast!«Heinrich wendet sich mir zu.»Haben wir denn keine frischen Brötchen für Herrn Riesenfeld?«

»Da müssen Sie die Witwe des Bäckers Niebuhr oder Ihre Mutter fragen«, erwidere ich.»Anscheinend wird in der Republik sonntags nicht gebacken. Eine unerhörte Schlamperei! Im kaiserlichen Deutschland war das anders.«

Heinrich schießt mir einen bösen Blick zu.»Wo ist Georg?«fragt er kurz.

»Ich bin nicht der Hüter Ihres Bruders, Herr Kroll«, antworte ich bibelfest und laut, um Georg über die neue Gefahr zu informieren.

»Nein, aber Sie sind Angestellter meiner Firma! Ich ersuche Sie, entsprechend zu antworten.«

»Es ist Sonntag. Sonntags bin ich kein Angestellter. Ich bin heute nur freiwillig, aus überschäumender Liebe zu meinem Beruf und aus freundschaftlicher Verehrung für den Beherrscher des Odenwälder Granits, so früh heruntergekommen. Unrasiert, wie Sie vielleicht bemerken, Herr Kroll.«

»Da sehen Sie es«, sagt Heinrich bitter zu Riesenfeld.»Dadurch haben wir den Krieg verloren. Durch die Schlamperei der Intellektuellen und durch die Juden.«

»Und die Radfahrer«, ergänzt Riesenfeld.

»Wieso die Radfahrer?«fragt Heinrich erstaunt.

»Wieso die Juden?«fragt Riesenfeld zurück.

Heinrich stutzt.»Ach so«, sagt er dann lustlos.»Ein Witz. Ich werde Georg wecken.«

»Ich würde das nicht tun«, erkläre ich laut.

»Geben Sie mir gefälligst keine Ratschläge!«

Heinrich nähert sich der Tür. Ich halte ihn nicht ab. Georg müßte taub sein, wenn er inzwischen nicht abgeschlossen hätte.»Lassen Sie ihn schlafen«, sagt Riesenfeld.»Ich habe keine Lust auf große Unterhaltungen so früh.«

Heinrich hält inne.»Warum machen Sie nicht einen Spaziergang durch Gottes freie Natur mit Herrn Riesenfeld?«frage ich.»Wenn Sie dann zurückkommen, ist der Haushalt aufgewacht, Speck und Eier brodeln in der Pfanne, Brötchen sind extra für Sie gebacken worden, ein Bukett frisch gepflückter Gladiolen ziert die düsteren Paraphernalien des Todes, und Georg ist da, rasiert und nach Kölnisch Wasser duftend.«

»Gott soll mich schützen«, murmelt Riesenfeld.»Ich bleibe hier und schlafe.«

Ich zucke ratlos die Achseln. Ich kriege ihn nicht aus der Bude.»Meinetwegen«, sage ich.»Dann gehe ich inzwischen Gott loben.«

Riesenfeld gähnt.»Ich wußte nicht, daß die Religion hier in so hohem Ansehen steht. Sie werfen ja mit Gott herum wie mit Kieselsteinen.«

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