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»Können Sie uns darüber berichten, was das hier für eine Brigade ist?«, fragte Lion.

»Eine gute Brigade.« Semetzki lächelte zärtlich. »Das Hip- Hop-Ensemble ›Lustige Tollkirschen‹.«

»Opa!« Natascha war peinlich berührt.

»Diese Jungs haben das Recht, alles zu erfahren«, schnitt ihr Semetzki das Wort ab. »Ich kam ursprünglich nach Neu- Kuweit, um meine Enkelin anzufeuern. Sie ist Solistin im Ensemble… Sie war es. Hier fand ein interplanetares Festival statt, und ich bin der Sponsor der ›Lustigen Tollkirschen‹«, krächzte er. »Na ja, offen gesagt, der kommerzielle Direktor, der Besitzer. Wir wollten gerade abfliegen, als alles begann. Gott sei Dank ist keinem Mädchen etwas passiert, das Zeug wirkte nicht auf sie. Nach der Begegnung mit euch begann ich nachzudenken… Und als mir klar wurde, dass wir es nicht schaffen würden, den Planeten zu verlassen, brachte ich meine Mädchen in Sicherheit. Wir hätten sofort starten und nicht das Raumschiff voll stopfen sollen!« Er schlug mit der Faust kräftig auf die Armlehne des Rollstuhls.

»Das hatte ich dir auch gesagt«, warf Natascha schnell ein.

»Tja, so sind wir also mit den ›Lustigen Tollkirschen‹ in die Berge gegangen…«

»Opa!«

»Ist ja schon gut. Jetzt ist es die Sonderbrigade des Imperiums ›Die Schrecklichen‹. Nach den Vorschriften des Gesetzes über den Ausnahmezustand habe ich als ehemaliger Offizier des Sicherheitsdienstes das Recht, beliebige Bürger des Imperiums zur Erfüllung von Spezialaufgaben zu verpflichten.«

»Sie haben im SD gedient?« Lion war begeistert.

»Vor langer Zeit.« Semetzki nickte. »Aber altes Eisen rostet nicht. Bei uns, mein Freund, geht man nicht in Rente.«

»Also habt ihr früher Hip-Hop getanzt?«, wandte ich mich an Natascha. »Und jetzt seid ihr Partisanen?«

»Was erstaunt dich daran so sehr?«, erwiderte Semetzki an ihrer Stelle. »Weißt du, welchen Belastungen die Mädchen im Ensemble ausgesetzt sind? Das ist anstrengender als Grundwehrdienst.«

»Versuch doch mal eine dreifache Drehung auf einer Hand zu machen…«, murmelte Natascha und wurde rot.

Ich rief mir in Erinnerung, wie problemlos die Mädchen mit der Armbrust zurechtkamen und sich im Wald bewegten. Tja, das war kein schlechtes Ensemble!

»Außerdem haben alle Mädchen eine Ausbildung in Selbstverteidigung«, fuhr Semetzki fort. »Das ist gut für Atmung und Reaktionsschnelligkeit. Ich will nicht übertreiben, aber im Einzelkampf kann Natascha einen beliebigen erwachsenen Mann auf den Boden werfen. Natürlich nur, wenn er keine Spezialausbildung hat.«

»Und was haben sie bereits erreicht?«, hakte ich nach.

Semetzki und Natascha schauten sich an. Der Schweinebaron nickte und Natascha begann:

»Vernichtet wurden circa siebzig Mann der Streitkräfte des Feindes. Außer Gefecht gesetzt wurden drei Kampfwagen der Infanterie, ein schwerer Panzer, zwei Aufklärungsskooter, vier automatische Sonden. In die Luft gesprengt wurden zwei militärische Vorratslager, sieben Kilometer eingleisiger Strecke, zwei Bergtunnel mit einer Gesamtlänge von neunundsechzig Metern sowie eine einhundertundachtzig Meter lange Brücke. Verteilt wurden circa vierzigtausend Flugblätter, dreimal gelang uns mit unserer Sendung ›Neues vom Widerstand‹ ein Eindringen in das gesamtplanetare Informationsnetz. Versandt wurden mehr als dreihundert Millionen E-Mails, in der die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen wird. Mehr als vierzig Witze, welche die Armee und die herrschende Schicht des Inej bloßstellen, wurden ausgedacht und verbreitet.«

Lion und ich begannen zu lachen, Semetzki schaute uns daraufhin vorwurfsvoll an.

»Das ist falsch, Jungs! Zehn Witze, die zur rechten Zeit erzählt werden, können dem System mehr Schaden zufügen als ein Atomsprengkopf! Wie man so sagt: Steter Tropfen…«

»Gesammelt wurde eine bedeutende Menge an Nachrichtenmaterial«, fuhr Natascha fort. »Mit der Bevölkerung wird Aufklärungsarbeit durchgeführt. Wir planen…«, sie zögerte, »eine Einschüchterungsaktion in besonders großem Maßstab. War’s das, Opa?«

»Der Raketenschlag«, erinnerte Semetzki. »Und über die Abteilung an sich.«

»Auf die Hauptstadt wurde eine Rakete abgefeuert, aber die Folgen sind unbekannt.« Natascha bedauerte das offensichtlich. »Als wir ein Vorratslager der Armee eroberten, fanden wir dort ›Samum‹-Raketen… Wir haben keine Verluste an Kämpfern, jedoch Kranke und Leichtverletzte, die Stimmung ist gut, wir sind bereit, unseren Dienst für das Imperium weiterzuführen.«

»Prächtige Mädchen habe ich«, bekundete Semetzki stolz. »Früher hatte ich eine Enkelin, und jetzt — fünfunddreißig.«

»Sagen Sie bitte, was geht eigentlich auf dem Planeten vor?«, fragte ich. »Im Imperium weiß man kaum etwas über die Ereignisse.«

Semetzki holte tief Luft. »Wir verfolgen die Nachrichten… wissen also Bescheid. Es steht schlecht um den Planeten, Jungs. Unserer Meinung nach wurde die Bevölkerung einer Gehirnwäsche über die Neuroshunts unterzogen. Stimmt das?«

Ich nickte.

»Die Grundlagen dafür sind als Trojaner mit den auf Inej produzierten Programmen eingedrungen, der Neuroshunt diente als Detonator?«

Ich nickte erneut.

»Das ist schlimm.« Semetzki atmete ein. »Die Situation stellt sich folgendermaßen dar: Die Gehirnwäsche erfasste 85 bis 90 Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Unter Erwachsenen verstehe ich alle Menschen, die älter als zehn Jahre sind, obwohl die Kleinen ebenfalls teilweise infiziert wurden. Diese Schweinehunde haben ihre Programme auch in Trickfilmen versteckt! Sogar in Lehrprogrammen für kleine Kinder. Retten konnten sich nur jene, die selten Unterhaltungssendungen oder populärwissenschaftliche Beiträge schauten. Leute, die an anderen Dingen interessiert waren, begeisterte Touristen, Sektenmitglieder, Workaholics, Naturliebhaber der Liga ›Zurück zur Natur‹. Aber auch sie konnten sich nicht lange halten. Erstens: Was kann man gegen die allgemeine Liebe zum Inej setzen? Gegen Mütter und Väter, Ehemänner und Ehefrauen, Kinder, Freunde, alle, die dich davon überzeugen, dass die Unterwerfung unter Inej der Sinn unserer Existenz sei? Zweitens: Es gibt so etwas wie Psychoinduktion. Wisst ihr, was das ist? Wenn ein gesunder Mensch in die Gesellschaft ausschließlich psychisch Kranker gebracht wird, dann wird er glauben, dass diese im Recht seien. Bedingung dabei ist, dass der Unsinn folgerichtig erscheint und von geachteten Leuten ausgeht. In ein paar Monaten wird die gesamte Bevölkerung von Neu-Kuweit Inej und dem Präsidenten ergeben sein.«

»Ist der Präsident eine Frau?«, wollte ich wissen.

Semetzki nickte. »Ja. Inna Snow.«

Unwillkürlich musste ich lächeln.

»Ein viel sagender Name« stimmte Semetzki zu. »Aber die Dame… Oho, die ist nicht unkompliziert…«

»Und wie sieht sie aus?«, fragte ich nach.

Semetzki fasste in seine Jackentasche und holte ein Blatt Papier heraus. Man konnte erkennen, dass es aus einer guten Zeitschrift herausgerissen war, das Foto war nämlich dreidimensional…

Es zeigte eine mittelgroße Frau in weiter, weißer Kleidung inmitten fröhlich lächelnder Menschen: Militärs in Uniform, Zivilisten in Anzügen, Kosmonauten in Raumanzügen… An der einen Hand hielt die Frau einen kleinen Jungen in einem grellen Anzug, die andere legte sie einem Invaliden im Rollstuhl auf die Schulter. Aus den Augenwinkeln schaute ich auf den Rollstuhl Semetzkis — seiner war besser.

Das Gesicht der Frau war jedoch von einem dichten, weißen Schleier bedeckt.

»Was, hat niemand ihr Gesicht gesehen?« Ich wunderte mich.

Semetzki nickte schweigend.

»Vielleicht ist sie eine Fremde!«, rief ich. »Eine stinkende Tzygu im Raumanzug! Oder irgendwer anders!«

»Das interessiert niemanden!«, erwiderte Semetzki. »Alle, die eine Gehirnwäsche erhalten haben, glauben daran, dass sie eine nette, gute und kluge Frau mittleren Alters ist. Siehst du, sie beäugen sie, wie die Hammel ein neues Tor.«

»Schwachköpfe«, meinte ich. Ein unklares Gefühl drängte mich, zu Lion zu blicken.

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