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»Verfügen Sie über Geräte zur Kontrolle seines Gehirns?«, fragte ich.

»Zur Feststellung einer Arbeit im Dauerbetrieb?«, konkretisierte Stasj.

Ich nickte.

»Tikkirej, unsere Zeit ist wahrscheinlich äußerst begrenzt…«, begann Stasj. Dann winkte er ab und trug Lion zu einer der Türen.

Dort befand sich der Navigationsraum — ebenfalls klein, mit drei Sitzen vor dem Pult. Hinter den Sesseln sah man eine kleine Nische, die nicht einmal mit einer Wand abgeteilt war. Und in ihr befanden sich zwei halbdurchsichtige Zylinder aus dunklem Glas mit den bekannten Betten.

Ich begann sofort zu zittern.

»Entschuldige,aberdasistdieeinfachste Diagnosemöglichkeit«, stieß Stasj heraus. Er öffnete einen Zylinder, legte Lion hinein, holte ein Kabel und schloss es an Lions Neuroshunt an.

Ich wartete schweigend, schaute auf den Freund und biss die Zähne zusammen. Er hatte mich noch darum beneidet, dass ich auf Dauerbetrieb war, dieser Dummkopf!

»Komm her, Tikkirej«, rief mich Stasj, »schau dir das an…«

Am Kopfende des Bettes leuchtete ein kleiner Bildschirm. Ich verstand keines der Symbole und Stasj erläuterte:

»Sein Gehirn arbeitet. Ich würde nicht riskieren, das als Dauerbetrieb zu bezeichnen, da er ja isoliert arbeitet, aber die Struktur ist der von Onlineoperationen sehr ähnlich.«

»Und was verarbeitet er?«

Stasj zuckte mit den Schultern.

»Wenn man das wüsste… Wir werden jetzt die Belastung messen.«

Seine Finger glitten über die Sensoren.

»Er ist intensiv tätig«, meinte Stasj einigermaßen erstaunt, »oho, wie die Glukose abgefallen ist… dein Freund ist jetzt sehr beschäftigt. Verstehst du, Tikkirej, das menschliche Gehirn arbeitet gern. Denkt gern. Bei der Arbeit im Dauerbetrieb öffnet es alle seine Ressourcen für die Datenverarbeitung. Der Nachteil besteht darin, dass es dabei keinerlei Entscheidungen trifft, und die Gebiete, die für den Prozess der Zielbestimmung verantwortlich sind, erweisen sich als überflüssig. Und beginnen abzusterben als etwas Unnötiges, wandeln sich um… Teufel!«

Er verstummte und schaute auf die Indikatoren.

»Was ist passiert?«, fragte ich kläglich.

»Tikkirej, das ist nicht nur Dauerbetrieb, das ist ein Wasserfall…«

»Geht es ihm schlecht?«

»Er hat großes Pech.«

Stasj nahm meine Hand: »Er arbeitet um drei Ordnungen intensiver als unter Dauerbetrieb. Nun ja, er muss ja auch keine Informationen mit der Außenwelt austauschen. Tikkirej, in einigen Stunden wird dein Freund hilflos sein wie ein Mensch nach zwei bis drei Jahren unter Dauerbetrieb.«

»Kapitän Stasj…«

»Seit vierzig Jahren bin ich Stasj. Tikkirej, ich weiß nicht, was wir machen sollen.«

»Kann man ihn bremsen? Beruhigen?«

»Er schläft ja schon, Tikkirej. Um die Arbeit des Gehirns zu unterbrechen, müsste man ihn töten.«

»Anabiose!«, rief ich, »haben Sie eine Kammer?«

»Ja. Aber auf die Anabiose muss man sich fast einen Tag lang vorbereiten. Man kann ihn nicht einfrieren.«

Hier merkte ich selbst, dass ich einen blödsinnigen Vorschlag gemacht hatte. Damit ein Mensch die Anabiose überlebt, damit er nicht mit »Eiszapfen an den Wimpern« herumliegt, muss das gesamte Wasser im Organismus gebunden werden, indem man es mit speziellen Zusätzen versieht. Auf die Anabiose bereitete man sich mindestens zehn Stunden lang vor.

»Also dann wird er schwachsinnig?«, fragte ich.

»Er wird so, wie ihn Inej braucht.« Stasj richtete sich auf und breitete die Arme aus: »Das ist etwas anderes. Die Veränderung des Bewusstseins ist dem Dauerbetrieb ähnlich, aber doch anders.«

Ich streichelte Lions Hand, sah Stasj an und bat: »Schließen Sie ihn auf Dauerbetrieb an und überhäufen Sie ihn mit Rechenoperationen. Irgendwelchen.«

»Wie bitte?«, Stasj verdüsterte sich.

»Vielleicht wird die eine Aufgabe die andere verdrängen?«

Stasj wich zurück und schaute mit leichtem Zweifel auf Lion.

»Und wenn ihn das umbringt? Bist du bereit, für deinen Freund zu entscheiden?«

»Ich bin bereit«, bestätigte ich, und das waren die schwerwiegendsten Worte, die ich jemals ausgesprochen hatte.

»Tikkirej, ich habe bisher noch niemals mit Modulen gearbeitet…« Stasj hob die Hände. »Kannst du ihn festschnallen?«

»Sicher. Ich habe selbst so dagelegen.«

Nach einigen Minuten war Lion von einer durchsichtigen Haube bedeckt. Stasj setzte sich ans Steuerpult und schloss lässig sein eigenes Kabel an. Das Schiff schien zu erbeben — mit einem Mal begannen alle bis dahin ruhenden Geräte zu funktionieren. Stasj’ Augen schienen wie von einem Tuch verhüllt zu sein — jetzt war er das Schiff, fühlte jeden Geräteblock, jedes Kabel und jeden Prozessor.

»Setz dich, schnall dich an, schließ das Kabel an«, sprach Stasj langsam und gepresst, »wir bereiten uns auf den Start vor, Tikkirej.«

Ich warf mich in den Sitz, der sich langsam an meinen Körper anpasste, und befestigte die Sicherheitsgurte, die sich sofort ausdehnten und mich umschlangen. Ich wusste lediglich aus Filmen, wie man sich in einem echten Pilotensessel zu benehmen hatte. Bis jetzt ging alles gut.

»Geh online…«, sagte Stasj schwerfällig, »ich gebe dir das Außenpanorama, versuche, dich darauf einzustellen.«

Nachdem ich die Haare zurückgestrichen hatte, loggte ich mich in das Bildverarbeitungssystem ein. Und atmete hörbar ein, denn vor mir breitete sich eine vollkommen neue Welt aus.

Der Navigationsraum des Raumschiffes verschwamm und löste sich auf. Mir war so, als ob ich aus einer Höhe von zehn Metern gleichzeitig in alle Richtungen schaute. Ich sah sowohl die Stadt in der Ferne als auch die Menschen, die langsam die Tragen zu einem riesigen Passagierliner schoben, und weitere Raumschiffe — leblos, wie tot.

Außerdem gab es nebenan etwas Körperliches. Jemand Großes, Freundliches und sehr Beschäftigtes — wie eine Flamme blauen Feuers, die am Rand des Gesichtsfelds loderte.

An der Peripherie, obwohl ich jetzt in alle Richtungen schauen konnte.

»Kapitän Stasj?«, flüsterte ich. Und merkte, dass ich gar nicht laut redete.

»Ja, Tikkirej.« Die Flamme wurde etwas auffälliger. »Ich muss mich konzentrieren, schau dich einfach um, okay?«

Ich sah mich um. Ich genoss das Geschehen. Es ähnelte ganz und gar nicht dem Anschluss an den Schulcomputer mit seinem bescheidenen Dutzend veralteter Videokameras. Dort glich die Welt einer Flickendecke, hier wurde sie zu einem Ganzen.

»Schön…«, hauchte ich. Und erschrak: »Stasj, und Lion?«

»Gleich werde ich ihn einbeziehen.«

Beruhigt schaute ich mich weiter um. Sah nach oben — und erblickte ganz weit weg im Himmel den Schlund des Zeitkanals. Er sah aus wie ein Klumpen absoluter Leere inmitten eines Vakuums.

Schön…

»Wenn es das Passagierschiff auch schaffen würde, den Planeten zu verlassen, wäre das ein großer Erfolg«, machte sich Stasj bemerkbar. »Eine neue Statistik.«

»Dann werden Sie mich nicht mehr brauchen«, erwiderte ich.

Stasj antwortete nicht sofort: »Das denkst also…«

»Es stimmt doch?«, fragte ich. »Lion und mich brauchen Sie doch für Untersuchungen?«

»Warum hätte ich dann wohl deinen Freund auf Dauerbetrieb geschalten?«

»Auch als… Experiment.«

Nur hier, im virtuellen Raum des Schiffes, konnte ich Stasj diese Worte sagen. Von Angesicht zu Angesicht hätte ich es nicht riskiert.

Nicht, weil ich Angst hatte, aber es wäre mir nicht möglich gewesen.

»Tikkirej«, sagte Stasj nach einer Weile, »von deinem Standpunkt aus erscheint das alles sicherlich logisch und überzeugend. Aber es stimmt nicht. Wir meinen, dass man in unbestimmten Situationen so handeln sollte, wie es ethisch am besten ist. Es hat sich so ergeben, dass das auch am wahrhaftigsten für unsere Situation ist. Niemand hat vor, dich zu untersuchen und deinen Freund auch nicht. Du willst nicht — das ist dein Recht. Ich werde euch zum Avalon bringen und mit der Staatsbürgerschaft helfen. Das ist alles.«

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