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Aber die Trikolore wehte immer noch über dem Achterschiff, und obwohl der Rumpf tief im Wasser lag, sah Bolitho Leute an ihren Kanonen und eine Gestalt — wie bisher — auf dem Achterdeck.

«Ziel aufgefaßt!«Stepkynes rauhe Stimme durchbrach die Stille.

Bolitho ballte die Fäuste. Streicht die Flagge, verdammt noch mal! Streicht sie! Doch obwohl er so gern dem anderen Kommandanten seinen Willen aufgezwungen hätte, wußte er, daß er selber in gleicher Lage genauso gehandelt hätte.

Der Feind trieb jetzt mit dem Bug voran, so daß Bolitho die großen Löcher in seinen achteren Aufbauten und das pendelnde Tauwerk über seinem Heck sehen konnte. Er sah auch das Namensschild und las den Namen: Fortune. Es schien ihm, als schwenkte ein Offizier seinen Degen gegen die Hyperion, als sie vorbeizog, und dann feuerte der Feind seine letzte Salve mit den beiden Heckgeschützen, die auf dem Deck unterhalb der zertrümmerten Kajütenfenster standen.

Bolitho fühlte den Stoß, als die eine der beiden Kugeln in das Schanzkleid einschlug, und hörte das Pfeifen der Holzsplitter, die um ihn herumflogen; aber all dies war vergessen, als die Hyperion unter dem Rückstoß ihrer eigenen Breitseite schwerfällig überholte.

Als der Qualm abgezogen war, sah er, wie der Großmast des Feindes krachend herunterkam, doch er verschwand nicht seitwärts in der See; denn im selben Augenblick ging ein Ruck durch das Schiff, dann noch einer, und dann schlug es in seiner ganzen Länge auf dem Felsen auf. Über das Tosen des Windes hinweg konnten sie das Splittern von Holz und das Einströmen des Wassers hören. Die letzte Breitseite mußte die meisten Leute auf dem Oberdeck getötet oder verwundet haben, denn nun wurde das Schiff unter seinen zerfetzten Segeln noch einmal hilflos angehoben und dann quer auf das Riff geworfen, wobei sein Fockmast brach und mitten zwischen die auf der Back umherirrenden Leute fiel.

Bolitho wandte sich angeekelt ab. Er hörte, wie der Franzose auseinanderbrach, und konnte sich vorstellen, welche Panik unter Deck herrschen mußte, wenn die schweren Kanonen sich losrissen und von einer Seite auf die andere rollten, während die eingeschlossenen Matrosen im vergeblichen Versuch, dieser Hölle zu entfliehen, gegen das einbrechende Wasser ankämpften.

Aber die Trikolore war endlich verschwunden. Nicht gestrichen, sondern vom Geschützfeuer der Hyperion weggeblasen.

Er wandte sich langsam um.»Ihre weiteren Befehle, Sir?»

Doch seine Augen wurden starr, als Pelham-Martin schwankte und aufs Deck hinuntersank. Sein Uniformrock hatte sich im Wind geöffnet, und unter seiner Achselhöhle wurde ein heller Blutfleck sichtbar, der sich auf seiner weißen Weste schnell ausbreitete.

Bolitho rief laut:»Ein Mann zu Hilfe! Mr. Carlyon, holen Sie den Doktor!«Dann ließ er sich auf ein Knie nieder und schlang den Arm um die Schultern des Kommodore.»Nur ruhig, Sir.»

Pelham-Martin schien nicht imstande, etwas zu sagen. Seine Miene spiegelte eher Erstaunen als Schmerz.

«Tragen Sie den Kommodore in seine Kajüte!»

Bolitho trat zur Seite, als Trudgeon, der Schiffsarzt, begleitet von seinen Maaten, aufs Achterdeck eilte.

Pelham-Martin keuchte:»Um Gottes willen! Seht euch vor, verdammt noch mal!»

Inch fragte:»Ist es so schlimm, Sir?»

Bolitho ging ans Schanzkleid und sah sich die aufgerissene Stelle über der Stückpforte an, wo die Kugel — wahrscheinlich ein Zwölf-pfünder — getroffen und wie mit einer Axt Teile aus dem Holz geschlagen hatte. Die Geschützbedienung war wahrscheinlich gerade beiseite getreten, um das andere Schiff zu beobachten. Anderenfalls wäre sie als Schutzschild für den Kommodore gestorben.

Er antwortete:»Holzsplitter verursachen die schlimmsten Wunden, wie Sie wissen. Ich staune, daß er es nicht stärker fühlte.»

Dann ging er an die Reling hinüber und schaute Steuerbord achteraus zum feindlichen Zweidecker, der immer wieder von den Wellen angehoben und auf das Riff geschmettert wurde. Gemessen an dem Winkel, den sein Achterdeck mit dem übrigen Schffskör-per bildete, mußte ihm schon das Rückgrat gebrochen sein. Es war doch seltsam, daß Pelham-Martin ohne seine hartnäckige Forderung nach diesem letzten Angriff jetzt noch unverletzt gewesen wäre.

Inch meldete:»Die Hermes hat die Telamon in Schlepp genommen, Sir.»

Gossett kam über das Deck und berührte die Einschlagstelle mit Verwunderung.»Was mag die Froschfresser veranlaßt haben, diesen letzten Schuß abzufeuern?»

Bolitho merkte, daß ihn Müdigkeit übermannte.»Hätten Sie das nicht auch getan?«Er wandte sich wieder zu Inch um.»Hat die Spartan ihre Prise gesichert?»

«Aye, Sir. «Inch betrachtete ihn besorgt.»Sie reicht ihrem Prisenkommando gerade eine Schlepptrosse hinüber.»

«Sehr gut. Schicken Sie Leute nach oben, und nehmen Sie einige Segel weg. Dann lassen Sie ein Signal für Hermes und Spartan setzen. «Sein Gesicht verfinsterte sich und er bemühte sich, nicht an die Geräusche des Schiffes zu denken, das auf dem Riff zerbrach und nicht an die Sinnlosigkeit seiner letzten Geste.»Wir fahren zurück nach St. Kruis. Lassen Sie nur so viel Segel stehen, wie erforderlich sind, um mit den anderen Schritt zu halten, und melden Sie, wenn alle bereit zum Rückmarsch sind.»

Er sah sich um, als Trudgeon aus der Hütte trat, wobei er sich noch die Hände abtrocknete.»Nun?»

Der Schiffsarzt war ein griesgrämiger, verschlossener Mann, der kein überflüssiges Wort sagte.»In der Tat ein Holzsplitter, Sir. Ist seitlich unter der rechten Achselhöhle eingedrungen. Ziemlich tief, würde ich sagen.»

«Können Sie ihn entfernen?»

«Wenn es sich um einen einfachen Seemann handelte, würde ich keinen Augenblick zögern, Sir. «Er zuckte die Achseln.»Aber der Kommodore schien nicht gewillt, sich von mir berühren zu lassen.»

«Bleiben Sie bei ihm, bis ich Zeit habe, nach achtern zu kommen. «Als Trudgeon Anstalten machte, zu gehen, setzte er eisig hinzu:»Und wenn ich Sie jemals dabei erwische, daß Sie einen einfachem Seemann weniger sorgfältig behandeln als einen meiner Offiziere, dann wird es Ihre letzte Behandlung gewesen sein.»

Inch zögerte, bis der Schiffsarzt verschwunden war.»Müssen wir denn nach St. Kruis zurück, Sir?»

«Die Telamon wird ohne Hilfe niemals durchkommen. «Er dachte an die Hochrufe, an die schrecklichen Verluste und an die unbestreitbare Tapferkeit der holländischen Seeleute.»De Ruyter[7] wäre stolz auf sie gewesen«, setzte er ruhig hinzu.»Und ich will sie jetzt nicht im Stich lassen.»

Er ging zur Querreling, die Achterdeck und Hauptdeck voneinander trennte, und lehnte sich gegen sie. Dabei übertrug sich das leichte Zittern des Schiffes auf seinen Körper, als wären sie fest miteinander verbunden. Unter ihm waren die Matrosen dabei, die Kanonen wieder festzuzurren und das Deck von Pulverresten zu säubern, wobei sie einander Scherzworte zuriefen. Wahrscheinlich wußten sie nicht, daß ihr Kommodore verwundet war. Ob sie die Ironie überhaupt verstehen würden, daß er ihr einziger Verwundeter an Bord war?

Inch beobachtete die Toppsgasten, die sich an den Stagen herunterhangelten, und sagte:»Das heißt, Sie befehligen jetzt das Geschwader, Sir.»

Bolitho lächelte.»Nicht, solange der Kommodorestander weht, Mr. Inch.»

Er dachte plötzlich an all jene, die gefallen oder fürs Leben ve r-stümmelt worden waren, seit das Schiff Plymouth verlassen hatte.»Ich glaube nicht, daß der Kommodore lange liegen wird. Wenn wir in ruhigeres Wasser kommen, wird Mr. Trudgeon den Splitter herausziehen können.»

Carlyon meldete:»Signal von Hermes, Sir: Beide Schleppzüge klar zur Weiterfahrt.»

«Verstanden. «Bolitho schaute Inch an.»Sie können jetzt halsen. Setzen Sie sich in Luv von den anderen. Aus dieser Position können wir sie besser schützen. «Er warf noch einen Blick hinauf in die Segel.»Ich werde den Kommodore informieren.»

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Admiral Michiel A. de Ruyter, 1607 — 1676, Held der britischholländischen Seekriege

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