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Leise öffnete sich die Tür, und Allday kam in die Kajüte, seine stämmige Gestalt hielt sich in einem grotesken Winkel zum schrägen Deck.

Allday sah ihn bedrückt an.»Bitte um Entschuldigung, Captain, aber Petch, Ihr Diener, hat gesagt, Sie hätten noch nichts gegessen, seit Sie heute an Bord gekommen sind. «Er ignorierte Bolithos Stirnrunzeln.»Ich habe mir deshalb erlaubt, Ihnen etwas Wildpastete zu bringen. «Er hob eine Platte hoch, die mit einem silbernen Deckel bedeckt war.»Mrs. Bolitho hat sie mir extra für Sie gegeben, Captain.»

Bolitho protestierte nicht, als Allday die Platte auf den sich neigenden Schreibtisch stellte und sich um ein Besteck kümmerte. Wildpastete. Cheney mußte sie für ihn verpackt haben, als er sich morgens anzog.

Allday tat so, als ob er den Ausdruck auf Bolithos Gesicht nicht wahrnähme, und nutzte die Gelegenheit, Bolithos Säbel von einem Sessel zu nehmen und ihn an seinen Platz an der Schottwand zu hängen. Er schimmerte stumpf im Licht der schwankenden Lampen, und Allday sagte leise:»Ohne ihn wäre es nicht mehr so wie früher.»

Aber Bolitho antwortete nicht. Der Säbel, die Waffe seines Vaters und früher seines Großvaters, war so etwas wie ein Talisman und ein viel diskutiertes Thema unter den Decks, wenn dort das Gespräch auf Bolithos Taten gebracht wurde. Der Säbel war ein Teil seiner Person, seines Herkommens und seiner Tradition, doch in diesem Augenblick konnte er an nichts anderes denken als an das, was er hinter sich zurückließ. Gerade jetzt würden die Pferde über die Straße nach Plymouth traben. Fünfzig Meilen bis Fal-mouth, wo sein Hausmeister und Diener Ferguson, der einen Arm vor den Saintes verloren hatte, darauf warteten, sie zu begrüßen. Über dem Klatschen der Gischt gegen die Scheiben der Fenster, dem Knarren der Planken und Balken und dem alles übertönenden Rauschen der Leinwand glaubte er, Cheneys Lachen zu hören. Vielleicht war es Einbildung, aber er spürte ihre Berührung, hatte den Geschmack ihrer Frische auf den Lippen.

Ohne auf Allday zu achten, knöpfte er sein Hemd auf und betrachtete das kleine Medaillon, das er um den Hals trug. Es enthielt eine Locke ihres Haars, war ein Talisman, besser als jede Waffe.

Die Tür öffnete sich, und ein durchnäßter Midshipman sagte atemlos:»Mr. Inchs Respekt, Sir, und er bittet um Erlaubnis, ein zweites Reff einzustecken.»

Bolitho erhob sich. Sein Körper übernahm das stetige Schwanken des Schiffs.»Ich komme sofort. «Dann sah er Allday an und lächelte flüchtig.»Wir haben wenig Zeit für Träume, wie es scheint. «Er folgte dem begierigen Blick des Midshipman und fügte hinzu:»Und auch keine für Wildpastete.»

Allday blickte ihm nach und setzte dann den silbernen Deckel wieder auf die Platte. So wie jetzt hatte er den Kommandanten noch nie erlebt und war darüber beunruhigt. Er sah zu dem Säbel hinüber, der an seinem Haken pendelte, hatte wieder vor Augen, wie die Klinge im Sonnenlicht funkelte, als Bolitho die französische Batterie bei Cozar erstürmte, auf den blutbedeckten Planken eines feindlichen Schiffes angriff, so viele Taten so viele Male begangen hatte. Doch jetzt schien Bolitho verändert zu sein, und Allday verfluchte den Mann, der die Hyperion bei der Blockade eingesetzt und nicht an einen Ort geschickt hatte, wo gekämpft wurde.

Er dachte auch an die Frau, die Bolitho geheiratet hatte. Zum erstenmal waren die beiden sich an Bord dieses Schiffes begegnet. Er blickte sich um, und es fiel ihm schwer, es zu glauben. Vielleicht war es das, was fehlte. Cheney Seton war ein Teil des Schiffes gewesen, hatte die Gefahren und die Schrecken gekannt, wenn der alte Rumpf unter einer Breitseite erbebte und dem alles niedermähenden Wind des Todes. Auch Bolitho würde daran denken, davon war er überzeugt. Daran denken und sich daran erinnern, und das war schlecht.

Allday schüttelte den Kopf und ging auf die Tür zu. Es war schlecht einfach deswegen, weil sie alle mehr denn je zuvor von ihm abhingen. Ein Kommandant hatte niemanden, mit dem er seinen Kummer teilen konnte, und niemanden, der ihm seine Schuld abnahm, wenn er versagte. Er ging an dem Wachtposten vorbei und kletterte durch eine enge Luke. Eine Plauderei und ein Glas mit dem Segelmacher könnte ihm über seine Befürchtungen hinweghelfen, hoffte er. Aber er war sich dessen nicht sicher.

II Unter dem Kommodorestander

Richard Bolitho beendete die Eintragung ins Logbuch und lehnte sich müde in seinem Sessel zurück. Selbst in der geschützten Kajüte war die Luft kalt und feucht, und der Lederbezug seines Schreibtischstuhls fühlte sich klamm an. Das Schiff hob sich, hielt inne und taumelte dann in einer ungestümen, korkenzieherartigen Bewegung vorwärts, bei der selbst Nachdenken zu einer bewußten Willensanstrengung wurde. Er wußte aber, wenn er wieder auf das vom Wind überfegte Achterdeck zurückging, würde er für nicht mehr als nur wenige Minuten Frieden finden.

Er starrte durch die dicken Scheiben der Heckfenster. Sie waren aber so von Salz verkrustet und mit herabrinnendem Sprühwasser bedeckt, daß man nur gerade noch den Tag von der Nacht unterscheiden konnte. Es war kurz vor der Mittagsstunde, aber es konnte jede andere Tageszeit sein. Der Himmel war entweder schwarz und zeigte keine Sterne oder war schiefergrau wie jetzt. Und so war es Tag für Tag gewesen, während die Hyperion weiter und weiter nach Südosten segelte und tiefer in die Biskaya vorstieß.

Er war auf die Beschwerlichkeiten und die Langeweile des Blok-kadedienstes durchaus vorbereitet, und als am zweiten Tag nach dem Auslaufen von Plymouth der Ausguck im Mast die Schiffe des Geschwaders gesichtet hatte, war er bereits entschlossen, aus allem das Beste zu machen. Aber wie er nach fast fünfundzwanzig Dienstjahren auf See hätte wissen müssen: bei der Marine konnte man sich auf nichts mit Sicherheit verlassen.

Seine Befehle besagten, daß er sich dem Kommando von Vizeadmiral Sir Manley Cavendish unterstellen und seinen Platz mit all den anderen wettererprobten Schiffen bei der ständigen Bewachung einnehmen sollte, die über das Geschick von England und damit der gesamten Welt entscheiden konnte. Vor jedem französischen Hafen überstanden diese Schiffe Stürme oder kreuzten unermüdlich in ihrer kein Ende nehmenden Patrouille auf und ab, während dichter unter der Küste und manchmal sogar in Reichweite feindlicher Batterien schlanke Fregatten, die Augen der Flotte, jede Schiffsbewegung meldeten. Sie sammelten Informationen von aufgebrachten Küstenfahrzeugen oder segelten bei ihrer unaufhörlichen Suche nach Nachrichten verwegen fast in die französischen Häfen selbst hinein.

Seit Howes Sieg an jenem glorreichen l. Juni hatten die Franzosen wenig Neigung zu einem weiteren großen Zusammenstoß gezeigt, aber wie jeder andere denkende Offizier hatte Bolitho erkannt, daß diese bedrückende Tatenlosigkeit nicht ewig dauern konnte. Nur der Kanal trennte den Feind von einer Invasion Englands, doch bis die Franzosen eine starke Invasionsflotte aufgestellt hatten, war dieser Wasserstreifen so gut wie ein Ozean.

In den großen Kriegshäfen Brest und Lorient konnten sich die französischen Linienschiffe nicht regen, ohne von den kreuzenden Fregatten beobachtet und gemeldet zu werden, während in jedem anderen Hafen an der Westküste bis hinunter nach Bordeaux andere Schiffe warteten und auf eine Chance lauerten, sich davonzuschleichen und sich schnell den anderen Streitkräften im Norden anzuschließen. Bald würde es soweit sein, daß sie einen Ausbruch versuchten. Wenn das geschah, war es lebenswichtig, daß die Nachrichten über die Bewegungen des Feindes schnell die schweren Geschwader erreichten und, wichtiger noch, richtig gedeutet wurden, damit Maßnahmen ergriffen wurden, sie zu stellen und zu vernichten.

Schweigend hatte Bolitho in Lee des Flaggschiffes verharrt und beobachtet, wie die Flaggen zur Rah des mächtigen Dreideckers aufstiegen und Midshipman Gascoigne mit seinen Signalgasten sich verzweifelt abmühte, mit den Bestätigungen nachzukommen. Bei dieser Gelegenheit hatte er den ersten Hinweis darauf erhalten, daß nicht alles so war wie erwartet.

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