«Meine Herren, ich habe Sie zusammengerufen«, Pelham-Martin räusperte sich und trank erst einmal einen Schluck Wein,»zur letzten Konferenz, bevor wir lossegeln.»
Er beendete das allgemeine Gemurmel, indem er fortfuhr:»Angesichts der spärlichen Informationen, die wir besitzen, sehe ich keine andere Lösung, als den Plan anzunehmen, den Kapitän Bo-litho unterbreitet hat. «Er senkte den Blick, zwei Schweißtropfen rannen an seinen Schläfen herunter.»Es sieht inzwischen so aus, als wäre dieser Plan mehr wert, als es anfangs den Anschein hatte. «Er schaute zu de Block hinüber.»Der Gouverneur von St. Kruis hat mich über das Verschwinden seines Schoners Fauna informiert. Er war mit Versorgungsgütern zu einigen Nachbarinseln unterwegs und ist nicht zurückgekehrt. «Er sah Bolitho an, bevor er fortfuhr:»Eine seiner Stationen sollten die Pascua-Inseln sein.»
Bolitho fragte ruhig:»Ich dachte, die seien unbewohnt?»
De Block nickte.»Da gibt es nur eine Mission und ein paar Fischer. Sie pflegen hierher zurückzukehren, wenn die Stürme einsetzen.»
Pelham-Martin sagte:»Also fahren wir fort. Wir haben noch viel zu tun und nur wenig Zeit.»
Bolitho war von der Schärfe seines Tons überrascht. Es schien, als könne es Pelham-Martin nun, da er sich festgelegt hatte, nicht schnell genug gehen.
«Sowie die Konferenz beendet ist, wird Kapitän Farquhar Anker auf gehen und nach Nordwesten vorstoßen. Da er durch die Lücke in den Riffen eindringen soll, muß die Spartan morgen bei Tagesanbruch auf ihrer Ausgangsposition stehen. «Pelham-Martin schaute wieder auf Bolitho.»Ich setze meine Flagge auf der Hyperion, und gemeinsam mit der Hermes werden wir uns auf eine Position nordöstlich von den Inseln begeben. Das wird uns den Windvorteil sichern, falls und wenn der Feind ausbrechen will. «Er warf dem Kommandanten der Dasher einen Blick zu.»Ihre Korvette hält sich weiter südlich. Wenn er flieht, werden Sie Fühlung mit ihm halten, so gut Sie können.»
Er machte eine Pause und nippte an seinem Glas.
De Block fragte:»Sie haben die Telamon nicht erwähnt?»
«Richtig. «Pelham-Martin studierte die Karte, während er antwortete.»Ich kann das Schiff nicht länger bei mir einreihen. Nach dem Verlust des Schoners ist die Telamon Ihre einzige Verbindung mit der Außenwelt; Ihr einziger Schutz gegen Seeräuber und Kaperschiffe. Außerdem ist sie — bei allem Respekt — recht alt. Ihre Zeit in der Schlachtlinie ist vorbei.»
Bolitho betrachtete die beiden Männer und fühlte die Spannung ringsum.
Es war schwierig, Pelham-Martins wahre Gründe zu erahnen. Er mochte noch immer nach einem Entschuldigungsgrund für seine spätere Verteidigung suchen. Ohne die Telamon, altmodisch und unterarmiert wie sie war, konnte er später einen möglichen Rückzug angesichts großer Übermacht rechtfertigen.
De Block antwortete sanft:»Weder ich noch ihr Kommandant haben irgendwelche Bedenken, bei Ihnen mitzumachen. Als Sie St. Kruis vor Lequiller retteten, wußten wir alle, daß wir einmal eine Schuld zurückzuzahlen haben würden. Falls Lequiller entkommen und in seine Heimat zurückgelangen sollte, sieht unsere Zukunft sowieso düster aus. Wenn er dort erst berichtet, wie wir ihm widerstanden haben, wer kann dann voraussagen, was aus uns wird?»
Danach schaute er Bolitho traurig an.»Kapitän Mulder hat mir berichtet, was Sie gesagt haben. Es scheint so, als ob unsere beiden Länder bald im Krieg gegeneinander stehen werden. Es kommt, wie es muß, aber ich hätte gern ein kleines bißchen Rühmenswertes, an das ich mich mit Stolz erinnern kann, wenn alles vorüber ist.»
Farquhar sagte:»Dann ist also alles geregelt, Sir. Vielleicht könnte ich jetzt diesen Steuermannsmaaten kennenlernen?»
Seine Unterbrechung wirkte wie ein Kaltwasserguß, aber Bolitho war sie nichtsdestoweniger willkommen. Je schneller es vorbei war, desto eher konnten sie wieder in See gehen.
Als sein Bruder den Raum betrat, preßte Bolitho den Rücken gegen die Stuhllehne und bemühte sich, woanders hinzusehen, sobald Hugh sich dem Tisch näherte.
Der Kommodore fragte:»Man hat mir gesagt, Sie könnten die Spartan durch die Riffe auf der Westseite der Inseln lotsen?»
«Aye, Sir.»
Farquhar beugte sich über die Karte.»Es gibt hier aber nur wenige Anhaltspunkte, Mr. Selby. «Ausnahmsweise hatte er damit Gefühle offenbart, die Gefühle eines Kommandanten, der sein Schiff — und möglicherweise seine Karriere — in die Hände eines Mannes legen sollte, der ihm völlig unbekannt war.
Alle schauten zu, als der Steuermannsmaat mit seinem Finger einen Kurs auf der Karte andeutete.
«Hier verläuft ein guter Kanal, Sir: tiefes Wasser in zwei engen Furchen zwischen den Riffs. Ich rate, die Boote auszusetzen, falls der Wind abflauen sollte. Sie könnten uns dann hindurchschleppen. «Er rieb sich das Kinn.»Und wir brauchen zwei gute Lotgasten in den vorderen Rüsten. «Er brach ab, weil er bemerkte, daß Farquhar in anstarrte.»Sir?»
Farquhar fragte:»Wissen Sie genau, daß Sie noch nie unter mir gefahren sind?»
«Ganz genau, Sir.»
«Also dann…«Farquhar beobachtete ihn immer noch nachdenklich.»Woher stammt Ihre gute Kenntnis dieser Gewässer?»
Bolitho packte die Seitenarme seines Stuhls und fühlte, wie sich Schweiß über seinen Augenbrauen sammelte, als er darauf wartete, daß Farquhars Stutzen sich in plötzliches Erkennen verwandeln würde.
Aber Hughs Antwort war ruhig und selbstsicher:»Von der alten Pegasus, Sir. Wir haben hier vor ein paar Jahren Vermessungen ausgeführt.»
Farquhars Miene entspannte sich.»Dann haben Sie Ihre Zeit damals nicht verschwendet, Mr. Selby. Dachten Sie nie daran, sich um ein Offizierspatent zu bemühen?»
«Ich bin zufrieden, Sir. «Hugh beugte sich wieder über die Karte.»Und Sie kennen die Redensart, Sir: >Für die achtern die Ehre, für die vorn den Respekt!»«
Einen Augenblick dachte Bolitho, Hugh sei zu weit gegangen. Farquhar trat einen Schritt zurück, weil ihm plötzlich bewußt wurde, daß er sich zu nahe mit einem Untergebenen eingelassen hatte. Sein Mund verengte sich zu einer dünnen Linie.
Dann machte er eine wegwerfende Bewegung.»So, sagt man das?»
Pelham-Martin stand auf.»Wir haben alles besprochen, meine Herren. «Er holte tief Luft, als suche er nach einem kernigen Abschlußwort, dessen sie sich später erinnern würden.»Falls wir Le-quiller finden, sorgen Sie dafür, daß Ihre Leute tapfer kämpfen und daß der Gedanke an eine Niederlage nicht erst aufkommt. «Er setzte sein Glas ab und starrte mit leerem Blick darauf nieder.»Gehen Sie jetzt auf Ihre Schiffe, und rufen Sie auch alle Boote zurück. Wenn wir klar vom Riff und auf die Luvseite von Pascua kommen wollen, dürfen wir keine Zeit mehr verlieren.»
Als die anderen den Raum verlassen hatten, kehrte Bolitho zum Tisch zurück.»Das war eine gute Entscheidung, Sir. Und — wenn ich das sagen darf — auch eine tapfere.»
Pelham-Martin blickte mit undurchschaubarem Ausdruck an ihm vorbei.»Der Teufel soll Sie holen, Bolitho!«Sein Ton blieb dabei ganz ruhig.»Wenn wir uns mit diesem Ort geirrt haben und dort nichts finden, können mich auch die allerbesten Absichten nicht retten. «Sein Blick irrte herum und blieb dann auf Bolithos Gesicht haften.»Das könnte aber auch für Sie gelten. Wenn Sie — was ich sehr bezweifle — so lange am Leben bleiben, werden Sie eines Tages entdecken, daß Tapferkeit allein nicht immer genügt. Ich hoffe, daß Sie diesem Tag dann gewachsen sein werden.»
Bolitho ergriff seinen Hut.»Danke, Sir.»
Als er die Treppenstufen hinunterging, stand ihm noch immer Pelham-Martin vor Augen, und seine Worte erschienen ihm wie eine Grabinschrift.
Vielleicht sollte man Pelham-Martin wegen seiner Befehlsbefugnisse eher bemitleiden als respektieren. Im Unterschied zu den anderen Führern zur See war er ungeheuer ängstlich. Es war nicht die Angst zu sterben oder einen Fehler zu machen, doch fürchtete er, zu versagen und seine eigene Unentschlossenheit zu zeigen. Aber das waren Dinge, die Bolitho nur ahnte. Pelham-Martin hatte sicher seine Schwäche schon immer gekannt, aber sich von einem System dennoch nach oben schieben lassen, das er weder verstand noch beherrschte.