2439 Da suchte sich Herr Dietrich selber sein Gewand;
Ihm half, daß er sich waffnete, der alte Hildebrand.
Da klagte so gewaltig der kraftvolle Mann,
Daß von seiner Stimme das Haus zu schüttern begann.
2440 Dann gewann er aber wieder rechten Heldenmuth.
Im Grimm ward gewaffnet da der Degen gut.
Seinen Schild, den festen, den nahm er an die Hand:
Sie giengen bald von dannen, er und Meister Hildebrand.
2441 Da sprach von Tronje Hagen: "Dort seh ich zu uns gehn
Dietrich den Herren: der will uns bestehn
Nach dem großen Leide, das wir ihm angethan.
Nun soll man heute schauen, wen man den Besten
nennen kann.
2442 "Und dünkt sich denn von Berne der Degen Dieterich
Gar so starkes Leibes und so fürchterlich.
Und will ers an uns rächen was ihm ist geschehn,"
Also sprach da Hagen, "ich bin wohl Mann ihn
zu bestehn."
2443 Die Rede hörte Dietrich mit Meister Hildebrand.
Er kam, wo er die Recken beide stehen fand
Außen vor dem Hause, gelehnt an den Saal.
Seinen Schild den guten, den setzte Dietrich zu Thal.
2444 In leidvollen Sorgen sprach da Dietrich:
"Wie habt ihr so geworben, Herr Gunther, wider mich,
Einen Heimathlosen? Was that ich euch wohl je,
Daß alles meines Trostes ich nun verwaiset mich seh?
2445 "Ihr fandet nicht Genüge an der großen Noth,
Als ihr uns Rüdigeren, den Recken, schluget todt:
Ihr missgönntet sie mir alle, Die mir unterthan.
Wohl hätt ich solchen Leides euch Degen nimmer gethan.
2446 "Gedenkt an euch selber und an euer Leid,
Eurer Freunde Sterben und all die Noth im Streit,
Ob es euch guten Degen nicht beschwert den Muth.
O weh, wie so unsanft mir der Tod Rüdigers thut!
2447 "So leid geschah auf Erden Niemanden je.
Ihr gedachtet wenig an mein und euer Weh.
Was ich Freuden hatte, das liegt von euch erschlagen:
Wohl kann ich meine Freunde nimmer genug beklagen."
2448 "Wir sind wohl nicht so schuldig," sprach Hagen
entgegen.
"Zu diesem Hause kamen alle eure Degen
Mit großem Fleiß gewaffnet in einer breiten Schar.
Man hat euch wohl die Märe nicht gesagt, wie sie war."
2449 "Was soll ich andere glauben? mir sagt Hildebrand:
Euch baten meine Recken vom Amelungenland,
Daß ihr ihnen Rüdigern gäbet aus dem Haus:
Da botet ihr Gespötte nur meinen Recken heraus."
2450 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Sie wollten Rüdgern
tragen,
Sagten sie, von hinnen: das ließ ich versagen
Etzeln zum Trotze, nicht aber deinem Heer,
Bis darob zu schelten Wolfhart begann, der Degen hehr."
2451 Da sprach der Held von Berne: "Es sollte nun so sein.
Gunther, edler König, bei aller Tugend dein
Ersetze mir das Herzeleid, das mir von dir geschehn;
Versühn es, kühner Ritter, so laß ichs ungerochen gehn.
2452 "Ergieb dich mir zum Geisel mit Hagen deinem Mann:
So will ich euch behüten, so gut ich immer kann,
Daß euch bei den Heunen hier Niemand Leides thut.
Ihr sollt an mir erfahren, daß ich getreu bin und gut."
2453 "Das verhüte Gott vom Himmel," sprach Hagen
entgegen,
"Daß sich dir ergeben sollten zwei Degen,
Die noch in voller Wehre dir gegenüber stehn,
Das wär uns Unehre: die Feigheit soll nicht geschehn."
2454 "Ihr solltets nicht verweigern," sprach wieder Dietrich.
"Gunther und Hagen, ihr habt so bitterlich
Beide mir bekümmert das Herz und auch den Muth,
Wollt ihr mir das vergüten, daß ihr es billiglich thut.
2455 "Ich geb euch meine Treue, und reich euch drauf
die Hand,
Daß ich mit euch reite heim in euer Land.
Ich geleit euch wohl nach Ehren, ich stürbe denn den Tod,
Und will um euch vergeßen all meiner schmerzhaften
Noth."
2456 "Begehrt es nicht weiter," sprach wieder Hagen:
"Wie ziemt es, wenn die Märe wär von uns zu sagen,
Daß zwei so kühne Degen sich ergäben eurer Hand?
Sieht man bei euch doch Niemand als alleine
Hildebrand."
2457 Da sprach Meister Hildebrand: "Gott weiß, Herr Hagen,
Den Frieden, den Herr Dietrich euch hat angetragen,
Es kommt noch an die Stunde vielleicht in kurzer Frist,
Daß ihr ihn gerne nähmet, und er nicht mehr
zu haben ist."
2458 "Auch nähm ich eh den Frieden," sprach Hagen
entgegen,
"Eh ich mit Schimpf und Schande so vor einem Degen
Flöhe, Meister Hildebrand, als ihr hier habt gethan:
Ich wähnt auf meine Treue, ihr stündet beßer euerm
Mann."
2459 Da sprach Meister Hildebrand: "Was verweiset ihr
mir das?
Nun wer wars, der auf dem Schilde vor dem
Wasgensteine saß,
Als ihm von Spanien Walther so viel der Freunde schlug?
Wohl habt ihr an euch selber noch zu rügen genug."
2460 Da sprach der edle Dietrich: "Wie ziemt solchen Degen
Sich mit Worten schelten wie alte Weiber pflegen?
Ich verbiet es, Meister Hildebrand sprecht hier nicht
mehr.
Mich heimathlosen Recken zwingt so große Beschwer.
2461 "Laßt hören, Freund Hagen," sprach da Dieterich,
"Was spracht ihr zusammen, ihr Helden tugendlich,
Als ihr mich gewaffnet sahet zu euch gehn?
Ihr sagtet, ihr alleine wolltet mich im Streit bestehn."
2462 "Das wird euch Niemand läugnen," sprach Hagen
entgegen,
"Wohl will ichs hier versuchen mit kräftigen Schlägen,
Es sei denn, mir zerbreche das Nibelungenschwert:
Mich entrüstet, daß zu Geiseln unser beider ward
begehrt."
2463 Als Dietrich erhörte Hagens grimmen Muth,
Den Schild behende zuckte der schnelle Degen gut.
Wie rasch ihm von der Stiege entgegen Hagen sprang!
Niblungs Schwert das gute auf Dietrichen laut erklang.
2464 Da wuste wohl Herr Dietrich, daß der kühne Mann
Grimmen Muthes fechte; zu schirmen sich begann
Der edle Vogt von Berne vor ängstlichen Schlägen.
Wohl erkannt er Hagen, er war ein auserwählter Degen.
2465 Auch scheut’ er Balmungen, eine Waffe stark genug.
Nur unterweilen Dietrich mit Kunst entgegenschlug
Bis daß er Hagen im Streite doch bezwang.
Er schlug ihm eine Wunde die gar tief war und lang.
2466 Der edle Dietrich dachte: "Dich schwächte lange Noth;
Mir brächt es wenig Ehre, gäb ich dir den Tod.
So will ich nur versuchen, ob ich dich zwingen kann,
Als Geisel mir zu folgen." Das ward mit Sorgen gethan.
2467 Den Schild ließ er fallen: seine Stärke, die war groß;
Hagnen von Tronje mit den Armen er umschloß.
So ward von ihm bezwungen dieser kühne Mann.
Gunther der edle darob zu trauern begann.
2468 Hagnen band da Dietrich und führt’ ihn, wo er fand
Kriemhild die edle, und gab in ihre Hand
Den allerkühnsten Recken, der je Gewaffen trug.
Nach ihrem großen Leide ward sie da fröhlich genug.
2469 Da neigte sich dem Degen vor Freuden Etzels Weib:
"Nun sei dir immer selig das Herz und auch der Leib.
Du hast mich wol entschädigt aller meiner Noth:
Ich will dirs immer danken, es verwehr es denn der Tod."
2470 Da sprach der edle Dietrich: "Nun laßt ihn am Leben,
Edle Königstochter: es mag sich wohl begeben,
Daß euch sein Dienst vergütet das Leid, das er euch that:
Er soll es nicht entgelten, daß ihr ihn gebunden saht."
2471 Da ließ sie Hagnen führen in ein Haftgemach,
Wo Niemand ihn erschaute und er verschloßen lag.
Gunther der Edle hub da zu rufen an:
"Wo blieb der Held von Berne? Er hat mir Leides
gethan."
2472 Da gieng ihm hin entgegen von Bern Herr Dieterich.
Gunthers Kräfte waren stark und ritterlich;
Da säumt’ er sich nicht länger, er rannte vor den Saal.
Von ihrer Beider Schwertern erhob sich mächtiger Schall.
2473 So großen Ruhm erstritten Dietrich seit alter Zeit,
In seinem Zorne tobte Gunther zu sehr im Streit:
Er war nach seinem Leide von Herzen feind dem Mann.
Ein Wunder must es heißen, daß da Herr Dietrich
entrann.
2474 Sie waren alle Beide so stark und muthesvoll,
Daß von ihren Schlägen Pallas und Thurm erscholl,
So hieben sie mit Schwertern auf die Helme gut.
Da zeigte König Gunther einen herrlichen Muth.
2475 Doch zwang ihn Der von Berne, wie Hagnen war
geschehn.
Man mochte durch den Panzer das Blut ihm fließen sehn
Von einem scharfen Schwerte: das trug Herr Dieterich
Doch hatte sich Herr Gunther gewehrt, der müde,
ritterlich.
2476 Der König ward gebunden von Dietrichens Hand,
Wie nimmer Könige sollten leiden solch ein Band.
Er dachte, ließ’ er ledig Gunthern und seinen Mann,
Wem sie begegnen möchten, die müsten all den Tod
empfahn.
2477 Dietrich von Berne nahm ihn bei der Hand,
Er führt’ ihn hin gebunden, wo er Kriemhilden fand.
Ihr war mit seinem Leide des Kummers viel benommen.
Sie sprach: "König Gunther, nun seid mir höchlich
willkommen."
2478 Er sprach: "Ich müst euch danken, viel edle Schwester
mein,
Wenn euer Gruß in Gnaden geschehen könnte sein.
Ich weiß euch aber, Königin, so zornig von Muth,
Daß ihr mir und Hagen solchen Gruß im Spotte thut."
2479 Da sprach der Held von Berne: "Königstochter hehr,
So gute Helden sah, man als Geisel nimmermehr
Als ich, edle Königin, bracht in eure Hut.
Nun komme meine Freundschaft den Heimathlosen
zu Gut."
2480 Sie sprach, sie thät es gerne. Da gieng Herr Dieterich
Mit weinenden Augen von den Helden tugendlich.
Da rächte sich entsetzlich König Etzels Weib:
Den auserwählten Recken nahm sie Leben und Leib.
2481 Sie ließ sie gesondert in Gefängniss legen,
Daß sich nie im Leben wiedersahn die Degen,
Bis sie ihres Bruders Haupt hin vor Hagen trug.
Kriemhildens Rache ward an Beiden grimm genug.
2482 Hin gieng die Königstochter, wo sie Hagen sah;
Wie feindselig sprach sie zu dem Recken da:
"Wollt ihr mir wiedergeben, was ihr mir habt genommen,
So mögt ihr wohl noch lebend heim zu den Burgunden
kommen."
2483 Da sprach der grimme Hagen: "Die Red ist gar verloren,
Viel edle Königstochter. Den Eid hab ich geschworen,
Daß ich den Hort nicht zeige: so lange noch am Leben
Blieb Einer meiner Herren, so wird er Niemand
gegeben."
2484 "Ich bring es zu Ende," sprach das edle Weib.
Dem Bruder nehmen ließ sie Leben da und Leib.
Man schlug das Haupt ihm nieder: bei den Haaren
sie es trug
Vor den Held von Tronje: da gewann er Leids genug.
2485 Als der Unmuthvolle seines Herren Haupt ersah,
Wider Kriemhilden sprach der Recke da:
"Du hasts nach deinem Willen zu Ende nun gebracht;
Es ist auch so ergangen, wie ich mir hatte gedacht.
2486 "Nun ist von Burgunden der edle König todt,
Geiselher der junge dazu Herr Gernot.
Den Hort weiß nun Niemand als Gott und ich allein:
Der soll dir Teufelsweibe immer wohl verhohlen sein."
2487 Sie sprach: "So habt ihr üble Vergeltung mir gewährt;
So will ich doch behalten Siegfriedens Schwert.
Das trug mein holder Friedel, als ich zuletzt ihn sah,
An dem mir Herzensjammer vor allem Leide geschah."
2488 Sie zog es aus der Scheide, er konnt es nicht wehren.
Da dachte sie dem Recken das Leben zu versehren.
Sie schwang es mit den Händen, das Haupt schlug
sie ihm ab.
Das sah der König Etzel, dem es großen Kummer gab.
2489 "Weh!" rief der König, "wie ist hier gefällt
Von eines Weibes Händen der allerbeste Held,
Der je im Kampf gefochten und seinen Schildrand trug!
So feind ich ihm gewesen bin, mir ist leid um ihn genug."
2490 Da sprach Meister Hildebrand: "Es kommt ihr nicht
zu gut,
Daß sie ihn schlagen durfte; was man halt mir thut,
Ob er mich selber brachte in Angst und große Noth,
Jedennoch will ich rächen dieses kühnen Tronjers Tod."
2491 Hildebrand im Zorne zu Kriemhilden sprang:
Er schlug der Königstochter einen Schwertesschwang.
Wohl schmerzten solche Dienste von dem Degen sie;
Was könnt es aber helfen, daß sie so ängstlich schrie?
2492 Die da sterben sollen, die lagen all umher:
Zu Stücken lag verhauen die Königin hehr.
Dietrich und Etzel huben zu weinen an
Und jämmerlich zu klagen manchen Freund
und Unterthan.
2493 Da war der Helden Herrlichkeit hingelegt im Tod:
Die Leute hatten alle Jammer und Noth.
Mit Leide war beendet des Königs Lustbarkeit,
Wie immer Leid die Freude am lezten Ende verleiht.
2494 Ich kann euch nicht bescheiden, was seither geschah,
Als daß man immer weinen Christen und Heiden sah,
Die Ritter und die Frauen und manche schöne Maid:
Sie hatten um die Freunde das allergrößeste Leid.
2495 Ich sag euch nun nicht weiter von der großen Noth:
Die da erschlagen waren, die laßt liegen todt.
Wie es im Heunenlande dem Volk hernach gerieth,
Hie hat die Mär ein Ende: das ist das Nibelungenlied.