1157 Da standen vor dem Berge, die Kriemhild gesandt,
Und mancher ihrer Freunde: man ließ den Schatz
zur Hand
Zu dem Meere bringen an die Schiffelein
Und führt’ ihn auf den Wellen bis zu Berg in den Rhein.
1158 Nun mögt ihr von dem Horte Wunder hören sagen:
Zwölf Leiterwagen konnten ihn kaum von dannen
tragen
In vier Tag und Nächten aus des Berges Schacht,
Hätten sie des Tages den Weg auch dreimal gemacht.
1159 Es war auch nichts anders als Gestein und Gold.
Und hätte man die ganze Welt erkauft mit diesem Gold,
Um keine Mark vermindern möcht es seinen Werth.
Wahrlich Hagen hatte nicht ohne Grund sein begehrt.
1160 Der Wunsch lag darunter, ein golden Rüthelein:
Wer es hätt erkundet, der möchte Meister sein
Auf der weiten Erde wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden zogen mit Gernot Viele hinan.
1161 Als Gernot der Degen und der junge Geiselher
Des Horts sich unterwanden, da wurden sie auch Herr
Des Landes und der Burgen und der Recken wohlgestalt:
Die musten ihnen dienen zumal durch Furcht
und Gewalt.
1162 Als sie den Hort gewannen in König Gunthers Land,
Und sich darob die Königin der Herrschaft unterwand,
Kammern und Thürme die wurden voll getragen;
Man hörte nie von Schätzen so große Wunder wieder
sagen.
1163 Und wären auch die Schätze noch größer tausendmal,
Und wär der edle Siegfried erstanden von dem Fall,
Gern wäre bei ihm Kriemhild geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden eines Weibes Treue so groß.
1164 Als sie den Hort nun hatte, da brachte sie ins Land
Viel der fremden Recken; wohl gab der Frauen Hand,
Daß man so große Milde nie zuvor gesehn.
Sie übte hohe Güte: das muste man ihr zugestehn.
1165 Den Armen und den Reichen zu geben sie begann.
Hagen sprach zum König: "Läßt man sie so fortan
Noch eine Weile schalten, so wird sie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, daß es uns übel
muß ergehn."
1166 Da sprach König Gunther: "Ihr gehört das Gut:
Wie darf ich mich drum kümmern, was sie mit ihm thut?
Ich konnt es kaum erlangen, daß sie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie sie theilet ihr Gestein und rohes
Gold."
1167 Hagen sprach zum König: "Es vertraut ein kluger Mann
Doch solche Schätze billig keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben wohl noch an den Tag,
Da es sehr gereuen die kühnen Burgunden mag."
1168 Da sprach König Gunther: "Ich schwur ihr einen Eid,
Daß ich ihr nie wieder fügen wollt ein Leid,
Und will es künftig meiden: sie ist die Schwester mein."
Da sprach wieder Hagen: "Laßt mich den Schuldigen
sein."
1169 Sie nahmen ihre Eide meistens schlecht in Hut:
Da raubten sie der Witwe das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüßel dazu sich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte, als ihm das wurde bekannt.
1170 Da sprach der junge Geiselher: "Viel Leides ist geschehn
Von Hagen meiner Schwester: dem sollt ich widerstehn:
Wär er nicht mein Blutsfreund, es gieng’ ihm
an den Leib."
Wieder neues Weinen begann da Siegfriedens Weib.
1171 Da sprach König Gernot: "Eh wir solche Pein
Um dieses Gold erlitten, wir solltens in den Rhein
All versenken laßen: so gehört’ es Niemand an."
Sie kam mit Klaggebärde da zu Geiselher heran.
1172 Sie sprach: "Lieber Bruder, du sollst gedenken mein,
Lebens und Gutes sollst du ein Vogt mir sein."
Da sprach er zu der Schwester: "Gewiss, es soll geschehn,
Wenn wir wiederkommen: eine Fahrt ist zu bestehn."
1173 Gunther und seine Freunde räumten das Land,
Die allerbesten drunter, die man irgend fand;
Hagen nur alleine verblieb um seinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte: ihr zum Schaden that er das.
1174 Eh der reiche König wieder war gekommen,
Derweil hatte Hagen den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein.
Er wähnt’, er sollt ihn nutzen; das aber konnte nicht sein.
1175 Bevor von Tronje Hagen den Schatz also verbarg,
Da hatten sie’s beschworen mit Eiden hoch und stark,
Daß er verhohlen bliebe, so lang sie möchten leben:
So konnten sie’s sich selber noch auch Jemand anders
geben.
1176 Die Fürsten kamen wieder, mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen; sie hatten Herzensnoth.
Da stellten sich die Degen, als sännen sie auf seinen Tod.
1177 Sie sprachen einhellig: "Er hat nicht wohlgethan."
Bis er zu Freunden wieder die Fürsten sich gewann,
Entwich er ihrem Zorne: sie ließen ihn genesen;
Aber Kriemhild konnt ihm wohl nicht feinder
sein gewesen.
1178 Mit neuem Leide wieder belastet war ihr Muth,
Erst um des Mannes Leben und nun, da sie das Gut
Ihr so gar benahmen: da ruht’ auch ihre Klage,
So lang sie lebte, nimmer bis zu ihrem jüngsten Tage.
1179 Nach Siegfriedens Tode, das ist alles wahr,
Lebte sie im Leide noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken stäts im Sinne lag:
Sie wahrt’ ihm immer Treue; das rühmen
ihr die Meisten nach.
1180 Eine reiche Fürstenabtei hatte Frau Ute
Nach Dankrats Tod gestiftet von ihrem Gute
Mit großen Einkünften, die es noch heute zieht:
Dort zu Lorsch das Kloster, das man in hohen Ehren sieht.
1181 Dazu gab auch Kriemhild hernach ein großes Theil
Um Siegfriedens Seele und aller Seelen Heil
Gold und Edelsteine mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden ward uns selten noch bekannt.
1182 Seit Kriemhild König Gunthern wieder schenkte Huld
Und dann doch den großen Hort verlor durch seine
Schuld,
Ihres Herzeleides ward da noch viel mehr:
Da zöge gern von dannen die Fraue edel und hehr.
1183 Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit
Zu Lorsch bei ihrem Kloster, reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern sie zog und sich verbarg,
Wo noch die hehre Königin begraben liegt in einem Sarg.
1184 Da sprach die Königswitwe: "Liebe Tochter mein,
Hier magst du nicht verbleiben: bei mir denn sollst du sein,
Zu Lorsch in meinem Hause, und läst dein Weinen
dann."
Kriemhild gab zur Antwort: "Wo ließ’ ich aber meinen
Mann?"
1185 "Den laß nur hier verbleiben," sprach Frau Ute.
"Nicht woll es Gott vom Himmel," sprach da die Gute.
"Nein, liebe Mutter, davor will ich mich wahren:
"Ein Mann muß von hinnen in Wahrheit auch
mit mir fahren."
1186 Da schuf die Jammersreiche, daß man ihn erhub
Und sein Gebein, das edle, wiederum begrub
Zu Lorsch bei dem Münster mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge noch der Degen wohlgestalt.
1187 Zu denselben Zeiten, da Kriemhild gesollt
Zu ihrer Mutter ziehen, wohin sie auch gewollt,
Da muste sie verbleiben, weil es nicht sollte sein:
Das schufen neue Mären, die da kamen über Rhein.