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»Hurra!«, rief Rossi und warf die leere Bierflasche zur Seite. Er nahm Anlauf, sprang mit einem Jauchzer auf das mit Schnee bedeckte Eis und schlitterte. Ich schaute aufmerksam zu, um mir zu merken, wie das gemacht wurde.

Es sah alles sehr leicht aus.

Zuerst der Anlauf, dann aufs Eis — und dann die Beine gerade halten, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Bestimmt würde es schwerer sein, auf dem Eis wieder Anlauf zu nehmen. Aha, so funktionierte es also: Rossi machte kleine Schritte, hob die Füße, und dann sah es aus, als würde er nach vorn springen.

Rosi stürmte nach vorn, ihrem Bruder hinterher. Sie verlor das Gleichgewicht, fiel hin und rutschte auf dem Hinterteil weiter, wobei sie lachte und sich drehte.

»Lion, bleib hier stehen«, bat ich. Ich nahm Anlauf und begab mich ebenfalls aufs Eis.

Es war gar nicht so schwer und machte wirklich Spaß. Ich erinnerte mich, dass es in der Stadt eine Schlittschuhbahn gab und man dort auf dem Eis mit speziellen Geräten, den Schlittschuhen, fuhr. Ich sollte einmal dorthin gehen, denn es klappte prima.

Und schon knallte ich ebenfalls auf den Rücken, rutschte mit den Beinen voran und traf den lachenden Rossi. Rosi, die bereits aufgestanden war, lachte fröhlich über uns.

»Oh, entschuldige«, sagte ich.

»Macht nichts!« Rossi stellte sich auf Hände und Füße und stand auf. Sein Rücken hatte den ganzen Schnee vom Eis gefegt, und ich bemerkte, dass das Eis durchsichtig war. Sogar den Grund konnte man sehen!

»He, schau mal!«, rief ich aus.

Rossi schaute nach unten und seine Fröhlichkeit verflog sofort. Vorsichtig ging er zurück auf die zugeschneite Fläche.

»Was machst du?«, wollte ich wissen. Ich streckte mich auf dem Eis aus und schaute mir die Unterwasserwelt an. Vielleicht konnte man sogar Fische sehen?

»Das Eis ist total dünn«, meinte Rossi schuldbewusst, »weißt du… Es ist bestimmt gefährlich, zu schlittern.«

Rosi schlitterte geschickt auf uns zu. Sie rief:

»Was steht ihr da herum?«

»Rosi, schau doch, das Eis ist ganz dünn!« Rossi zeigte mit der Fußspitze auf die gesäuberte Fläche. Sofort schrie er auf, sprang zur Seite und rief: »Das Eis unter meinen Füßen hat geknackt! Weg hier!«

»Hör auf«, sagte Rosi ungläubig. »Tikkirej, du hast doch wohl keine Angst?«

»Nein«, erwiderte ich. Ich konnte gar nicht verstehen, wovor man Angst haben sollte. Wenn wir auf dem Eis schlittern und es nicht bricht, was sollte sich da auf einmal verändert haben?

»Siehst du, er hat keine Angst!«, stellte Rosi fest.

»Er versteht es einfach nicht«, Rossi wurde immer panischer. »Erinnerst du dich, Mama hat erzählt, wie ein Klassenkamerad ertrunken ist, als sie ein Kind war? Er ist eingebrochen und ertrunken!«

Ich begann mich aufzurichten.

Rosi meinte genervt: »Das Eis ist doch fest, es ist fest!« Und sprang einige Male auf und ab.

Rossi verstummte und zog seinen Kopf ein.

Ich erstarrte auf allen vieren, weil ich ein leichtes Knacksen spürte.

Rosi hörte es sicher nicht.

»Siehst du?«, fragte sie und sprang noch einmal.

Unmittelbar unter ihren Füßen zog sich plötzlich ein dünner, sich verzweigender Riss durchs Eis. Rosi sprang mit einem Aufschrei zur Seite und rannte zum Ufer.

Ich aber stand nach wie vor auf allen vieren und schaute gebannt auf den Zickzack, der auf mich zukam. Der Riss wurde immer breiter, und es war zu sehen, dass das Eis nur vier Zentimeter dick war. Darunter sah man schwarzes, dampfendes Wasser.

»Tikkirej, lauf!«, rief Rossi und wandte sich ebenfalls dem Ufer zu.

Laufen konnte ich schon nicht mehr. Der Riss verlief gerade unter mir. Die Hände waren auf der einen Seite, die Füße auf der anderen. Und der Spalt wurde langsam breiter.

»Tikkirej, was machst du?«

Rosi stand schon am Ufer ungefähr zwanzig Meter entfernt von mir. »Steh auf!«

»Wie?«, rief ich als Antwort. Ich hatte kein bisschen Angst, aber mir war durchaus bewusst, dass ich nicht aufstehen konnte. Ich bog mich jetzt als Brücke über den Riss, der bereits vierzig Zentimeter breit war.

Und er wurde immer größer.

»Rossi, Rossi, lass dir irgendetwas einfallen!«, schrie Rosi.

Ich sah, dass Rossi vorsichtig aufs Eis trat, auf mich zukam — und sofort wieder umkehrte, weil das Eis unter seinen Füßen zu reißen begann.

»Tikkirej!«, rief Rosi.

Mir dämmerte, dass ich ins Wasser springen musste. Was für ein Pech! Aber wenn ich ins Wasser springen würde, könnte ich danach leicht aufs Eis krabbeln und ans Ufer gelangen. Ich würde meine Sachen trocknen, aber trotzdem könnte ich mich erkälten und krank werden, aber einen anderen Ausweg gab es nicht.

»Leute, ich springe ins Wasser!«, schrie ich, »dann krabble ich heraus!«

»Mach das nicht!«, rief Rossi.

Aber ich war schon gesprungen.

Oi…

Das Wasser schien — zum Verbrühen! Alle Achtung! Dass die Eisbader darin baden können! Mir verschlug es den Atem, ich tauchte mit dem Kopf unter, kam wieder nach oben und stieß schmerzhaft mit der Schulter ans Eis.

»Tikkirej!«

»Gleich«, murmelte ich atemlos.

Das Wasser kam mir nicht mehr heiß vor, sondern wurde betäubend kalt.

Ich hielt mich am Eisrand fest, zog mich hoch und hievte den Körper aus dem Wasser. Zuerst ging alles gut, ich war bereits bis zum Gürtel aus dem Wasser und spürte, wie der Wind meine nassen Haare kühlte.

Dann jedoch knackte das Eis unter meinen Händen, brach ab und ich tauchte wieder unter!

Jetzt bekam ich Angst. Ich realisierte, was passiert war: Ich war mit Müh und Not halb aus dem Wasser gekommen, doch mein Körper war zu schwer für das Eis und es brach.

Was sollte ich jetzt nur machen? Wie kam ich hier heraus?

»Leute, helft!«, schrie ich.

Rosi stand schweigend am Ufer, fasste sich an den Kopf und erstarrte. Rossi dagegen rannte hin und her, lief zum Jeep, kam dann zusammenhangslos stammelnd wieder zurück.

Lion ging schweigend nach vorn.

»Bleib stehen!«, schrie ich. »Lion, bleib stehen, beweg dich nicht!«

Natürlich blieb er nicht stehen. Das würde mir gerade noch fehlen, dass auch er einbrach!

Ich begann vorsichtig, mich seitlich aufs Eis zu schieben. So, dass die Kontaktfläche größer war. Und das wäre mir fast gelungen — ich war sogar vollständig draußen!

Aber die Eisfläche brach ab.

Wieder tauchte ich mit dem Kopf unter Wasser, kam an die Oberfläche…

Erschreckt stellte ich fest, dass mein Körper sich weigerte, auf mich zu hören.

Bestimmt vor Kälte. Vielleicht aber auch vor Angst.

»Ich will nicht…«, flüsterte ich, »ich will nicht…«

Etwas bewegte sich an meinem rechten Arm. Mein nasser Pulloverärmel wurde hochgeschoben und ein silbernes Band schoss nach vorne. Es krallte sich einen Meter vom Rand ins Eis.

Die Schlange!

Ich wusste nicht, über welche Reflexe sie verfügte, vielleicht konnte sie überhaupt keine Ertrinkenden retten, sondern wollte lediglich selbst aus dem eisigen Wasser kommen. Aber sie ließ mich nicht im Stich und ich konnte mich an ihr festhalten. Wenigstens vorläufig.

Sie müssen lediglich ein Seil holen, wurde mir mit einem Mal klar, ein ganz gewöhnliches langes Seil, bestimmt ist eins im Jeep: es mir zuwerfen, ich halte mich daran fest und sie ziehen mich ans Ufer. Das muss ich ihnen sagen.

Aber ich konnte nichts sagen. Es war, als ob mir die Zunge abgestorben wäre. Alles, was ich konnte, war, mich an dem Schlangenschwert festzuhalten und auf das so nahe Ufer zu schauen.

Zu Lion, der auf dem Eis lag und auf mich zukroch.

Das musste ihm einer von ihnen befohlen haben, Rosi oder Rossi. Diese Feiglinge!

Er konnte ja nicht einmal schwimmen!

Lion kroch schnell. Als er nur noch einen Meter von mir entfernt war und seine Hand sich auf den Kopf der Schlange legte, die sich ins Eis gebohrt hatte, nahm ich meine Kräfte zusammen und befahl:

»Kriech zurück!«

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