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Er war schon anwesend. Dünn, lang, kahl geschoren — lediglich auf dem Scheitel thronte ein langes Haarbüschel. Am Anfang hatte ich mich etwas vor seinem Anblick gefürchtet. Aber nicht lange, denn Tarassow erwies sich als guter Mensch. Auf der Welt gibt es bestimmt mehr gute Menschen als böse.

»Guten Tag, guten Tag…«, murmelte Tarassow, kaum dass ich das Zimmer betreten hatte. Er kroch geradezu in den Bildschirm des Genscanners, auf dem sich eine wundersame Peptidkette drehte.

Hatte er etwa mein Spiegelbild auf dem Bildschirm gesehen?

»Guten Tag, Boris Petrowitsch«, sagte ich laut, »macht es etwas aus, dass ich früher da bin?«

Tarassow hüpfte aus dem Sessel, drehte sich zu mir um und schrie mich an: »Tikkirej? Du kannst dich doch nicht einfach anschleichen, oder willst du, dass mir das Herz stehen bleibt?«

»Sie haben mich doch gegrüßt«, rechtfertigte ich mich verwirrt.

Tarassow hob erstaunt seine Augenbrauen. »Gegrüßt? Ich? Ah… komm mal her, Tikkirej!«

Ich ging zu ihm und schaute mit einem Auge auf die Plattform des Analysegeräts. Dort lag ein Schlangenschwert, ganz ruhig. Das also hat Boris Petrowitsch untersucht…

»Ich habe diese Schöne dort begrüßt«, erklärte Tarassow und tippte mit dem Finger auf den Bildschirm, »siehst du?«

»Ich sehe sie, verstehe aber nichts«, gab ich zu.

»Diese Plasmapeitsche ist Ausschuss«, erläutete Tarassow. »Es ist eine Schande. Eine Peitsche bindet sich an ihren Meister und arbeitet nur mit ihm, das weißt du doch?«

»Ja.«

»Tja, also bei dieser kam es nie zu einem Imprinting. Nicht beim ersten Phagen, nicht beim zweiten, nicht beim dritten. Eine individuelle Abneigung kommt natürlich vor, quasi lebende Mechanismen sind kompliziert. Aber diese hier möchte niemanden annehmen. Ein genetischer Defekt, leider Gottes.IrgendeineUnzulänglichkeitwährenddes Produktionsstadiums.«

»Kann man das heilen?«, wollte ich wissen und warf eine Blick auf die Waffe. Die Plasmapeitsche der Phagen ähnelte wirklich einer Schlange — rund einen Meter lang, mit silbrigen Schuppen bedeckt und mit einem flachen Kopf. Der Kopf erhob sich von Zeit zu Zeit, aber die Schlange lag ruhig da.

»Reparieren, Tikkirej. Die Peitsche ist mehr Maschine als Lebewesen… Nein, das geht nicht. Rein theoretisch…«, Tarassow grübelte, »rein theoretisch auch nicht. Außerdem wäre es ökonomisch unvorteilhaft. Weißt du, warum außer den Phagen niemand Plasmapeitschen benutzt?«

»Es ist ein militärisches Geheimnis.«

»Nun, eine Reihe von Studien ist wirklich geheim, aber wir hatten den Diensten des Imperiums Muster überreicht und manchmal kommen Phagen um… und die Waffe fällt in die Hände des Feindes. Es ist so, Tikkirej, dass die Nutzung der Peitsche äußerst kompliziert und die Herstellung unglaublich teuer ist. Jeder beliebige Terrorist oder Agent zieht es vor, sich mit einer einfacheren und dabei trotzdem starken Waffe auszurüsten.«

»Warum aber benutzen dann die Phagen eine Peitsche?«

»Hast du jemals eine Peitsche im Einsatz erlebt?«, fragte Boris Petrowitsch ironisch, »nicht auf der Versuchsstation, sondern in Wirklichkeit, in den Händen eines erfahrenen Phagen?«

»Ja, hab ich.«

Tarassows Lächeln erlosch. »Verzeih, Tikkirej, ich habe nicht daran gedacht. Also, war das beeindruckend?«

»Und wie!«

»Darum geht es auch. Ein Phag muss von Legenden umgeben sein. Von Achtung, Furcht und Unverständnis. Deshalb ist eine Plasmapeitsche nützlicher als der beste Blaster. Deshalb sind die Phagen mit Plasmapeitschen bewaffnet, von denen jede einzelne so viel wie ein Panzer des Imperiums kostet.«

»Oho!«, rief ich aus.

»Und die Reparatur einer Peitsche«, fuhr Tarassow fort, »würde der Herstellung von zehn Panzern entsprechen. Das ist ja auch Genchirurgie auf höchstem Niveau! Also…«, er senkte seine Hände auf die Tastatur, aus dem Drucker kroch ein Blatt Papier und der Bildschirm erlosch, »schreiben wir das Aussonderungsprotokoll.«

Schreiben mussten wir fast gar nichts. Im fertigen Vordruck waren bereits die vollständigen Angaben über den Defekt der Peitsche, mögliche Gründe für dessen Auftreten sowie eine Empfehlung zur Vernichtung enthalten. Wir ergänzten lediglich einige Punkte (Tarassow ergänzte und ich nickte gehorsam als Antwort auf seine Erklärungen), unterschrieben und setzten unsere Fingerabdrücke an die in der Akte dafür vorgesehenen Stellen.

Danach legte Tarassow das Formular in den Scanner und verschwand in die Kantine, um Kaffee zu holen.

Ich ging näher an die Analyseplattform heran und schaute das Schlangenschwert durch das Sicherheitsglas an. Vielen gefallen Schlangen nicht, mir auch nicht, aber die Peitsche war ja weder ganz Schlange noch ganz Maschine. Sie war eine Legierung aus Biopolymeren, Mechanik und Nervenfasern, übrigens nicht einer Schlange, sondern einer Ratte. Man vertrat die Auffassung, dass Plasmapeitschen vom Intellekt her eher einer Ratte als einer Schlange ähnelten.

»Du hattest kein Glück«, sagte ich der Schlange, »du Unglücksrabe.«

Die Peitsche bildete einen Ring und steckte den dreieckigen Kopf in die Mitte. Als ob sie meine Worte verstanden hätte. Die winzigen Punkte ihrer Sehapparatur blinkten im Lampenlicht.

Der Drucker begann zu summen und spuckte ein neues Exemplar der Abschreibungsverfügung aus. Bereits mit der Stellungnahme der Buchhaltung.

»Trinkst du einen Kaffee, Tikkirej?«, fragte Tarassow, als er zurück war.

Ich schüttelte den Kopf.

»Dann werde ich eine Tasse mehr trinken«, beschloss mein Chef zufrieden, »heute habe ich schlecht geschlafen. Entweder sind es die Druckschwankungen, oder…«

»Haben Sie zu hohen Blutdruck?«

»Was denn für hohen Blutdruck, Gott behüte! Der atmosphärische Druck schwankt, Tikkirej.«

Ich wurde rot und rechtfertigte mich: »Bei uns leben alle unter Kuppeln, dort ist der Luftdruck stabil. Ich hatte nicht daran gedacht.«

Tarassow lachte auf, trank einen Schluck Kaffee, stellte die Tasse zurück und öffnete den Analysekasten. Er fasste die Peitsche am Schwanz an und reichte sie mir. »Halt mal! Hab keine Angst, die Hauptbatterie ist entfernt worden, also kann sie kein Plasma spucken.«

Vorsichtig hielt ich die Schlange mit beiden Händen. Sie fühlte sich warm und weich an.

»Wo der Utilisator ist, weißt du?«, fragte mich Tarassow. »Dann vorwärts. Völlige Zerstörung. Bring die Quittung mit.«

Ich nickte und ging aus dem Raum, wobei ich die Peitsche auf ausgestreckten Händen vor mir hielt. Der Utilisator stand am Ende des Korridors in einem kleinen Stübchen neben den Toiletten.

Es wäre besser, wenn Tarassow selbst das Schlangenschwert vernichten würde! Es war trotz allem ein wenig lebendig… Andererseits musste ich alles selber machen, wenn ich hier arbeiten wollte. Sogar wenn es äußerst unangenehm war.

Im Utilisatorraum war niemand. Das große Metallaggregat knurrte zufrieden beim Zermahlen von irgendwelchem Müll. Ich drückte einen Knopf und aus der Aufnahmeluke glitt ein gewaltiges Keramiktablett heraus.

»Niemand kann etwas dafür, dass es so viel wie zehn Panzer kosten würde, dich zu reparieren!«, sagte ich zur Peitsche und legte sie in die Luke. Auf der Anzeige leuchteten sofort Ziffern auf — Gewicht und prozentualer Metallanteil im Objekt. Ich wählte den Modus »völlige Zerstörung«, was bedeutete, dass die Peitsche zuerst von den Cuttern zerkleinert, dann eingeschmolzen und letztendlich zu Feinstaub zermahlen würde. Ich bemühte mich, nicht auf die sich schwach bewegende Schlange zu schauen, bestätigte das Programm und drehte mich weg, um so schnell wie möglich gehen zu können und nichts hören zu müssen.

Etwas klammerte sich an mein Handgelenk!

Ich schrie auf und drehte mich um. Die Luke war schon dabei, sich zu schließen, aber die Peitsche schlängelte sich plötzlich heraus und wickelte sich fest um meinen Arm. Für eine Sekunde vor Schreck unfähig, einen Gedanken zu fassen, befürchtete ich, dass ich jetzt gemeinsam mit ihr in den Utilisator gezogen oder mir die Hand abgerissen würde!

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