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Allday sah sich in der unordentlichen Kajüte um und zuckte die Achseln. Feucht, dreckig und stinkend war sie ja tatsächlich. Aber nach der drückenden Hitze des Tages war es hier beinahe kühl.

Dann sah er die leeren Weinflaschen und lachte in sich hinein. Die Hitze des Kommodore kam wahrscheinlich von innen.

«Gei auf die Fock!»

Bolitho beschattete die Augen und sah hinüber auf die planlos in die Gegend gebauten Bastionen, die alle Einfahrten des Hafens von La Valetta schützten. Als sie langsam näher kamen und die Sonne hinter Maltas verwitterten Mauern aufgehen sahen, wirkte der Hafen auf sie wie eine richtige Festung.

«Recht so — Kurs halten!«Breitbeinig stand der untersetzte, muskulöse Plowman neben dem Rudergänger, die Pfeife im Mund.

Bolitho wußte, daß es ihm wie den meisten anderen schwerfiel, sich nach der strengen Disziplin auf einem Kriegsschiff so locker und lässig zu geben. Aber der Eindruck, den ein Schiff beim Einlaufen in den Hafen machte, war immer der ausschlaggebende.

An Deck lungerten Matrosen herum, lehnten am Schanzkleid, deuteten auf die Gebäude an Land, manche mit echtem Interesse, andere mit übertriebener Schauspielerei.

Midshipman Breen sagte:»Ich habe viel von dieser Insel gehört, Sir; aber ich dachte nie, daß ich sie jemals zu sehen bekäme.»

Plowman grinste.»Aye. La Valetta heißt nach dem Großmeister der Malteserritter, der die Insel gegen die Türken verteidigt hat.»

«Waren Sie damals hier?«fragte Breen und glotzte den Steuermannsmaaten mit unverhohlener Ehrfurcht an.

«Kaum, Mr. Breen. Das war vor mehr als zweihundert Jahren. «Er sah Veitch an und schüttelte den Kopf.»Ob ich dabei gewesen bin, fragt er — mein Gott!»

Die vorderste Bastion glitt jetzt querab vorbei; ihre obere Brustwehr wimmelte von bunten Gestalten. Offenbar diente sie nicht nur zur Verteidigung, sondern auch als Durchfahrt. Hinter ihr öffnete sich das glitzernde Hafenbecken, um die Segura zu empfangen. Winzige Ruderboote schossen zwischen den Schiffen und der Pier hin und her wie Wasserkäfer. Ein paar Schoner ankerten hier, auch schlanke arabische Dhaus, und die Felukken mit den großen Lateinersegeln. Zwei farbenfreudige Galeassen mit vergoldetem Schnitzwerk lagen an den Steinstufen des Kais wie aus einem historischen Gemälde stammend. Als die Römer England eroberten, wären solche Schiffe nicht besonders aufgefallen, dachte Bolitho. Die Malteserritter hatten sie jahrhundertelang mit großem Erfolg benutzt, um Häfen und Schiffe der Türken zu attackieren, und hatten auf diese Weise viel dazu beigetragen, den türkischen Einfluß zu verdrängen — auf immer, wie zu hoffen stand.

Aber jetzt hatte Malta seine Rolle wieder gewechselt. Es hatte sich auf seine eigene Kraft besonnen, erhob Abgaben von den Schiffen, die den Hafen in Geschäften anliefen oder dort vor Stürmen oder Piraten Schutz suchten.

«Klar zum Ankern!»

Bolitho trat an den Fuß des Großmastes und wartete auf irgendeinen Anruf. Aber die Segura erregte wenig Interesse; er nahm daher an, daß sie nicht das erste Schiff war, das hier unter amerikanischer Flagge einlief.

Allday flüsterte grinsend:»Bei Gott, Mr. Gilchrist wird ein Jahr brauchen, bis er diese Burschen wieder auf Draht hat!»

Eben spuckte einer unbekümmert an Deck, grinste aber dann seine Kameraden etwas schafsmäßig an. Auf der Lysander hätte ihm Spucken ein Dutzend Hiebe eingebracht.

«Aufschießen!«schrie Veitch.

Bolitho nahm ein Messingteleskop und richtete es auf den längsten der steinernen Kais: Boote, bis ans Dollbord mit Früchten und Korbwaren beladen — und vermutlich auch mit Weibern. Denn christliche Sitte und Moral waren in diesen Steinmauern schon längst angekränkelt, und es hieß, selbst die Malteserritter seien mehr den weltlichen als den himmlischen Freuden zugetan.

«Ruder hart Backbord!»

Die Segura dümpelte über ihrem Schatten, die geflickten Segel bewegten sich kaum noch im Wind, und der rostige Anker klatschte ins Wasser.

«Mr. Veitch, wenn Sie diese Marketender schon längsseit kommen lassen, dann geht aber immer nur einer von den Händlern an Bord! Sonst gibt es eine riesengroße Wuling!»

Allday stellte bereits eine kleine, aber furchteinflößende Ankerwache zusammen. Jeder Mann hatte einen Entersäbel und dazu eine lange, kräftige Handspake.

«Boot aussetzen!»

Bolitho wischte sich Gesicht und Hals. Im Hafen war es noch stickiger als unter Deck.

Das erste Boot lag bereits längsseit. Händler und Ruderer priesen in vielsprachiger Konkurrenz ihre Waren an.

Veitch kam wieder nach achtern.»Alles klar, Sir. Ich habe zwei Drehgeschütze mit gehacktem Blei geladen; unter dem Vorderkastell, wo man's nicht sieht, ist ein Muskentengestell. Die Hafenbatterien sind nur auf See hinaus gerichtet; also sind wir fürs erste sicher.»

Bolitho nickte.»Festungsbauer machen oft diesen Fehler. Sie denken niemals an einen Angriff von der Landseite. Und das ist auch ganz gut so.»

«Ihr Boot wartet, Sir. «Allday trat ans Schanzkleid bei den Großwanten. Dort versuchte soeben ein kleiner, dunkelhäutiger Mann mit Turban, der sich eine Auswahl von Schmuckperlen, Flaschen und exotischen Dolchen um den Hals gehängt hatte, an Bord zu klettern.»Warte, bis zu gerufen wirst, Mustafa!«sagte Allday, setzte dem Mann die offene Hand unters Kinn und gab ihm einen Schubs, daß er rücklings ins Wasser fiel. Seine Kumpane brachen in Gelächter und fröhliches Geschrei aus; vermutlich dachten sie, der Skipper dieses Fahrzeugs sei vielleicht ein harter Mann, aber gerecht und bevorzuge keinen.

Veitch kam zu Bolitho an die Reling.»Wenn irgendein Behördenmensch an Bord kommt, Sir, soll ich versuchen zu bluffen?»

Bolitho war früher schon in Malta gewesen. Er lächelte grimmig.»Halten Sie sich an Mr. Plowman. Ich nehme an, er kennt die etwas unorthodoxen Geschäfte hier. Die Hafenbehörden werden vielleicht abwarten, ob wir löschen wollen. Aber wenn sie kommen und nach Papieren fragen, dann sagen Sie ihnen das, was wir besprochen haben: das wir die Papiere über Bord werfen mußten, weil wir von einem unbekannten Schiff gejagt wurden. In der Kajüte finden Sie einen Beutel Goldmünzen, falls Sie ein bißchen schmieren müssen.»

Plowman grinste über die Unsicherheit des Leutnants.»Du lieber Gott, Mr. Veitch! Hafenbeamte sind überall gleich; und immer mehr amerikanische Schiffe segeln ins Mittelmeer. Hier wartet ein neues Geschäft auf sie, das sie sich bestimmt nicht entgehen lassen wollen!»

Bolitho stieg über die Reling.»Und passen Sie auf die Mannschaft auf! Vielleicht gibt es auf diesen Marketenderbooten französische Spione. Es kann nicht schaden, wenn Sie unseren Leuten so etwas andeuten.»

Er kletterte in den einen Kutter, den die Segura noch hatte.

«Ablegen!»

Da sah er einen der Händler kräftig auf einen Stoß Teppiche klopfen; ein glatter runder Arm schob die Fransen beiseite. Kein Männerarm. Der richtige Handel sollte anscheinend erst losgehen, wenn der Kapitän der Segura von Bord war.

«Da oben auf der Treppe«, murmelte Allday.»Zwei Mann. Irgendwelche Offiziere.»

Doch die beiden nickten nur höflich und kümmerten sich nicht um sie, sondern beobachteten weiter das Schiff; vielleicht warteten sie auf den richtigen Moment, um an Bord zu gehen.

Auf den heißen Steinen des Kais wartete Bolitho auf Allday, der mit einem der Matrosen, dem Schweden Larssen, nachkam. Lars-sen hatte ein vergnügtes, zutrauliches Gesicht und die breitesten Schultern, die Bolitho je gesehen hatte.

«Für den Fall, daß es Ärger gibt«, kommentierte Allday. Plötzlich sah er Bolitho beunruhigt an.»Fühlen Sie sich auch wohl,

Sir?»

«Natürlich. Stellen Sie sich nicht so an«, erwiderte Bolitho und wandte sich ab.»Schicken Sie das Boot zurück. Wir wollen so wenig Aufsehen erregen wie möglich.»

Er hörte Allday mit der Bootsmannschaft sprechen und konnte sich kaum enthalten, das Hemd vom Körper abzuzupfen. Es war klatschnaß vor Schweiß, und der Kopf war ihm so merkwürdig leicht. Der Wein? Oder das Abendessen? Tief in seinem Innern jedoch nahm bereits ein anderer Gedanke Gestalt an; und er hatte große Mühe, seine aufsteigende Angst zu verbergen. Aber es war wohl unwahrscheinlich. Er biß die Zähne zusammen. Wenn doch Allday endlich mit dem Boot fertig wäre, damit er in den Schatten käme! Aber unmöglich war es nicht. Neun Jahre war es beinahe her, da hatte ihn in der Südsee das Fieber fast umgebracht. Seitdem hatte er ein paar Anfälle gehabt, aber seit etwa einem Jahr nicht mehr. Beinahe hätte er laut geflucht. Ausgerechnet jetzt durfte es nicht passieren.»Fertig, Sir«, sagte Allday.

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