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«Sie haben keine Eile. Sie können bei mir…«Doch auf einmal machte er ein ganz erschrockenes Gesicht.»Oder ist es etwa — ansteckend?»

Bolitho stand auf und stützte sich auf die Stuhllehne.»Nein. Rufen Sie meine Leute. Auf dem Schiff wird mir besser.»

«Wie Sie wünschen. «Er schnippte mit den Fingern — ein Zeichen für jemanden, der draußen vor der Tür stand.

Trotz seiner Benommenheit wurde Bolitho klar, daß Gorse ein paar Männer draußen vor die Tür postiert hatte, um Bolitho umbringen zu lassen, falls er Verdacht geschöpft hätte.

«Wünschen Sie, daß ich Briefe von Ihnen mit nach Korfu nehme, M'sieur?«konnte Bolitho gerade noch fragen.

«Nein. «Gorse sah ihn besorgt an.»Meine nächsten Briefe gehen auf direkterem Weg.»

Allday und der Schwede erschienen an der Tür.»Ihr Kapitän ist krank!«rief Gorse.

Allday faßte Bolitho am Arm.»Ist schon gut, Sir. Wir bringen Sie an Bord. «Die Stufen wieder hinunter und hinaus in die gnadenlose Sonne. Sie trugen ihn mehr, als daß sie ihn stützten; undeutlich sah er, daß ein paar Malteser über die drei Seeleute grinsten, die so schwankend aus einer Weinhandlung kamen.

«Renn voraus, Larssen«, befahl Allday,»und signalisiere schon dem Boot! Und wenn du nicht am Kai bist, wenn wir kommen — ich krieg dich, ganz egal, wie lange es dauert!»

Er führte Bolitho an eine schattige Stelle. Der Schweiß lief ihm in Strömen hinab, doch zum Unterschied von vorhin war es eiskalter Schweiß. Schüttelfrost befiel ihn.

«Muß. weiter.«, keuchte er; aber es hatte keinen Zweck, die Kräfte schwanden ihm schnell.»Muß. dem Geschwader. Bescheid sagen. «Dann brach er zusammen.

Larssen kam mit vier Matrosen vom Hafen heraufgerannt und starrte Allday hilflos an.

«Los, bringt ihn zum Boot!«stieß Allday hervor, riß sich den Rock herunter und hüllte Bolitho darin ein.»Und laßt euch von keinem aufhalten!»

Die Strecke vom Kai bis zum Schiff schien endlos; die ganze Zeit hielt Allday ihn fest an sich gepreßt, starrte voller Ungeduld die festgemachten Segel der Segura an, die nicht schnell genug näherkommen wollten.

Seinetwegen konnten das Geschwader, die Franzosen, die ganze verdammte Welt zum Teufel gehen. Wenn Bolitho etwas zustieß, war ihm alles andere egal.

XII Treue und Pflicht

Im flimmernden Dunst sahen die drei Schiffe, die eine Kabellänge vor der Küste still vor Anker lagen, beinahe gleich aus.

Captain Thomas Herrick ging zur Backbordseite des Achterdecks der Osiris und starrte auf die unbekannten Berge, das üppige Grün, die schroff abfallenden Klippen der Landspitze. Die hochgelegene Stadt Syrakus, deren Schatten beinahe feindselig auf die gemächlich dahinziehenden kleinen Küstenfahrzeuge fiel, unterstrich noch den fremdartigen Eindruck dieser Landschaft.

Herrick biß sich auf die Lippen und spielte mit dem Gedanken, wieder unter Deck zu gehen. Aber die große Heckkajüte kam ihm jedesmal wie eine Falle vor; wie ein Stück von Farquhar. Sein Blick schweifte zur Lysander hinüber, die alte verzweifelte Sehnsucht stieg wieder hoch und verstärkte seine unterschwelligen Befürchtungen.

Sie lagen jetzt zwei Wochen vor Anker. Der Garnisonskommandant von Syrakus war mehrfach an Bord der Lysander gewesen; jedesmal von einem rundlichen, besorgt aussehenden Engländer begleitet, der John Manning hieß und, wie Herrick gehört hatte, hier einer der letzten offiziellen Repräsentanten Seiner Britannischen Majestät war. Denn es gab zwar keinerlei Anzeichen dafür, daß Sizilien Frankreich unterstützte; doch es war ebenso bemüht, jeden Anschein von Freundschaft für König George zu vermeiden.

Ruhelos ging Herrick auf dem Achterdeck hin und her, so in Gedanken versunken, daß er kaum die sengende Hitze auf seinen Schultern fühlte, wenn er unter einem der Sonnensegel heraustrat.

Als er von Bolithos Absicht gehört hatte, einen französischen Agenten in Malta aufzusuchen, war es für seinen Protest schon zu spät. Die Dunkelheit hatte die Segura bereits verschluckt; von diesem Moment an war Herrick die Sorge nicht mehr losgeworden. Und jetzt war es drei Wochen her, daß sich die Segura vom Geschwader getrennt hatte. Kein Lebenszeichen kam von ihr, auch kein Wort von dem britischen Konsul in Syrakus über ihr Ein- oder Auslaufen in La Valetta.

John Manning interessierte allerdings mehr die Frage, warum die drei Vierundsiebziger so lange in einem offiziell neutralen Hafen lagen. Reparaturen, Proviant- und Wasserübernahme, alle diese normalen Gründe und Vorwände waren erledigt. Doch immer noch hatten sie keine Nachricht.

Bolitho mußte von den Malteser Behörden festgenommen worden sein. Diese hatten vor den Franzosen noch mehr Angst als die Sizilianer, falls auch nur die Hälfte von dem stimmte, was Herrick gehört hatte. Oder vielleicht hatte ihn auch der französische Agent überwältigt und getötet. Herrick starrte auf die offene See, bis ihm die Augen tränten. Bolithos Platz war hier, in der Welt, die er verstand. Bei der Flotte, wo ihn fast alle, wenn auch nicht persönlich, so doch dem Name n nach kannten. Plötzlich kam ihm Javal in den Sinn, und Zorn stieg in ihm auf. Javal war überhaupt nicht nach Syrakus gekommen. Er hatte Befehl gehabt, selbständig die Straße von Messina zu passieren und dann vor Malta wieder zum Geschwader zu stoßen. Für den Fall, daß er das Geschwader dort nicht antraf — denn Bolitho zog immer mehrere Möglichkeiten in Betracht — , sollte er hier vor Anker gehen und die weitere Entwicklung abwarten. Vielleicht war auch er dem Feind in die Hände gefallen?

Wenn Javal doch nur käme. Dann konnte Farquhar gar nicht anders — er mußte die Buzzard losschicken, um nach der Segura und ihrer zusammengewürfelten Mannschaft zu suchen.

Mehrmals war Herrick ohne Aufforderung an Bord der Lysander gewesen, um zu erfahren, was Farquhar zu tun beabsichtigte. Aber immer war es gewesen, als rede er gegen eine Wand — eine Haltung, die ihn jedesmal aufbrachte und verwirrte. Er wurde nicht klug aus Farquhar. Wenn dieser über Bolithos Abwesenheit beunruhigt war, dann wußte er das in der Tat sehr gut zu verbergen.

Die Besuche auf seinem alten Schiff wurden noch schmerzlicher durch die offensichtliche Freude, mit der die Männer herbeieilten und ihn begrüßten. Unter ihnen Leroux, der alte Grubb, und Yeo, der Bootsmann. Gilchrist jedoch hatte sich seit Farquhars Kommandoübernahme verändert. Er war fast wie ein Fremder. Ständig in nervöser Spannung, ständig auf dem Sprung, ruhelos.

Ganz anders als der Erste der Osiris, dachte Herrick bitter. Leutnant Cecil Outhwaite, ein wenig bedeutender junger Mann von Mitte Zwanzig, sah eigentlich aus wie ein Frosch. Niedrige Stirn, sehr breiter Mund, dunkle, feuchte Augen. Er lispelte etwas, und seinen Dienst versah er, als langweile ihn das Ganze. Wie Farquhar kam er aus einer einflußreichen Familie; doch warum er ausgerechnet Marineoffizier geworden war, konnte Herrick überhaupt nicht begreifen.

Aber die beiden Schiffe unterschieden sich auch stark. Auf der Lysander waren die Matrosen von der Freiwache vergnügt und fanden stets Zeit — wenn nicht gerade der Teufel los war — , um über ihr hartes Los noch Witze zu machen. Auf der Osiris kam solche Stimmung nicht auf. Nach dem Beispiel Outhwaites taten die Matrosen ihre Arbeit wie auf Katzenpfoten, und unter Deck waren sie so still wie die Mönche.

Herrick hatte versucht, diesen ungemütlichen Zustand zu ändern; aber genauso wie bei Farquhar stieß er auch hier gegen eine Wand. Farquhar hatte sein Schiff auf den höchsten Standard gebracht, was Seemannschaft, Sauberkeit und äußere Erscheinung betraf. Doch die Menschen, ohne die das alles nicht ging, waren ihm ganz gleichgültig. Und doch zollten ihm manche, und ganz besonders Outhwaite, bereitwillig Anerkennung und Respekt.»Für Dummköpfe hat er kein Verständnis, wissen Sie«, hatte der Leutnant gesagt und ihn dabei mit seinen Froschaugen neugierig angesehen;»und bei Widersetzlichkeit haut er verdammt hart dazwischen.»

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