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Erschrocken lehnte er sich zurück, denn Bolitho stand auf, und seine Augen blitzten vor Verachtung.»Schachern Sie gefälligst nicht mit mir! Vorige Woche haben wir einen Schlag gegen den Feind geführt, aber die Verluste, die wir hatten, waren sehr schwer. Wäre Lysander nicht erschienen, und hätte Buzzard nicht eingegriffen, dann wäre Ihr Schiff heute das einzige, das noch schwimmt! Wenn Sie das nächste Mal von Voreingenommenheit oder von Ehre reden, dann denken Sie daran!»

Er rief nach Ozzard. Dann fuhr er fort:»Sie können sich jetzt wieder auf Ihr Schiff begeben. Aber vergessen Sie nicht: was nicht zu beweisen ist, steht dennoch zwischen uns. Das Geschwader ist personell unterbesetzt, die meisten Offiziere sind jung und unerfahren. Nur aus diesem Grunde sehe ich vorerst von einer offiziellen Untersuchung Ihres Falles ab.»

Herrick erschien mit Ozzard an der Tür, blieb jedoch stehen, denn Bolitho sprach noch weiter.»Aber hören Sie gut zu, Captain Probyn: Falls ich jemals herausbe komme, daß Sie uns absichtlich nicht zur Hilfe gekommen sind, oder wenn Sie in Zukunft jemals gegen die Interessen dieses Geschwaders handeln, will ich Sie dafür hängen sehen!»

Probyn riß Ozzard seinen Hut aus der Hand und stolperte aus der Kajüte. Als Herrick zurückkam, stand Bolitho immer noch da wie vorher und starrte mit Ekel auf Probyns leeren Stuhl.

«Da haben Sie mich einmal von einer häßlichen Seite gesehen, Thomas«, sagte er.»Aber bei Gott, es war mein Ernst, jedes Wort.»

XVII Sturmwolken

Es dauerte beinahe zwei Wochen, bis Bolitho das Signal Anker lichten hissen und das schützende Eiland verlassen konnte. Selbst dann gab es noch schwere Sturmböen, und bald stellte sich heraus, daß Javals Havarie schwerer war als gedacht. Pausenlos arbeiteten seine Männer auf jeder Wache an den Pumpen, und bei den begrenzten Reserven an Bord brauchte er seinen ganzen Vorrat an Ersatzplanken und Leinwand, um die schwersten Lecks abzudichten.

Nach der wilden Schlacht, dem Hochgefühl beim Anblick der Lysander, die ihren Bug durch Pulverqualm und Sprühwasser stieß, war dieses schlechte Wetter, bei dem man trotz größter Anstrengung nur langsam vorankam, um so deprimierender. Die Schiffe gerieten aus der Formation und mußten auf verschiedenen Kursen kreuzen, um überhaupt vorwärtszukommen, wobei sie einen starken Südwestwind gegen sich hatten, und Bolitho mußte noch dankbar sein, daß kein feindliches Geschwader ihren Weg kreuzte. Seine Mannschaften waren von dem ständigen schweren Dienst erschöpft, jedes Schiff war wegen der Toten und Verwundeten unterbesetzt, so hätte er es mit keinem Gegner aufnehmen können.

Die Perle, die eroberte französische Korvette, eilte mit seinen

Depeschen voraus; er wußte, daß Herrick immer noch seine Zwe i-fel hatte, ob Leutnant Fitz-Clarence bis zum Hafen kommen und der Admiral in Gibraltar seine Depeschen auch erhalten würde. Vielleicht hätte er die Perle direkt nach Gibraltar beordern sollen. Doch da seine Informationen möglichst schnell und umfassend bekannt werden mußten, war es unbedingt nötig, daß Fitz-Clarence zuerst Syrakus anlief.

Das Kinn auf der Brust, mit dem Oberkörper die Schiffsbewegungen ausgleichend, ging er nervös in der Kajüte auf und ab. Da hörte er den Ruf:»An Deck! Segel in Nordwest!»

Diesmal konnte er sich nicht beherrschen und eilte, ohne auf Meldung vom Achterdeck zu warten, hinaus zu Herrick und den anderen Offizieren.

Herrick faßte an den Hut.»Sie haben es gehört, Sir?»

«Aye, Thomas.»

Prüfend überschaute Bolitho das obere Batteriedeck. Einen ganzen Monat war es schon her, daß die französischen Versorgungsschiffe unter ihrem Beschuß gesunken und verbrannt waren; kein Wunder, dieser Zeitverlust bei dem schlechten Wetter und den unumgänglichen Verzögerungen durch die Reparaturen. So lange war es schon her, daß Farquhar und die vielen Männer gefallen waren. Und daß die Nicator aufgelaufen war.

Die Männer am Schanzkleid, auf den Laufbrücken und in den Wanten, die nach dem fremden Schiff ausspähten, sahen zäher und kräftiger aus als vorher, fand Bolitho. Herrick hatte gut gearbeitet. Für einfache Matrosen war es nicht leicht zu begreifen, was jenseits ihrer eigenen Bordwand im Geschwader vorging. Manche Kommandanten machten sich nicht erst die Mühe, es ihnen zu sagen. Herrick jedoch hatte ihnen, wie er das grundsätzlich tat, Sinn und Ziel der Operation zu erklären versucht. Wäre Farquhar damals seinem Beispiel gefolgt, so wäre es besser für ihn gewesen. Dann hätten seine Männer, als das Schiff mit zerschossenem Ruder und ohne Masten auf die Sandbank zutrieb, wirklich ihr Alleräußerstes gegeben, und alles wäre vielleicht anders gekommen.

Bolitho fuhr hoch, denn jetzt rief der Ausguck:»Die Harebell,

Sir!»

Herrick grinste erleichtert.»Der gute alte Inch! Ich habe mich ohnehin gefragt, wo er so lange bleibt!»

Die Segel der Schaluppe wuchsen aus der Kimm empor; unter allen Segeln, gefährlich schrägliegend, eilte sie auf das Geschwader zu. Bolitho sah die veränderten Schatten auf ihren Marssegeln und flehte zu Gott, der Wind möge sich nicht ausgerechnet jetzt gegen sie wenden oder abflauen. Der Gedanke, in der Flaute zu liegen, wenn Inch wichtige Nachrichten hatte, aber so weit entfernt war, daß kein Kontakt aufgenommen werden konnte, ließ sich kaum ertragen. Und der Wind hatte sich schon mehrmals so launisch benommen, seit sie aus dem Schutz der griechischen Insel heraus waren. Aufbrisend bis zur Sturmstärke, dann wieder zum Nichts verhauchend, so daß die klatschnassen Decks in der heißen Sonne dampften und die Schiffe reglos lagen wie Männer, die nach einer Prügelei bewußtlos sind.

«Was meinen Sie, Sir?«fragte Herrick leise.»Gute oder schlechte Nachrichten?»

Bolitho biß sich auf die Lippe. Inch war lange weg gewesen. Da das kleine Geschwader wichtige Informationen über Stärke und Bewegungen des Feindes gesammelt hatte, konnten inzwischen alle möglichen Entscheidungen getroffen worden sein.

«Meiner Ansicht nach«, entgegnete er,»wird man jetzt eine Blockade der französischen Häfen aufbauen. Wenn Brueys erfahren hat, daß seine Versorgungsflotte und seine schwere Artillerie bei Korfu vernichtet worden sind, dürfte er über eine Invasion Englands etwas anders denken. Unsere Leute haben hart gearbeitet, Thomas. Ich hoffe, damit haben sie der Flotte wenigstens genug Zeit verschafft, daß eine entscheidende Unternehmung vorbereitet werden kann.»

Als die Harebell nahe genug heran war, um ein Boot auszusetzen, hing fetter Kombüsenrauch in der Luft. Es fiel Bolitho auf, daß die meisten der wachfreien Matrosen an Deck blieben, statt ihr Mittagessen zu fassen. Sie wollten Inch ankommen sehen und erfahren, was jetzt geschehen sollte.

In der großen Kajüte setzte Bolitho Commander Inch ein Glas Wein vor, damit er erst einmal zu Atem käme.

Dabei kam ihm der Gedanke, daß es nach den Schlachten und ihren schweren Verlusten oftmals Männern wie Inch zufiel, Nachrichten von höchster Wichtigkeit zu überbringen. An Land hätte man ihn kaum bemerkt. Schlaksig, mit langem Pferdegesicht und ständig aufgeregt zappelnd, schien er kaum aus dem Stoff zu sein, aus dem die Helden gemacht waren, wie sie sich das Publikum gern vorstellte. Doch Bolitho wußte es besser und hätte Inch nicht für ein Dutzend anderer eingetauscht.

«Ich habe die Depeschen abgeliefert«, berichtete Inch,»und — «, er warf einen raschen Blick auf Herrick — ,»meinen Passagier ebenfalls, Sir. Dann geriet ich in ungeheuer hektischen Betrieb. «Er runzelte die Stirn, um seine Gedanken zu sammeln.»Vizeadmiral Sir Horatio Nelson passierte Anfang Mai mit seinem Flaggschiff Gibraltar und nahm Kurs auf Toulon.»

Herrick atmete tief auf.»Gott sei Dank!»

Inch starrte ihn an.»Nein, Sir, so ist das leider nicht. Wir hatten einen starken Sturm, Nelsons Schiffe wurden zerstreut, sein eigenes entmastet und beinahe auf Strand geworfen. Er mußte einen Nothafen anlaufen, um seine Schäden zu reparieren: die Insel San Pietro vor Sardinien.»

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