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Auf dem Oberdeck stand kein Mensch mehr; achtern, vorn und auf den Laufgängen häuften sich gebrochene Spieren, Stage und Wanten. Überall wallte Rauch auf. Unter den Trümmern schrien Menschen nach Hilfe, riefen Namen, fluchten Sinnloses.

«Der Besan kommt jeden Moment von oben, Sir«, keuchte All-day mit letzter Kraft.»Er hängt nur noch an den Wanten!»

Durch das Getöse der fallenden Spieren und brüllenden Menschen hörte Bolitho fernes Hurrarufen: das Siegesgeschrei der Franzosen.

Farquhar stieß Pascoe zurück und wankte zu den zerrissenen Webleinen. Seine Uniform hing in Fetzen, mehrere Holzsplitter staken wie Pfeile in seinen Schultern. Blut aus seiner Brustwunde bezeichnete seinen Weg zum Schanzkleid; als Bolitho ihn endlich auffing, waren seine Augen fast geschlossen.

«Haben wir die Flagge gestrichen, Sir?«keuchte er.

Bolitho hielt ihn fest im Arm, auch Pascoe kam herbei. Den Mast mit Wimpel, Stagen und Wanten hatte eine Breitseite weggefegt.

«Nein, das haben wir nicht.»

Mit weitgeöffneten Augen sah Farquhar ihn an.»Das ist gut, Sir. Tut mir leid, daß…«Offenbar überwältigte ihn eine neue Schmerzwelle, dennoch stieß er wütend hervor:»Probyn soll in der Hölle faulen — er hat uns auf dem Gewissen!»

Bolitho stützte Farquhar. Pascoe beobachtete dessen Gesicht, als könne er darauf die Antwort auf alle seine Fragen ablesen.

Undeutlich murmelte Fraquhar:»Lassen Sie mich, Sir. Ich kann schon wieder allein stehen. Dieser Idiot von Outhwaite soll. «Ein letzter Schimmer von Bewußtsein blitzte in seinen Augen auf und erstarrte.

Der Zweite Offizier stolperte durch den Rauch, blieb aber reglos stehen, als Bolitho sagte:»Hier, halten Sie Ihren Kommandanten, Mr. Guthrie. «Er wandte den Blick ab.»Sir Charles Farquhar ist tot.»

XVI Der Kommandantenbericht

«Nur die Verwundeten in die Boote!»

Bolitho war bereits heiser, weil er den Kanonendonner überschreien mußte. Von einigen Transportern kam Geschützfeuer durch den Rauch; freilich mußten die Kugeln meist die eigenen Schiffe treffen, denn die Ordnung auf der Reede hatte sich aufgelöst. Unbeschreibliche Panik herrschte dort; drei Schiffe brannten lichterloh, ihre Trossen waren gekappt oder verbrannt, sie trieben zwischen die anderen.

Bolitho hatte keine Ahnung, wie viele Kanonen auf der Osiris noch feuerten, denn in der unteren Batterie waren nur noch wenige Geschütze bemannt; unmöglich, den Rückstoß eines Zweiunddrei-ßigpfünders vom Einschlag einer feindlichen Kugel zu untersche i-den.

Er blickte von der Laufbrücke hinunter; direkt unter ihm lagen die Boote, bereits überfüllt mit Verwundeten; andere klammerten sich noch an die Bordwand oder trieben im Wasser ab, weil sie nicht schwimmen konnten oder zu erschöpft waren. Manche kletterten vom Schiff an Tauen über Bord — Seesoldaten, Matrosen, Küfer, Segelmacher; hier und da versuchte ein Offizier, Ordnung zu schaffen.

Pascoe kam herbeigerannt.»Was jetzt, Sir?»

Bolitho antwortete nicht direkt.»Schau dir das da unten gut an, Adam. So sieht eine Niederlage aus. So stinkt sie. «Er wandte sich ab.»Gib durch: Feuer einstellen. Das Schiff kann jeden Moment in Brand geraten, wenn eins von diesen Wracks dagegentreibt.»

Wieder ein heftiges Krachen: endlich, von den letzten Wanten befreit, stürzte der Besanmast über Bord und stak in der Sandbank wie ein riesiges Seezeichen.

Bolitho tat ein paar Schritte über Deck, blieb mit den Schuhen in Splittern und dem großen schiefen Riß hängen, wo die Franzosen mit ihrem Volltreffer das Ruder zerstört hatten.

Ein paar Männer rannten vorbei, ohne ihn auch nur anzusehen. Wohin sie rannten, und was sie da sollten, wußten sie wahrscheinlich gar nicht.

Rauch rollte das Deck entlang und wirbelte durch die Löcher in den Planken hoch. Es war, als gehe man durch die Hölle. Tote rechts und links, Waffen, allerlei persönliche Gegenstände lagen herum, wo sie während der Schlacht hingeworfen worden waren. Ein Marine-Infanterist starrte in den Himmel, Kopf und Schultern im Schoß eines Kameraden. Sein bester Freund vielleicht. Aber auch er war tot, von einem Eisensplitter getroffen, während er seinen Freund sterben sah.

Der tote Farquhar war nicht mehr an Deck. Sie hatten ihn wohl gleich nach unten geschafft, in die zerstörte Kajüte mit ihrer einst so eleganten Einrichtung.

Unter der Kampanje tauchte eine kleine Gestalt auf: Midshipman Breen, der Bolitho anstarrte, aber überhaupt nicht zu erkennen schien.»Gehen Sie mit Mr. Pascoe«, sagte Bolitho,»und seien Sie vorsichtig.»

Der Junge nickte und brach in Tränen aus.»Ich bin weggelaufen, Sir. Ich bin weggelaufen!».

Bolitho legte ihm die Hand auf die Schulter.»Viele erwachsene Männer haben das heute getan, Mr. Breen. Hier konnten Sie doch nicht mehr helfen.»

Pascoe kam mit dem Zweiten Offizier, der totenbleich und völlig erschöpft aussah.

«Die Boote sind voll, Sir.»

Er zuckte zusammen, denn eine Kugel flog an ihm vorbei und schlug hinter ihm in etwas Festes im Rauch, der so dicht war, daß von dem anderen Schiff überhaupt nichts zu sehen war.

Langsam und eingehend sah sich Bolitho auf dem verlassenen Deck um. Unter diesem ungeheuren Gewirr von Tauwerk und Holztrümmern lagen bestimmt noch viele Männer eingeklemmt, horchten, warteten, hofften auf Hilfe.

«Ja«, sagte er dann,»sagen Sie durch: Alle Mann von Bord! Wir setzen die Verwundeten an der Küste ab. «Er blickte Pascoe bedauernd an.»Tut mir leid um dich, Adam. Zweimal gefangen in so kurzer Zeit.»

Pascoe zuckte die Achseln.»Wenigstens sind wir diesmal zusammen, Onkel.»

Allday, der sich mit seinem verwundeten Arm beschäftigt hatte, stieß plötzlich von der Reling ab und sagte: «Hören Sie!»

Überrascht sahen sie ihn an; Bolitho legte ihm den Arm um die Schulter — er machte sich Vorwürfe, daß er sich in seiner Verzweiflung nicht um Allday gekümmert hatte.

Breen rieb sich die Augen mit den Handknöcheln und sagte:»Ich höre es auch!«Ergriff nach Alldays Hand.»Ich hör's tatsächlich!»

Bolitho schritt über die geborstenen Planken und horchte auf das lauter werdende Hurrageschrei. Es wurde von unregelmäßigen Kanonenschüssen unterbrochen, denen eine viel lautere und stärkere Breitseite folgte. Dann stieg das Hurrarufen wieder auf, lauter und wilder, wie mit einer einzigen mächtigen Stimme.

«Das sind keine Franzosen«, sagte Allday heiser.

«Hurra!»

Wieder rollte Rauch auf die gestrandete Osiris zu, doch eine neue Breitseite riß ihn auseinander.»Die Buzzard«, mutmaßte Pascoe.

«Ach wo«, sagte Allday mit einem Blick auf Bolitho.»Hören Sie nicht, Sir?»

«Ja. «Bolitho steckte den Degen in die Scheide, ohne zu wissen, warum.»Eine so starke Besatzung hat keine Fregatte.»

Der Zweite Offizier ließ den Kopf sinken.»Diese verfluchte Ni-cator! Jetzt kommt sie endlich — viel zu spät, um uns zu retten.»

Sonne stach durch den Rauch; Bolitho sah Flammen auflodern und hörte das Prasseln brennenden Holzes. Ein entmasteter Rumpf, verlassen, aufgegeben, lag knapp fünfzig Yards achteraus. Doch als der Rauch hochwirbelte, starrte er auf ein Schiff, das eben jetzt wieder eine Breitseite auf ein unsichtbares Ziel in Lee feuerte.

Da war kein Zweifel möglich: die Lysander segelte an den versprengten Transportern vorbei und feuerte auf sie. Und die Batterien ihrer anderen Bordseite schossen offensichtlich auf den französischen Vierundsiebziger; daher die ersten Hurrarufe und die vollen Breitseiten.

Bolitho sah das alles und nahm es in sein Bewußtsein auf, aber den Sinn begriff er nicht.

Nur eins zählte: die Lysander! Thomas Herrick war da. Es war ein phantastischer Glücksfall, fast ein Mirakel. Er war in die Nordpassage eingelaufen und hatte aus dem Ankerplatz der Franzosen eine Abwrackwerft gemacht!

Pascoe sagte:»Aber jetzt ist es, glaube ich, die Buzzard, Sir. «Seine Augen glühten, er atmete heftig vor Erregung.»Ja, das ist sie. Und ihre Segel sind so zerlöchert, daß sie kaum noch Fahrt macht!»

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