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«Ist das alles, Sir?«Herrick sah müde und mißmutig aus.

«Nein, Thomas. «Bolitho wandte sich ab; Herrick wirkte so abgespannt, daß er ihm leid tat. Vermutlich hatte er seit dem Gefecht höchstens eine Stunde oder zwei geschlafen.»Es ist leider nicht alles. «Er deutete auf einen Stuhl, doch Herrick blieb stehen, Bo-litho hatte es vorhergewußt. Er fluchte innerlich. Das eben war das Schlimme. Sie kannten einander so gut, daß sie sich Konflikte eigentlich nicht leisten konnten. Er begann:»Ich habe meinen Bericht an den Admiral fertigzustellen. Früher oder später muß ich ihm eine Depesche schicken, meine persönliche Meinung zur Lage. Davon könnte ein ganz neues strategisches Konzept abhängen. Wenn ich die Lage falsch beurteile, steht viel mehr als nur mein Kopf auf dem Spiel. Wenn St. Vincent eine große Flotte ins Mittelmeer schickt und wir später entdecken, daß die Franzosen im Westen sind statt im Osten, vielleicht um zu ihren Geschwadern in den Biskayahäfen zu stoßen, dann geht es nicht nur um eine verlorene Schlacht, sondern unter Umständen um England.»

«Das ist mir klar, Sir. Eine schwere Verantwortung.»

Bolitho starrte ihn an.»Wollen Sie mir ausweichen? Sie wissen verdammt genau, was ich meine! Wir sind auf einer hochwichtigen Mission, für deren Erfolg kein Risiko zu groß ist. Wenn ich dem Admiral meine erste Depesche schicke, muß ich ihm auch über den Zustand meines Geschwaders berichten.»

Herrick starrte zurück.»Während sich die übrigen Schiffe unseres Geschwaders irgendwo herumgetrieben haben, Sir, haben unsere Leute besser gekämpft, als ich es für möglich gehalten hätte. Das habe ich auch in meinem eigenen Bericht zum Ausdruck gebracht.»

Traurig schüttelte Bolitho den Kopf.»Und was ist mit Ihnen selbst, Thomas? Was soll ich über Sie schreiben?»

Herrick sah auf einmal todmüde aus.

«Ich rede nicht von Ihrer Seemannschaft«, fuhr Bolitho fort,»auch nicht von Ihrer Schiffsführung unter Beschuß — die zu kritisieren, besteht kein Anlaß.»

Herrick sah an ihm vorbei.»Ich habe mein Bestes getan.»

Bolitho zögerte, doch er wußte, daß jetzt, und nur jetzt, der richtige Moment war.»Es war aber nicht gut genug«, sagte er rundweg,»und das wissen Sie.»

Ein Ruf des Ausgucks ertönte von oben:»An Deck! Segel in Lee voraus!«Also kamen Farquhars Schiffe in Sicht — wenn sie es waren.

«Falls das Ihre Meinung ist, Sir«, erwiderte Herrick,»dann schlage ich vor, Sie schreiben es auch in Ihren Bericht.»

Bolitho wurde beinahe wütend.»Seien Sie doch nicht so ein verdammter Narr!«Das Blut stieg ihm zu Kopf, die Wildheit der Schlacht erwachte wieder.»Sie waren zu langsam, Thomas. Sie haben vor jeder Entscheidung zu lange gezögert. Sie wissen so gut wie ich, daß in einem Gefecht Breitseite gegen Breitseite keine Zeit zum Nachdenken ist.»

Herrick blieb bei diesem Zornesausbruch äußerlich ruhig.»Glauben Sie, ich weiß das nicht?«Hilflos, verzweifelt hob er die Schultern.»Schon als ich voriges Jahr die Impulsive verlor, kamen mir Zweifel. Zweifel an meinen Kräften, an meinen Nerven, wenn Sie wollen. «Er blickte zur Seite.»Ich habe die Lysander in diese Bucht gesegelt, weil ich nicht anders konnte; irgend etwas zog mich hin, wie in alten Zeiten, wenn ich einfach wußte, es muß getan werden. Sie hatten nicht signalisiert, aber irgendwie wußte ich, daß Sie da waren und auf mich warteten. Es war vielleicht dasselbe Gefühl, das Sie bei Adam Pascoe hatten. Das sitzt tiefer als alle Logik.»

«Und vor vier Tagen?»

Wieder blickte Herrick ihn an.»Ich habe diese beiden Schiffe stundenlang beobachtet, wie sie immer näher kamen. Habe mir ihre Besatzungen vorgestellt, wie sie mit ihren Kanonen auf mich zielten. Und als Sie sich entschlossen, allein, ohne Unterstützung anzugreifen, da konnte ich mich kaum rühren und kaum ein Wort herausbringen. Ich hörte meine Stimme wie von fern, als ich die Befehle gab. Aber dahinter war alles wie aus Stein. Wie tot. «Er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn.»Ich kann nicht mehr. Seit der Schlacht im vorigen Jahr weiß ich das.»

Bolitho stand auf und ging langsam zum Fenster. Er erinnerte sich, wie aufgeregt Herrick damals gewesen war, als er auf der Admiralität die Ernennung zum Flaggkapitän bekam. Herricks Freude war ebenso groß gewesen wie seine eigene. Über die Gefahren und Tücken ihrer Mission hatten sie sich keine Gedanken gemacht, beide hatten sie sich nicht gefragt, ob sie all dem gewachsen waren.

«Sie sind so müde, daß Sie nicht richtig denken können, Thomas.»

«Bitte, Sir«, erwiderte Herrick heiser,»bemitleiden Sie mich nicht, demütigen Sie mich nicht noch durch Ihr Verständnis! Sie wissen, was mich das kostet, also ersparen Sie mir in Gottes Namen noch weitere Beschämung!»

Draußen auf dem Gang waren Schritte zu hören, und Bolitho sagte:»Lassen Sie mich allein. Ich möchte nachdenken. «Er versuchte, die richtigen Worte zu finden, und war wütend über sich selbst, weil Herrick ihm solchen Schmerz antun konnte.»Sie sind mir zu wertvoll, als daß ich etwas falsch machen möchte.»

Die Tür öffnete sich einen Spalt weit, und Midshipman Saxby steckte den Kopf in die Kajüte.»Captain, Sir?«Zahnlückig und ängstlich grinste er, als er Bolitho sah.»Mr. Gilchrist läßt respektvoll fragen, ob Sie an Deck kommen können?»

Da Herrick nicht gleich antwortete, fragte Bolitho:»Ist was nicht in Ordnung?»

Saxby schluckte hinunter.»N-nein, Sir. Der Erste Offizier wünscht die Anwesenheit der Mannschaft beim Strafvollzug.»

Herrick erwachte aus seinem Sinnen.»Ich komme, Mr. Saxby. «Und mit einem Blick auf Bolitho:»Entschuldigung, Sir.»

Lange sah Bolitho auf die geschlossene Tür. Es war, als hätten Herricks Augen durch eine fremde Maske geblickt. Ein Gefangener. Wie hatte er gesagt? Wie tot.

Er fuhr herum, als Ozzard lautlos durch die andere Tür in die Kajüte kam. Oben und vor der Schottwand hörte er Leroux' MarineInfanteristen in ihren Stiefeln trampeln, und dann die leichtfüßigen Matrosen, die sich an Deck versammelten, um dem Strafvollzug beizuwohnen.

«Kann ich irgend etwas tun, Sir?«fragte Ozzard leise.

Bolitho sah zum Skylight auf und hörte die dumpfen Hammerschläge, mit denen die Gräting aufgeriggt wurde, an der dieser Mann festgebunden und ausgepeitscht werden sollte.

«Ja! Machen Sie das verdammte Skylight zu!«Er runzelte die Stirn.»Pardon, ich wollte Sie nicht anschreien.»

Er schritt zur anderen Seite. Hole der Satan Gilchrist und seine Strafen! Was wollte er damit beweisen, und wem?

Vorsichtig sagte Ozzard:»Ihr Schreiber ist draußen, Sir.«»Soll 'reinkommen!»

Moffitt trat in die Kajüte und blinzelte in das gespiegelte Sonnenlicht.»Ich habe den ersten Teil fertig, Sir, und dachte…»

«Warten Sie. «Bolitho sprach lauter, um das Klatschen der Peitsche auf eines Mannes nacktem Rücken zu übertönen.»Ich diktiere Ihnen einen Brief.»

An Deck ein kurzer Trommelwirbel, dann wieder der flache, klatschende Schlag der neunschwänzigen Katze auf nackter Haut.

«Wollen Sie anfangen, Sir?»

Ebenso wie Ozzard, der seelenruhig vor sich hin summend nebenan in der Schlafkajüte wirtschaftete, war Moffitt von dem langwierigen Ritual des Strafvollzuges völlig unbeeindruckt. Während er…

«An Captain Charles Farquhar von Seiner Britannischen Majestät Schiff Osiris.»

Bolitho legte die Stirn an die sonnenwarme Fensterscheibe und blickte auf das schäumende Wasser unterm Heck. Wie einladend das war. Kühl. Reinigend. Hinter sich hörte er Moffitts Federkiel über das Papier kratzen. Er stockte durchaus nicht beim Wirbel der Trommel, beim Schlag der Peitsche. Farquhar würde gute Gründe dafür haben, daß er seine Position verlassen hatte, ganz bestimmt.

«Sir?»

Bolitho preßte die Fäuste gegen die Oberschenkel, bis der Schmerz stärker war als seine Nervosität.

«Bei Empfang dieser Order werden Sie auf das Flaggschiff Lysander versetzt…«Er zögerte wieder und kämpfte mit sich selbst… »um dort die mit Ihrer Ernennung zum Flaggkapitän verbundenen Pflichten zu übernehmen.»

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