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Bolitho sah ihn angewidert an. Es war überraschend, wie sehr Pelham-Martin sich seit Beendigung des Kampfes verändert hatte. Von dem verzweifelten, bleichen Mann in schwerem Bootsmantel war nichts übriggeblieben. Er wirkte kalt und unberührt und verriet sogar schon eine gewisse Erwartung, was die ferne Stadt ihm wohl bieten mochte.

Bolitho spürte, daß der Ärger in ihm brannte wie scharfer Schnaps. Wie konnte Pelham-Martin sich gerade jetzt so kalt und gleichgültig zeigen, obwohl das kleinste Zeichen von Mitgefühl und Verständnis von größtem Wert für die Leute gewesen wäre, die gegen eine so starke Übermacht gekämpft hatten? Auch wenn das holländische Schiff im richtigen Augenblick gekommen war, die Matrosen und Marinesoldaten der Hyperion hatten ihren Wert bereits bewiesen.

Er sagte:»Ich werde die Barkasse für Sie rufen lassen, Sir.»

Pelham-Martin nickte.»Gut. Ein Glück, daß sie unbeschädigt geblieben ist. Ich war überrascht, daß Sie während der Kampfhandlung alle Boote an Bord ließen.»

Bolitho starrte wütend den breiten Rücken des Kommodore an.»Der Wind war schon schwach genug, Sir. Wenn wir auch noch die Boote hätten schleppen müssen, wäre das zuviel gewesen. Und sie abtreiben zu lassen…«Er kam nicht weiter.

Pelham-Martin richtete sich hoch auf und wandte sich ihm schroff zu.»Ich bin an Entschuldigungen nicht interessiert, Bolitho. Jetzt rufen Sie bitte mein Boot.»

Auf dem Achterdeck brannte die Sonne scharf, aber in seiner Verärgerung bemerkte Bolitho es kaum.

Inch meldete:»Alle Boote liegen längsseit, Sir. Mr. Tomlin läßt bereits Sonnensegel über den Niedergängen spannen, und ich habe alle Stückpforten öffnen lassen. «Er zögerte, als er Bolithos grimmiges Gesicht wahrnahm.»Sir?»

Bolitho blickte an ihm vorbei. Das holländische Schiff wurde bereits von kleinen Fahrzeugen vom Ufer her umschwärmt. Andere in allen Formen und Größen näherten sich zögernd der Hyperion. Offensichtlich waren die Insassen sich nicht im klaren, ob sie längsseit gehen oder sich in diskretem Abstand halten sollten. Die Hyperion mußte ein erschreckendes Bild bieten, dachte er grimmig. Von Einschlägen zernarbt und rauchgeschwärzt, die meisten ihrer Segel zu durchlöchert und zerfetzt, um sie festzumachen.

Er sagte:»Setzen Sie alle Leute ein, um die Schäden zu beseitigen, Mr. Inch. Aber zuerst müssen sie verpflegt werden. Schicken Sie einen Offizier mit zwei Booten an Land, sobald der Kommodore abgelegt hat; er soll so viel frisches Obst beschaffen, wie er bekommt. Um Fleisch und Frischwasser werde ich mich bemühen, sobald ich kann.»

Inch fragte:»Darf ich etwas sagen, Sir?»

Bolitho sah ihn zum erstenmal an.»Nun?»

«Wir sind alle glücklich, daß wir noch leben, Sir. Ohne Sie.»

Bolitho drehte sich um, um Perks, den Segelmacher, und seine Gehilfen zu beobachten, die ihrer grausigen Aufgabe nachgingen, die letzten Toten einzunähen und für ihre Beisetzung fertigzumachen.

«Einige haben nicht das Glück gehabt, Mr. Inch.»

Inch trat von einem Fuß auf den anderen.»Ich hätte aber nie geglaubt, daß sich neue, unausgebildete Männer so verhalten würden, wie unsere Leute es getan haben, Sir.»

Bolitho spürte, daß sein Zorn nachließ. Inch war so ernst, so unverkennbar aufrichtig, daß es ihm schwerfiel, von seiner Anteilnahme unberührt zu bleiben.

«Ich stimme Ihnen zu. Sie haben sich gut gehalten. «Er machte eine Pause.»Und Sie auch. «Er beschattete seine Augen, um zur Stadt hinüberzublicken.»Und jetzt lassen Sie die Seitenwache für den Kommodore antreten.»

Als Inch davoneilte, trat Bolitho an die Netze und sah mit leerem Blick auf die ferne Ansammlung weißer Gebäude hinüber. Deutlich hoben sie sich von dem Abhang dahinter ab und sahen aus wie ein Teil von Holland, dachte er. Die erste holländische Garnison oder die ersten Siedler mußten in Erinnerung an ihre Heimat gebaut haben; selbst durch den Hitzeglast waren die hochgezogenen, spitzen Dächer der größeren Häuser und die flachen Fassaden der niedrigeren Bauten zu erkennen, die alle ein Teil von Rotterdam oder einer anderen holländischen Hafenstadt hätten sein können.

Midshipman Gascoigne zog Bolithos Blick auf sich.»Signal von der Abdiel, Sir. Sie hat fünf Tote. Keine ernsten Beschädigungen.»

Bolitho nickte. Die stärkere französische Fregatte war mehr darauf bedacht gewesen, ihr Landekommando zurückzuholen und ihre Boote in Sicherheit zu bringen; die Abdiel hatte sich zwar wacker gehalten, aber auch eine gehörige Portion Glück gehabt.

Er sagte:»Übermitteln Sie Captain Pring bitte meine besten Wünsche.»

Die erschöpften und schmutzigen Matrosen zogen sich zurück, als die Marinesoldaten an der Schanzpforte neben den Bootsmannsmaaten und Pfeifern Aufstellung nahmen. Bolitho sah an seiner eigenen verwahrlosten Erscheinung hinunter. Die Marinesoldaten waren eine merkwürdige Brut, dachte er flüchtig. Vor zwei Stunden noch waren sie auf ihren Gefechtsstationen gewesen, hatten so wild und verzweifelt wie alle anderen gebrüllt und gekämpft. Doch jetzt, als Leutnant Hicks vor dem vorderen Glied stand und ihre Uniformen inspizierte, war es kaum zu glauben, daß sie überhaupt im Einsatz gewesen waren. Er hörte Gossett hinter sich zu jemand anderem sagen:»Die Bullen* überleben immer, solange sie ihre Tonpfeifen und verdammten Stiefel behalten. «Aber es lag echte Bewunderung darin.

Pelham-Martin kam langsam ins Sonnenlicht und rückte seinen Hut zurecht. Bolitho beobachtete ihn ohne jede Empfindung. Der Kommodore schien niemanden in seiner Nähe wahrzunehmen, und als er über eine große getrocknete Blutlache ging, wo wenige Schritte entfernt ein Mann gestorben war, zuckte er nicht einmal zurück.

Pelham-Martin fragte:»Wann werden Sie die neue Großmaststenge aufgeriggt haben?»

Bolitho erwiderte:»Mr. Tomlin ist bereits dabei, Sir. Wir hatten in Plymouth reichlich Ersatzmaterial geladen.»

«Welch ein Glück, Bolitho.»

Ein Matrose rief:»Von dem Holländer kommt ein Boot herüber!»

Pelham-Martin verzog das Gesicht.»Verdammt! Dann muß ich wohl noch eine Weile an Bord bleiben.»

Inch eilte zur Schanzpforte, dankbar für diese unerwartete Störung. Er hatte bemerkt, daß Bolithos Augen wieder hart geworden waren, und verfluchte innerlich Pelham-Martins Dummheit und Ignoranz. Dachte der denn nicht, wieviel Mühe und Schweiß es Bolitho gekostet hatte, dieses Ersatzmaterial einer Werft abzupressen, die große Übung darin besaß, einem Schiff gerade nur die dürftigste Ausrüstung zuzugestehen?

Er rief:»Das Boot hat einen Kapitän an Bord!«Er blinzelte.»Nein, Sir: zwei Kapitäne!»

Der Kommodore knurrte:»Die kommen doch nur, um mit ihrem Anteil an der ganzen Angelegenheit zu prahlen. Sollte mich jedenfalls nicht wundern.»

Das Boot legte an den Ketten an, und als die Pfeifen schrillten * Spitzname für Seesoldaten und die Marinesoldaten ihre Musketen mit aufgepflanzten Bajonetten präsentierten, erschien der erste Besucher in der Schanzpforte.

Er nahm seinen Hut ab und sah sich langsam auf dem von Menschen wimmelnden Hauptdeck um. Sein Blick blieb auf der Reihe eingenähter Leichen haften, auf den zersplitterten Planken, dem abgerissenen, herumliegenden Tauwerk. Er war ein älterer Mann, wahrscheinlich schon über sechzig, und sein linker Ärmel war leer und unter einem strahlenden goldenen Orden an die linke Brustseite geheftet. Sein Haar war beinahe weiß, aber sein Gesicht war von der Sonne wie Mahagoni gebräunt und sein Schritt so sicher und leicht wie der einer Katze.

Dann sah er Pelham-Martin und trat vor, um ihn zu begrüßen.»Ich darf Sie und Ihre Schiffe in St. Kruis willkommen heißen, Sir. Ich bin Pieter de Block, Gouverneur meines Landes und Ihr Verbündeter. «Sein Englisch kam zögernd, war aber ausgezeichnet.»Ich besuchte eine andere Insel und kehrte gerade rechtzeitig zurück, um Zeuge Ihres tapferen Kampfes zu werden. «Seine innere Anteilnahme war offensichtlich.»Ich kann nachempfinden, was diese Entscheidung Sie gekostet haben muß, und habe mit eigenen Augen einige Ihrer Opfer gesehen. Es ist unglaublich. Und jetzt«, mit ausholender Geste schwenkte er seinen Hut vor den Anwesenden,»jetzt haben Sie noch die Kraft und das Pflichtgefühl, mir diesen würdigen Empfang zu bereiten.»

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