Литмир - Электронная Библиотека

Rücken und Schultern der Matrosen waren sonnengebräunt, wenn auch manche schlimme Blasen von der Arbeit in der unbarmherzigen Sonne aufwiesen. Bolitho war dankbar, daß nichts Schlimmeres als Blasen sie zeichnete. Bei einer neuen Besatzung hätten unter diesen Umständen die Rücken vieler Männer von den grausamen Narben der neunschwänzigen Katze entstellt sein können. Neben sich hörte er schwere Schritte, und als er sich umdrehte, sah er den Kommodore, der auf das Hauptdeck hinabblickte. Seine Augen waren halb verdeckt, weil er gegen die untergehende Sonne blinzelte.

Bolitho sagte:»Wenn der Wind nicht nachläßt, können wir morgen früh Anker werfen. Auf der Ostseite der Bucht befinden sich breite Riffe, deshalb müssen wir von Süden her einlaufen, um ihnen auszuweichen.»

Pelham-Martin antwortete nicht sofort. Er war ruhiger und entspannter, als Bolitho ihn je gesehen hatte, und schien guter Laune zu sein.

Plötzlich sagte er:»Seit einiger Zeit denke ich, daß dieser ganze Aufwand womöglich völlig ungerechtfertigt ist, Bolitho. «Er nickte gewichtig.»Ja, ich habe kürzlich sehr viel nachgedacht.»

Bolitho hielt die Lippen zusammengepreßt. Pelham-Martin hatte während der Überfahrt mehr Zeit in seiner Koje als an Deck verbracht, ob nun nachdenkend oder nicht, Bolitho hatte jedenfalls oft sein Schnarchen durch die dünne Trennwand zum Kartenraum gehört.

Pelham-Martin fuhr fort:»Lequillers Auftrag kann lediglich ein Ablenkungsmanöver sein. Um mehr Schiffe von der Blockade fortzulocken, von Oussant und Lorient, damit die ganze Flotte ausbrechen und in den Kanal einlaufen kann. «Er sah Bolitho vergnügt an.»Das wäre eine schöne Ohrfeige für Sir Manley, wie? Die Enttäuschung könnte er nie verwinden.»

Bolitho hob die Schultern.»Ich halte es für unwahrscheinlich,

Sir.»

Das Lächeln verschwand.»Ach, Sie sehen die Dinge nie richtig. Dazu braucht man Phantasie, Bolitho. Phantasie und das Wissen, wie der Verstand des Menschen funktioniert.»

«Jawohl, Sir.»

Pelham-Martin funkelte ihn an.»Wenn ich auf Sie gehört hätte, wären wir inzwischen in Gott weiß was verwickelt worden.»

«An Deck! Abdiel setzt zur Wende an, Sir.»

Pelham-Martin bellte:»Wenn er um Erlaubnis bittet, noch heute abend in den Hafen einzulaufen, teilen Sie ihm mit: abgelehnt!«Mit schweren Schritten ging er auf den Niedergang zu.»Wir werden gemeinsam einlaufen, und meine Flagge wird an der Spitze sein.«Über die Schulter fügte er gereizt hinzu:»Fregattenkapitäne! Verdammte junge Schnösel würde ich sie nennen.»

Bolitho lächelte grimmig. Kapitän Pring von der Abdiel konnte gerade noch trotz des schwindenden Tageslichts einen Ankerplatz erreichen. Wenn die Vorräte an Verpflegung und Wasser schon auf der Hyperion gering waren, dann mußten seine fast völlig erschöpft sein. Und er mußte wissen, daß der Zweidecker nach dem Ankern erst einmal seinen eigenen Bedarf decken würde. Ohne Mühe konnte Bolitho sich an Gelegenheiten erinnern, als er mit einer Fregatte von zweiunddreißig Geschützen untätig vor dem Hafen hatte warten müssen, während drei ankernde Linienschiffe die lokalen Händler und Lieferanten leergekauft hatten, ehe er seinen Bedarf aus den spärlichen Resten decken durfte.

Midshipman Gascoigne war bereits in die Besanwanten aufgeentert und hatte sein Glas auf die ferne Fregatte gerichtet. Als sie anmutig durch den Wind drehte, fing ihre Takelage die letzten Sonnenstrahlen auf, so daß die geblähten Rahsegel wie rosa Muscheln schimmerten.

Manche der Matrosen auf dem Achterdeck hatten die letzten Worte des Kommodore gehört und grinsten, als die Signalflaggen an der Gaffel der Abdiel auswehten.

Ein alter Stückführer, dessen Zopf bis zur Hüfte reichte, brummte:»Geschieht ihnen recht, finde ich. Die sollen sich Zeit lassen und uns die erste Chance bei den braunen Schönen geben.»

«Abdiel an Hyperion: Geschützfeuer in West zu Nord!»

Gascoignes Stimme erreichte viele der Männer auf den Gangways, und ihr überraschtes Murmeln ließ den Kommodore oben am Niedergang innehalten, als ob er vom Schlag getroffen wäre.

Bolitho befahl knapp:»Bestätigen!«Pelham-Martin rief er zu:»Das muß ein Angriff auf den Hafen sein, Sir.»

«Abdiel bittet um Erlaubnis, mehr Segel zu setzen, Sir. «Gas-coignes Blicke zuckten zwischen seinem Kommandanten und der gewichtigen Gestalt des Kommodore hin und her.

Pelham-Martin schüttelte den Kopf.»Abgelehnt. «Vor Hast, an Bolithos Seite zu kommen, stolperte er fast bei den zwei letzten Schritten.»Abgelehnt!«Er schrie das Wort, offenbar außer sich vor

Wut.

Bolitho sagte:»Ich stimme Ihnen zu, Sir. Schiffe, die stark genug sind, einen befestigten Hafen anzugreifen, würden mit seinen schwachen Planken kurzen Prozeß machen. «Was er wirklich dachte, behielt er für sich. Daß die Situation nämlich völlig anders hätte sein können, wenn die Sparten noch bei ihnen gewesen wäre. Zwe i schnelle Fregatten, die von der offenen See her anstürmten, konnten einiges an Wirkung erzielen, ehe sie sich den Vorteil der sinkenden Dunkelheit zunutze machten. Aber vom Kommandanten der Abdiel allein wäre es zuviel verlangt gewesen; außerdem mußten Stunden vergehen, bis die Hyperion eine vorteilhafte Position erreichen konnte. Inzwischen war es dann dunkel und zu gefährlich, zu dicht unter Land zu gehen.

Pelham-Martin sagte rasch:»Signalisieren Sie an Abdiel, Position in Luv einzunehmen. «Er beobachtete, wie die Signalflaggen zur Rah aufstiegen.»Ich muß nachdenken.»

«Abdiel hat bestätigt, Sir.»

Bolitho sah, daß die Rahen der Fregatte rundgebraßt wurden, als sie begann, sich in Richtung des Hecks der Hyperion zu drehen. Er vermochte sich die Enttäus chung ihres Kommandanten vorzustellen.»Wir können nach Südwest steuern, Sir. Beim ersten Tageslicht sind wir dann in einer besseren Position, um die Angreifer zu überraschen.»

Pelham-Martin schien sich bewußt zu werden, daß auf dem dichtbesetzten Hauptdeck zahllose Augen auf ihn gerichtet waren.»Schicken Sie diese Maulaffen an die Arbeit. Ich will nicht von einer Bande verdammter Faulenzer angestarrt werden.»

Bolitho hörte die plötzlich überall einsetzende Aktivität und die gebrüllten Befehle. Pelham-Martin wollte nur Zeit gewinnen. Sein rasch wechselnder Gesichtsausdruck verriet deutlich seine Ratlosigkeit.

In etwas beherrschterem Ton sagte er: «Indomitable und Hermes können in wenigen Tagen hier sein. Mit ihrer Unterstützung werde ich mehr erreichen, ode r?»

Bolitho sah ihn ernst an.»Sie können ebensogut noch Wochen aufgehalten werden, Sir. Auf diese Chance können wir uns nicht einlassen. Und auch nicht auf das Risiko.»

«Chance? Risiko?«Pelham-Martin sprach in einem wilden Flüstern.»Es geht dabei um meinen Kopf. Wenn ich angreife, den Kampf aufnehme, und wir überwältigt werden, was dann?»

Bolithos Ton wurde härter.»Wenn wir es nicht tun, können wir die Insel verlieren. Unsere Schiffe brauchen nicht erst in der Schlacht geschlagen zu werden. Sie können auch durch Hunger und Durst bezwungen werden.»

Pelham-Martin suchte in Bolithos Gesicht, sein Ausdruck war gleichzeitig verzweifelt und flehend.»Wir könnten nach Caracas segeln. Die Spanier haben vielleicht Schiffe, die uns unterstützen.»

«Das würde zu lange dauern, Sir, selbst wenn die Dons dort Schiffe hätten und bereit wären, uns zu helfen. In der Zwischenzeit hat Lequiller dann St. Kruis genommen, und wir müßten eine Flotte aufbieten, um ihn zu vertreiben, und das unter hohen Kosten.»

Der Kommodore wandte sich wütend ab.»Lequiller! Das ist alles, woran Sie denken können. Vielleicht ist er gar nicht hier.»

Kalt entgegnete Bolitho:»Ich glaube nicht, daß daran ein Zweifel bestehen kann, Sir.»

«Also, wenn Sie ihn nicht hätten entkommen lassen, wenn Sie die Stellung gehalten hätten, statt Anker zu lichten, wäre es zu all dem hier gar nicht gekommen.»

30
{"b":"113271","o":1}