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Eine neue Explosion dröhnte über das Wasser und brach sich an der Bordwand der Destiny. Sie sahen schwarze Rauchwolken über die Lagune treiben und die vor Anker liegenden Schiffe ihren Blicken entziehen.

Dumaresq sagte leise:»Er muß kapitulieren. «Pallisers Einspruch ignorierend, setzte er hinzu:»Der Kommandant hat gar keine andere Wahl. «Er schaute über sein eigenes Schiff und sah, daß Bolitho ihn beobachtete.»Was würden Sie tun? Die Flagge streichen oder Ihre Leute verbrennen lassen?»

Bolitho hörte weitere Explosionen, die entweder von der Landbatterie oder aus dem Rumpf des Spaniers kamen. Solch ein herrliches Schiff, so schön anzusehen in all seiner hochmütigen Pracht, und jetzt lediglich Kanonenfutter! Er konnte es wie Bulkley kaum glauben. Wenn das ihnen passiert wäre, dachte er, ihm und seinen Kameraden auf der Destiny! Der Gefahr sahen sie mutig ins Auge, das gehörte zu ihrem Beruf. Aber im Nu aus einer disziplinierten Einheit in einen hilflosen Menschenhaufen verwandelt zu werden, umzingelt von Renegaten und Piraten, die einen Mann auch für einen Schnaps getötet hätten — das war ein Alptraum.

«Klar zum Wenden, Mr. Palliser. Wir wollen auf Kurs Ost gehen.»

Palliser sagte nichts. Er malte sich wahrscheinlich aus, und das mit größerer Sachkenntnis als Bolitho, welche Verzweiflung jetzt an Bord des Spaniers Platz gegriffen hatte. Sie würden sehen, wie sich die Masten der Destiny nach der Wende von der Insel entfernten, und damit ihre Niederlage als besiegelt betrachten.

Dumaresq fügte hinzu:»Nachher will ich Ihnen meine weiteren Absichten erklären.»

Bolitho und Rhodes sahen einander an. Ihre Aufgabe war also noch nicht beendet. Sie hatte noch nicht einmal angefangen.

Palliser schloß schnell die Lamellentür, als befürchte er, daß ein Feind mithören könnte.

«Alle versammelt, Sir. Das Schiff ist — wie befohlen — völlig verdunkelt.»

Bolitho wartete mit den anderen Offizieren und Deckoffizieren in Dumaresqs Kajüte; er fühlte ihre Zweifel und Sorgen und teilte ihre Erregung.

Den ganzen Tag hatte die Destiny in der sengenden Sonnenglut auf-und abgestanden, die Insel Fougeaux immer nahe querab, wenn auch nicht so nahe, daß sie von den Landbatterien erreicht werden konnte. Einige Stunden hatten sie noch gewartet, und einige von ihnen hatten sogar noch bis zuletzt gehofft, daß die San Augustin wieder auftauchen würde, daß sie sich irgendwie aus der Lagune freigesegelt hätte, um zu ihnen zu stoßen. Aber es geschah nichts dergleichen. Doch hatte es auch keine schreckliche Explosion mit herumfliegenden Wrackteilen gegeben, die von der endgültigen Vernichtung des Spaniers gekündet hätte. Wäre er in die Luft geflogen, so hätten die me i-sten der vor Anker liegenden Schiffe in Mitleidenschaft gezogen oder gar vernichtet werden können. Daß alles still blieb, wirkte also noch bedrückender.

Dumaresq schaute in die gespannten Gesichter. Es war sehr heiß in der geschlossenen Kajüte, und die Männer trugen alle nur Hemd und Hose. So sahen sie eher wie Verschwörer aus als wie Offiziere des Königs, dachte Bolitho.

Dumaresq sagte:»Wir haben einen ganzen Tag abgewartet, meine Herren. Damit hat Garrick sicherlich gerechnet. Er hat jede unserer Bewegungen vorausgesehen, glauben Sie mir.»

Midshipman Merrett schnüffelte und wischte sich die Nase mit dem Ärmel, aber Dumaresqs Blick ließ ihn erstarren.

«Garrick wird seine Pläne sorgfältig abgewogen haben. Er sollte wissen, daß ich in Antigua um Hilfe nachgesucht habe. Welche Chance wir auch hatten, ihn in seinem Schlupfwinkel festzunageln, bis Unterstützung eintraf, sie zerrann, als die San Augustin ihre Vorstellung gab. «Er beugte sich über den Tisch und legte beide Hände auf die Karte vor sich.»Nichts steht zwischen Garrick und seinen Zielen als dieses unser Schiff. «Er ließ seine Worte eine Zeitlang einwirken.»Ich hatte in dieser Hinsicht bislang keine Befürchtungen, meine Herren. Wir können es mit Garricks Flottille aufnehmen, wenn sie ausbricht, können alle Schiffe auf einmal bekämpfen oder eins nach dem anderen überwältigen. Aber die Lage hat sich geändert. Diese Stille heute beweist es.»

Palliser fragte:»Sie meinen, er wird die San Augustin gegen uns einsetzen, Sir?»

Dumaresq funkelte ihn wegen der Unterbrechung ärgerlich an, doch sagte er fast milde:»Wie es jetzt aussieht, ja.»

Füße scharrten, und Bolitho hörte mehrere Stimmen in plötzlicher Erregung miteinander flüstern.

Dumaresq sagte:»Don Carlos Quintana wird sich ergeben haben, falls er nicht vorher gefallen ist. Für ihn erhoffe ich letzteres. Denn er hätte von dieser Mörderbande kaum Gnade erwarten können. Was bitte auch Sie nicht aus den Augen verlieren sollten. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?»

Bolitho bemerkte, daß er unbewußt die Hände zusammenpreßte und wieder lockerte. Seine Wunde begann wieder zu pochen, und er mußte zu Boden schauen, bis sein Kopf endlich klar wurde.

Dumaresq sagte:»Sie werden sich an die ersten Schüsse auf den Spanier erinnern — aus einer einzelnen Kanone auf der Westseite des Hügels. Die Schüsse waren absichtlich schlecht gezielt, um die Eindringlinge in die Falle hineinzulocken. Als der Spanier dann an dem entscheidenden Punkt vorbei war, setzten sie ihre versteckte Batterie auf dem Hügel ein und verwendeten glühende Kugeln, um Panik und anschließende Kapitulation zu erzwingen. Dies gibt Ihnen eine Vorstellung von Garricks Schläue. Er riskierte lieber, das Schiff in Brand zu schießen, als es in seine sorgfältig zusammengekaufte Flottille einbrechen zu lassen. Don Carlos wäre bei einer normalen Beschießung wirklich weiter vorgedrungen, wenn ich auch bezweifle, daß er am Ende siegreich geblieben wäre.»

Über ihren Köpfen waren Schritte zu hören, und Bolitho konnte sich denken, daß sich die von ihren Offizieren alleingelassenen Leute der Wache neugierig fragten, welche Pläne dort unten ausgeheckt wurden und wer dafür später mit seinem Leben bezahlen mußte. Außerdem sah Bolitho das abgedunkelte Schiff vor sich, wie es unter wenigen Segeln durch die finstere Nacht geisterte.

«Morgen wird Garrick uns immer noch beobachten und überlegen, was wir vorhaben. Wir werden tagsüber weiter auf- und abpatrouillieren und nichts sonst. Das wird zweierlei bewirken: Garrick zeigt es, daß wir Verstärkung erwarten und außerdem nicht die Absicht haben zu verschwinden. Er wird wissen, daß seine Uhr abläuft, und daher versuchen, die Entscheidung voranzutreiben.»

Gulliver fragte besorgt:»Wäre das nicht der falsche Weg, Sir? Warum lassen wir ihn nicht in Ruhe und warten auf das Geschwader?»

«Weil ich nicht glaube, daß das Geschwader kommt. «Dumaresq hielt dem erstaunten Blick des Masters gelassen stand.»Es ist gut möglich, daß Fitzpatrick, der stellvertretende Gouverneur, meinen Bericht zurückhält, bis er seiner Verantwortung enthoben ist. Dann aber wäre es zu spät. «Er schenkte ihm ein kleines Lächeln.»Es hat keinen Zweck, Mr. Gulliver, Sie müssen Ihr Schicksal auf sich nehmen, wie auch ich es tue.»

Palliser fragte:»Wir gegen einen Vierundvierziger, Sir? Und ich zweifle nicht, daß auch Garricks übrige Fahrzeuge gut armiert und in Gefechtstaktik erfahren sind.»

Dumaresq schien der Diskussion mehr und mehr überdrüssig zu werden.»Morgen nacht werde ich dicht an die Insel herangehen und vier Boote aussetzen. Ich kann es nicht wagen, selber die Einfahrt zu erzwingen, und das weiß Garrick. Seine Kanonen sind auf das Fahrwasser gerichtet, sodaß ich aufjeden Fall im Nachteil wäre.»

Bolitho fühlte, daß sich sein Magen zusammenzog. Eine Landeaktion also. So etwas war immer schwierig und weitgehend Glückssache, selbst mit den erfahrensten Leuten.

Dumaresq fuhr fort:»Einzelheiten werde ich mit Ihnen besprechen, wenn wir sehen, wie der Wind uns unterstützt. Vorweg kann ich schon sagen: Mr. Palliser übernimmt den Kutter und die Jolle und landet an der Südostspitze der Insel. Das ist der am besten geschützte Teil, und niemand wird hier einen Angriff erwarten. Mr. Palliser wird unterstützt von Mr. Rhodes, Fähnrich Henderson und…«Seine Augen wanderten langsam zu Slade,»… von unserem ältesten Steuermannsmaaten.»

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