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Dumaresq schien es zu erwägen.»Letzteres stimmt. Ich habe bisher nur von einem einzigen Menschen gehört, der über das Meer wandeln konnte; aber wir brauchen heute eine andere Art Wunder.»

Einige der neben ihren Neunpfündern knienden Matrosen stießen sich lachend gegenseitig an.

Bolitho staunte, daß es Dumaresq so leicht fiel. Er wußte genau, was nötig war, um seine Leute bei guter Laune und kampfesmutig zu halten.

Gulliver sagte, ohne jemanden direkt anzusprechen:»Wenn der Don Erfolg hat, dann ade Prisengeld!»

Dumaresq sah ihn grimmig lächelnd an.»Gott, sind Sie ein armseliger Gefährte, Mr. Gulliver. Wie Sie sich mit solcher Hoffnungslosigkeit auf dem Ozean zurechtfinden, kann ich gar nicht begreifen.»

Midshipman Henderson rief:»Der Spanier hat die Landspitze passiert, Sir!»

Dumaresq brummte:»Sie haben gute Augen. «Für Palliser fügte er hinzu:»Er steht vor einer Leeküste. Jetzt oder nie muß etwas geschehen.»

Bolitho preßte die Hände fester zusammen, um sich zu beruhigen. Er sah reflektierte Blitze aus den abgewandten Stückpforten der San Augustin schießen und aus den Geschützmündungen Rauchpilze aufsteigen und hörte Sekunden später auch das donnernde Krachen der Breitseite. Am Hang des Hügels stiegen Staubwolken wie Federbüsche empor, und einige eindrucksvolle Steinlawinen polterten zum Wasser hinunter.

Palliser sagte ärgerlich:»Wir müssen bald wenden, Sir.»

Bolitho schaute zu ihm hinauf. Palliser hoffte, daß er nach der Destiny ein eigenes Kommando bekommen würde, und machte auch kein Geheimnis daraus. Aber so lange Hunderte von Seeoffizieren bei halbem Lohn an Land warteten, bedurfte es schon mehr als nur einer freien Stelle, um ihm diese Beförderung zu bringen. Die Heloise hätte für ihn ein Schritt in diese Richtung sein können. Aber Beförderungsausschüsse hatten ein kurzes Gedächtnis, und die Heloise befand sich jetzt auf dem Meeresgrund und nicht in der Hand des Prisengerichts.

Wenn Don Carlos Quintana Garricks Verteidigungsanlagen bezwang, würde ihm der ganze Ruhm zufallen und die Admiralität eine Beförderung Pallisers sicher nicht befürworten.

Ein einzelner Knall war zu hören, und wieder stieg eine Wassersäule in einiger Entfernung vom Rumpf des Spaniers auf.

Palliser sagte:»Garricks angebliche Stärke war also nur ein Bluff. Die Dons werden sich über uns totlachen. Wir haben den Schatz für sie aufgespürt und dürfen nun zusehen, wie sie ihn zurückholen.»

Bolitho sah die Rahen des Spaniers langsam und schwerfällig herumschwingen; gleichzeitig wurde sein Großsegel aufgegeit, als er hinter einer weiteren Korallenbank vorbeiglitt. Für die in der Lagune vor Anker liegenden Schiffe mußte es ein bedrohlicher Anblick sein.

Er hörte jemanden murmeln:»Sie setzen Boote aus.»

Bolitho sah, wie zwei Boote vom Oberdeck der San Augustin ausgeschwenkt und dann längsseit zu Wasser gebracht wurden. Das wurde nicht besonders geschickt gemacht, und als die Männer in die Boote kletterten und vom Schiff absetzten, begriff Bolitho, daß ihr Kommandant es nicht wagen durfte, vor einer Leeküste und angesichts der zusätzlichen Bedrohung durch schwere Kanonen beizudrehen.

Die Boote nahmen weder Kurs auf die Korallenbank noch auf das Vorland der Küste, sondern setzten sich vor ihr großes Mutterschiff und kamen damit schnell außer Sicht. Aber nicht für den Ausguck im Mast, der kurz darauf meldete, daß die Boote das Fahrwasser mit Blei und Schnur ausloteten, um zu verhüten, daß die San Augustin auf Grund lief.

Bolitho beschloß, die bitteren Bemerkungen Pallisers zu ignorieren und statt dessen die Geschicklichkeit und Kühnheit des Spaniers zu bewundern. Don Carlos hatte sicherlich schon gegen Briten gekämpft und ließ sich die Gelegenheit, sie zu beschämen, nicht entgehen.

Als er aber einen Blick nach achtern warf, sah er, daß Dumaresq das andere Schiff eher wie ein uninteressierter Zuschauer betrachtete.

Er wartete ab. Die Erkenntnis traf Bolitho wie ein Faustschlag. Du-maresq hatte ihnen allen etwas vorgemacht; er hatte den Spanier angestachelt — nicht umgekehrt.

Auch Bulkley sah Dumaresqs Gesichtsausdruck und sagte heiser:»Ich glaube, jetzt begreife ich!»

Der Spanier feuerte wieder nach Steuerbord, und der Pulverqualm trieb in einer dichten Bank nach Lee. Weitere Felsbrocken und Staubwolken wurden von den Kugeln emporgejagt, aber keine erschreckten Gestalten rannten aus ihrer Deckung; auch feuerte keine einzige Kanone auf das prächtig beflaggte Schiff.

Dumaresq befahl:»Lassen Sie zwei Strich nach Steuerbord abfallen.»

«An die Leebrassen!»

Die Rahen quietschten unter dem Gewicht der Männer an den Brassen, und der Klüverbaum der Destiny zeigte nun, leicht schräg geneigt, auf den flachen Hügel.

Bolitho wartete, bis seine Leute auf ihre Stationen zurückkamen. Er mußte sich geirrt haben. Dumaresq holte wahrscheinlich aus, um anschließend zu wenden und — nachdem er einen großen Kreis geschlagen hatte — auf ihren ursprünglichen Kurs zurückzukehren.

In diesem Augenblick hörte er eine doppelte Explosion, als schlüge ein Fels durch eine Hauswand. Als er auf die andere Seite rannte und über das Wasser blickte, sah er vor dem spanischen Schiff etwas in die Luft fliegen und dann ebenso schnell herabfallen und außer Sicht kommen.

Der Ausguck schrie von oben:»Eines der Boote ist getroffen, Sir! Glatt mittendurch gehauen!»

Bevor sich die Männer an Deck von ihrer Überraschung erholt hatten, spie die ganze Hügelkuppe aus vielen Kratern Feuer. Da oben mußten sieben oder acht großkalibrige Kanonen stehen.

Bolitho sah das Wasser um den Spanier wie kochend aufwallen, in seinem backgebraßten Großmarssegel zeigte sich ein gezacktes Loch.

Auch ohne Teleskop sah das recht gefährlich aus; außerdem schrie Palliser:»Das Segel glimmt! Glühende Kugeln!»

Die anderen Kugeln waren auf der abgewandten Seite des Spaniers eingeschlagen. Bolitho sah einen kurzen Sonnenreflex auf einem Fernglas blitzen, als einer der spanischen Offiziere den Hügel nach der verborgenen Batterie absuchte.

Als dann die San Augustin abermals feuerte, antwortete sofort die geschickt postierte Landbatterie. Im Gegensatz zur geschlossenen Breitseite des Spaniers schoß die Landbatterie geschützweise, und jede Kugel war sorgfältig gezielt.

Rauch stieg vom Oberdeck des Schiffes auf; Bolitho beobachtete, daß Gegenstände über Bord geworfen wurden und daß aus der Hütte starker Qualm drang, da sich dort die Flammen festgefressen hatten.

Dumaresq sagte:»Garrick hat den richtigen Augenblick abgewartet, Mr. Palliser. Er ist kein solcher Narr, daß er sich sein Fahrwasser durch ein versenktes Schiff versperren würde. «Mit ausgestrecktem Arm zeigte er hinüber, als Fockbramstenge und — rah des Spaniers herunterflogen und ins Wasser fielen.»Schauen Sie gut hin. Da wäre die Destiny jetzt, wenn ich der Versuchung nachgegeben hätte: Futter für ihre Kanonen.»

Das Geschützfeuer des Spaniers wurde jetzt unregelmäßig und unkontrolliert; die Kugeln schlugen harmlos in soliden Fels oder riko-schettierten über das Wasser wie fliegende Fische. Vom Deck der Destiny sah es aus, als sei die San Augustin überall von Korallenbänken eingeschlossen, als sie mit durchlöcherten Segeln, Qualm hinter sich herziehend, langsam in die Lagune hineintrieb.

Palliser sagte:»Warum macht er jetzt nicht kehrt?»

Sein Zorn auf den Spanier war offenbar der Sorge um das schwer mitgenommene Schiff gewichen. Es hatte so stolz und majestätisch ausgesehen. Jetzt trieb es, von dem gnadenlosen Bombardement gezeichnet, hilflos der Unterwerfung entgegen.

Bolitho wandte sich um, als er den Arzt murmeln hörte:»Ein Anblick, den ich nie vergessen werde. «Bulkley nahm seinen Kneifer ab und putzte ihn gründlich.»Wie die Verse, die ich einmal lernen mußte: >Dort, wo das Meer in den Himmel verrinnt'/ zieht majestätisch ein Schiff seine Bahn./ Ein Freibrief des Königs treibt es voran,/ kühn flattern die Wimpel im Wind.<«Er lächelte traurig.»Nun klingt es wie eine Grabinschrift.»

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